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Die Herausforderung des Jahrhunderts

Der Generalsekretär von Amnesty International, Salil Shetty, hat Mitte Juni schwere Vorwürfe gegen die internationale Gemeinschaft erhoben. „Die Flüchtlingskrise ist eine der wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, aber die internationale Gemeinschaft hat bisher kläglich versagt“, sagte er bei der Vorstellung eines Berichts zum Umgang mit den weltweiten Flüchtlingsströmen.

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Die bewaffneten Konflikte in der arabischen Welt und Afrika haben nach Angaben der Menschenrechtsorganisation die „schlimmste Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg“ ausgelöst. Der in der libanesischen Hauptstadt Beirut vorgestellte Bericht wirft der internationalen Gemeinschaft schwere Versäumnisse bei der humanitären Hilfe vor.

Eine Million sucht Aufnahme

Millionen Flüchtlinge seien zu einem Leben in Elend und Tausende zum Tode verurteilt, weil ihrer Lage nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt werde. Dem Bericht zufolge sind derzeit rund eine Million Flüchtlinge dringend auf eine Aufnahme in sicheren Ländern angewiesen.

Vier Millionen Syrer würden unter schwierigsten Umständen versuchen, in den Nachbarstaaten des Landes zu überleben. Länder wie die Türkei oder der Libanon, die die größte Last trügen, dürften nicht länger von der restlichen Welt alleine gelassen werden. Im Libanon komme auf jeden vierten Bewohner bereits ein syrischer Flüchtling.

Aus den Teilen Afrikas südlich der Sahara seien mehr als drei Millionen Menschen auf der Flucht. Zu den Strömen aus den langjährigen Krisenherden Somalia, dem Sudan und Kongo kämen Hunderttausende, die ihre Heimat im Südsudan, der Zentralafrikanischen Republik, Nigeria oder Burundi verlassen mussten. Viele von diesen Menschen machen sich auf den Weg Richtung Europa.

Dramatischer Anstieg der Toten

Im Mittelmeer ertranken den Angaben zufolge 2014 rund 3.500 Menschen, 2015 sind es bereits 1.865. Der Anstieg der Toten sei auch auf die Entscheidung von Italien und der EU zurückzuführen, das Seenotrettungsprogramm „Mare Nostrum“ Ende 2014 durch die beschränktere „Operation Triton“ zu ersetzen.

Auch angesichts des Flüchtlingsdramas in Südostasien, wo im Mai Tausende Menschen in überfüllten Booten auf dem Meer trieben, ohne dass ein Land sie aufnehmen wollte, schlägt Amnesty Alarm: „Die Krisen in Europa und Südostasien haben gezeigt, dass die Regierungen bereit sind, rechtliche Verpflichtungen und humanitäre Erfordernisse zu ignorieren.“ Die meisten Todesfälle wären demnach vermeidbar gewesen.

Die Flüchtlingskatastrophe könne nur gelöst werden, wenn die internationale Gemeinschaft sie als globales Problem verstehen und behandeln würde, resümiert der Bericht. Amnesty International fordert deshalb einen internationalen Krisengipfel.

„Leid in kolossalem Maßstab“

Auch vonseiten der UNO hagelte es Kritik. Der Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, beklagte das zu geringe Engagement im Kampf gegen die Flüchtlingskatastrophen. Zu viele Menschen lebten in Ländern mit brutalen Konflikten, zu vielen würden ihre wirtschaftlichen und sozialen Rechte verwehrt, sagte Hussein zum Auftakt der dreiwöchigen Sitzung des UNO-Menschenrechtsrats in Genf.

„Das Ergebnis ist Leid in einem kolossalen Maßstab.“ Gerade in Syrien mit seinen elf Millionen Vertriebenen müsse sich beweisen, was die Welt zu tun bereit sei, sagte Hussein. „Wenn die Worte ‚internationale Gemeinschaft‘ etwas bedeuten sollen, dann müssen sie bedeuten, dass wir gemeinsam Hilfe und Schutz für das syrische Volk bringen.“

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