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„Gastfreundschaft“ blieb unangetastet

Wohl selten war Südafrika so froh, dass dem Land ein per Haftbefehl Gesuchter entkommen ist: Nach einem Tauziehen um die Festnahme des sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir in Südafrika hob dessen Flugzeug am Montag vom Militärflugplatz Waterkloof am Rande von Pretoria ab, obwohl Baschir das Land laut Gerichtsanordnung nicht verlassen hätte dürfen.

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Südafrika hatte zuvor nach Kräften versucht, dem Dilemma der Verhaftung eines amtierenden Staatschefs zu entkommen. Auf juristischem Weg konnte man das nicht tun: Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Darfur-Krise ist wasserdicht und Südafrika Mitglied des IStGH. Baschir hatte in Johannesburg am Gipfel der Afrikanischen Union (AU) teilgenommen - und Südafrika spielte offenbar auf Zeit.

Chronik einer angekündigten Abreise

Ein südafrikanisches Gericht hatte noch am Sonntag verfügt, dass Baschir Südafrika unter keinen Umständen vor einer endgültigen Entscheidung verlassen dürfe. Baschirs Sprecher Mohammed Hatem hatte dagegen noch Montagfrüh gegenüber Medien gesagt, Baschir „ist noch in Johannesburg, aber wir werden Südafrika heute verlassen“. Südafrika ließ sich daraufhin seinerseits mit einer Entscheidung darüber, ob und unter welchen Umständen Baschir verhaftet werden solle, reichlich Zeit.

Die Gerichtsverhandlung über die Durchsetzung der Verhaftung zog sich in die Länge und wurde schließlich auch für eine Stunde unterbrochen, während Baschir seine Abreise vorbereitete. Die südafrikanische Regierung argumentierte vor Gericht, man könne als Gipfelgastgeber nicht die diplomatische Immunität der Teilnehmer verletzen. Auch Baschirs Sprecher selbst hatte zuvor betont, Südafrika habe dem sudanesischen Präsident im Vorfeld des Gipfels seine „Gastfreundschaft“ garantiert.

Vergeblich Mahnung von UNO-Generalsekretär

Die Missachtung des IStGH-Haftbefehls hätte Südafrika in eine Verfassungskrise schlittern lassen können. Auch UNO-Generalsekratär Ban Ki Moon hatte in Genf auf Baschirs Verhaftung gepocht. Er nehme den Haftbefehl gegen den 71-jährigen sudanesischen Staatschef „persönlich sehr ernst“, so Ban. Die Anordnung zur Verhaftung müsse durchgesetzt werden. Der Konflikt in Darfur hat laut UNO-Schätzungen seit 2004 etwa 300.000 Menschenleben gekostet. Mehr als 2,5 Millionen Menschen flohen vor der Gewalt.

Applaus für Baschir auf Gipfel

Der Streit über den sudanesischen Präsidenten überlagerte das zweitägige Gipfeltreffen der über 50 Staaten in Johannesburg. Offiziell sollte es dabei um die Stärkung der Rolle der Frauen, die politische Krise in Burundi und die afrikanische Flüchtlingsproblematik gehen. Das Programm verzögerte sich wegen der offenbar intensiven Diskussionen über Baschir um etwa fünf Stunden. Die Delegierten applaudierten, als die AU-Vorsitzende Nkosazana Dlamini Zuma dem sudanesischen Präsidenten später öffentlich zu seiner jüngsten Wiederwahl gratulierte.

Die Regierung des Sudan hatte den Haftbefehl, auf dessen Durchsetzung nun vor allem EU-Außenbeauftragte Francesca Mogherini gedrängt hatte, ohnehin als „wertlos“ bezeichnet. Die südafrikanische Regierung erklärte - während sie offiziell hinter dem Haftbefehl für Baschir stehen musste - ihrerseits, dass sich der IStGH ohnehin nur noch auf afrikanische Staatschefs einschieße und deshalb „nicht mehr nützlich“ sei.

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