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Junge Rote und Grüne fordern Rücktritt

Die Kritik am zeitweiligen Stopp für Asylverfahren reißt nicht ab. Nach NGOs, Grünen und NEOS stimmte am Samstag auch die Sozialistische Jugend (SJ) in den Chor der Kritiker ein. Die rote Jugendorganisation forderte ebenso wie die Jungen Grünen den Rücktritt von ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Die Ministerin verwies dagegen am Samstag einmal mehr auf die „aktuelle Antragsflut“.

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Den Vorwurf des Amtsmissbrauchs bzw. der Verfassungswidrigkeit im Zusammenhang mit dem Aussetzen von neuen Asylverfahren wollte Mikl-Leitner nicht gelten lassen. Sie habe „keine Weisung zum Nichtstun“ erteilt, sondern dazu, Dublin-Fälle prioritär zu behandeln. Die Bearbeitung von Asylverfahren „wird nicht gestoppt, aber man konzentriert sich auf Dublin-Fälle, Rück- und Abschiebungen, und das führt automatisch dazu, dass die anderen gestoppt werden“. Es gehe „operativ gar nicht mehr anders“, so Mikl-Leitner im Gespräch mit der APA.

„Entscheidung der Vernunft“

Die Ministerin sprach von einer „Entscheidung der Vernunft“, da die Kapazitäten derzeit gar nichts anderes möglich machen würden. „Wir haben massiv hohe Antragszahlen. Es ist überraschend, dass das selbst in Österreich so manche noch immer nicht begriffen haben.“ Die andere Möglichkeit sei, mit allen Verfahren weiter zu machen, aber eben mit massiven Verzögerungen und mit Qualitätsverlust.

Das sei gerade für Dublin-Fälle problematisch, „weil da die Fristen relativ schnell ablaufen, die bleiben dann erst recht in Österreich“. Außerhalb des rechtlichen Rahmens sieht sich Mikl-Leitner nicht. „Sie werden doch nicht glauben, dass wir etwas Ungesetzliches machen“, so die Ministerin im Ö1-„Mittagsjournal“. Bei ihrer Vorgehensweise gehe es um eine „Schwerpunktsetzung, die rechtlich gedeckt ist“, so die Ministerin - mehr dazu in oe1.ORF.at.

SJ: „Vorschlag schlägt dem Fass den Boden aus“

Anders sehen das allerdings die Kritiker der Ministerin. Fassungslos reagierte SJ-Vorsitzende Julia Herr auf die Entscheidung der Innenministerin. Die Jungpolitikerin forderte in einer Aussendung denn auch gleich den Rücktritt der Ressortchefin. Mikl-Leitner sei „massiv überfordert“, wie das Aufstellen von Zelten und die Situation in Traiskirchen zeigen würden. „Der jetzige Vorschlag schlägt dem Fass den Boden aus“, so Herr. Die SJ unterstütze daher den Vorschlag des Traiskirchner Bürgermeisters Andreas Babler (SPÖ), Mikl-Leitner „endlich das Ressort zu entziehen“, erklärt Herr in einer Aussendung.

Nicht ganz so hart, wenngleich ebenfalls kritisch, äußerten sich am Samstag die SPÖ-Abgeordneten Petra Bayr, Ulrike Königsberger Ludwig und Nurten Yilmaz in einer gemeinsamen Stellungnahme. „Mit der gestern präsentierten Maßnahme kommt es zu keiner Verbesserung. Die Menschen kommen trotzdem nach Österreich, nur bleiben sie länger hier.“

Glawischnig vermutet Amtsmissbrauch

Grünen-Chefin Eva Glawischnig warf Mikl-Leitner vor, „den Rechtsstaat mit Füßen“ zu treten. „Eine Ministerin hat die Gesetze zu vollziehen. Das systematische Nicht-Bearbeiten von Asylverfahren etwa von syrischen Kriegsflüchtlingen ist rechtswidrig und verfassungsrechtlich bedenklich. Die Anweisung an die Behörden, bestimmte Asylverfahren nicht zu behandeln, legt den Verdacht nahe, dass es sich um Amtsmissbrauch handeln könnte“, so Glawischnig.

Die Jugendorgansiation der Grünen forderten ebenso wie die SJ den sofortige Rücktritt Mikl-Leitners. „Die ÖVP betreibt seit Langem eine rassistische Politik, aber Mikl-Leitner ist mit ihrer jüngsten Entgleisung, alle neuen Asylverfahren zu stoppen, endgültig rücktrittsreif“, so Diana Witzani, Sprecherin der Jungen Grünen: „Anstatt Menschen in Not schnell und unbürokratisch zu helfen und Asyl als Menschenrecht ernst zu nehmen, macht Mikl-Leitner brutale Politik auf dem Rücken Tausender betroffener Menschen, die in Österreich Schutz suchen.“

„Das Aussetzen neuer Asylverfahren und die geplante Abschiebung abgelehnter Asylwerber kommen viel zu spät und sind ein Zeichen der Hilflosigkeit der Bundesregierung. Österreich ist längst zum Zielpunkt sämtlicher Schlepperrouten geworden“, befand die außenpolitische Sprecherin des Teams Stronach, Jessi Lintl. Harsche Kritik übte auch der steirische Generalsekretär der Katholischen Aktion (KA), Erich Hohl. Er warf Mikl-Leitner vor, ein „gefährliches Spiel mit Menschenschicksalen“ zu betreiben - mehr dazu in religion.ORF.at.

Aussetzen nicht verfassungswidrig?

Der Vorwurf, wonach das Aussetzen von Asylverfahren verfassungswidrig sei, könnte ins Leere gehen. „Man kann das so machen, dass die Verfassungswidrigkeit nicht aufgegriffen werden kann“, sagte Verfassungsrechtler Theo Öhlinger auf APA-Anfrage am Samstag. Wenn ein Asylverfahren aus berechtigten Gründen länger dauert, sei das nicht verfassungswidrig. Auch andere behördliche Verfahren können länger dauern, wenn es Gründe dafür gebe. Und man könne bei jedem Verfahren Gründe für eine längere Dauer aufgreifen.

Wenn eine Behörde Prioritäten mache, sei es auch nicht verfassungswidrig, so Öhlinger. Als geplante Aktion könnte man ein solches Vorgehen zwar für verfassungswidrig erklären, „es bliebe aber eine folgenlose Behauptung“.

Heftige Kritik bereits am Freitag

Bereits am Freitag hatte die Menschenrechtssprecherin der Grünen, Alev Korun, gesagt: „Damit unser Rechtsstaat und Schutzsuchende keinen Schaden nehmen, sollte die Ministerin das Asylwesen schleunigst abgeben.“ Niki Scherak, Menschenrechtssprecher von NEOS sprach von einer „Bankrotterklärung für Österreich“. Die gleiche Diktion verwendet die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch und fordert die Innenministerin zur umgehenden Rücknahme des von ihr verkündeten Stopps der Erledigung von Asylverfahren auf.

Die Asylkoordination und das Österreichische Rote Kreuz äußerten – wie auch viele andere Kritiker - Zweifel daran, dass die vom Innenministerium gesetzten Schritte zu mehr Solidarität innerhalb der EU führen würden. Der Landesparteiobmann der FPÖ Oberösterreich, Manfred Haimbuchner, sprach sich dagegen erneut für temporäre Grenzkontrollen aus, um „die Asylflut zu stoppen“.

Mikl-Leitner ortet „Schieflage“

Mikl-Leitner hielt allerdings auch am Samstag, an ihrem Plan fest, am Dienstag beim Rat der EU-Innenminister Druck auf die anderen Länder auszuüben und zu verdeutlichen, „dass wir den Asylexpress Österreich stoppen müssen“. Die Zahl der Anträge habe sich im Vergleich zum Vorjahr um 183 Prozent erhöht. Österreich sei mit 73 Anträgen pro 100.000 Einwohner aktuell EU-Spitzenreiter. Der Grund dafür sei eben das rasche Bearbeiten von Anträgen.

Während Österreich Anträge von Kriegsflüchtlingen innerhalb von vier Monaten erledige, dauere das in Schweden zehn Monate und in Frankreich zwei Jahre, erläuterte Mikl-Leitner. „Diese Schieflage“ will sie mit dem Aussetzen neuer Anträge beseitigen. „Das ist ein Warnsignal an die anderen, endlich Solidarität zu zeigen und einer fairen EU-Quote zuzustimmen.“ Wie lange diese Weisung aufrecht bleiben wird? „Das läuft so lange, bis sich etwas ändert in der Asylantragszahl oder auf EU-Ebene.“

Dass sich dadurch das Problem mit der Unterbringung von Flüchtlingen verschärfen wird, glaubt Mikl-Leitner nicht, denn man bringe ja die Dublin-Fälle rascher aus dem Land und entlaste dadurch die Quartierssituation. Die Unterbringungsprobleme blieben allerdings weiterhin bestehen, weil die Zahl der Neuankömmlinge weiter steige.

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