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Tröster, Scharlatane, Geldmacher

In Indien gibt es Tausende Gurus. Die bieten den Menschen Halt in Zeiten der Unsicherheit, wie es der indische Soziologe Ashis Nandy beschreibt. Dabei gibt es Gurus für Arme und Reiche. Manche versprechen Zehntausenden Kranken, sie zu heilen, andere erzählen Film- und Sportstars, wie sie noch erfolgreicher werden.

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Früher hätten die Menschen in Indien die Dorfältesten oder traditionellen Heiler um Rat in Lebensfragen gebeten. „In der Stadt übernehmen diese Rolle nun oft die Gurus“, erklärt der Soziologe. Yogaguru Dhirendra Brahmachari etwa war ein Vertrauter der früheren Premierministerin Indira Gandhi. Und Baba Ramdev, der für die jetzige Regierung unter Premierminister Narendra Modi Wahlkampf betrieben hatte, genießt VIP-Personenschutz.

Yogakurse, Bücher, DVDs, Ayurveda

Viele dieser spirituellen Anführer sind auch erfolgreiche Geschäftsfrauen bzw. -männer: Sie verkaufen Yogaunterricht und -Kurse, Bücher und DVDs, ayurvedische Medizin und andere Gesundheitsprodukte. Mata Amritanandamayi, besser bekannt als Amma, bietet in ihrem Onlineshop spirituell anregenden Schmuck an. Ihr Markenzeichen sind „darshans“, bei denen sie jeden, der das wünscht, umarmt. Für die Umarmungen werden Nummern ausgegeben, vor allem in Indien ist die Nachfrage sehr groß.

Doch unter den Gurus gibt es nicht nur Scharlatane, sondern auch Wohltäter, die Krankenhäuser und Schulen bauen. Sie helfen nach Naturkatastrophen oder organisieren Blutspendecamps. „Ein guter Guru hilft“, sagt etwa Gurumaa Anandmai, ebenfalls eine sogenannte spirituelle Anführerin. Sie hatte auf der jüngsten Maha Kumbh Mela, dem größten religiösen Fest der Welt, ein Frauen-Camp aufgebaut. Nach eigenen Angaben ist die Gleichstellung von Frauen ihr Ziel.

„Antworten bekommen Menschen nicht im Tempel“

Indien ist ein Land im rasanten Wandel, voller Perspektiven und Träume, aber auch Unsicherheit und Verwirrung - und die Gurus versprechen Lösungen für den schwierigen Weg. „Die Menschen wollen eine schnelle und spezifische Antwort. Die bekommen sie nicht, wenn sie in den Tempel gehen und beten“, sagt Sanjay Srivastava, Professor am Zentrum für Sozialstudien der Jawaharlal-Nehru-Universität in Delhi.

Mit Hilfe der sprunghaften Verbreitung der Massenmedien in den 90er Jahren hätten die Gurus ihren Siegeszug angetreten, erklärt Experte Srivastava. Es sei ein zeitgenössisches Phänomen. Früher hätten die spirituellen Anführer von den Anhängern verlangt, mit ihnen in Abgeschiedenheit zu leben. „Heute kann man regelmäßig zu seinem Guru gehen und trotzdem noch Manager sein“, so Srivastava.

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