Themenüberblick

Pröll verteidigt Mikl-Leitner

Die SPÖ hat das Vorgehen der ÖVP bei der Flüchtlingsproblematik heute ungewöhnlich scharf kritisiert. Das Aussetzen von Asylverfahren sei ein „Irrweg“, damit würden die Probleme nur noch verschärft, rügte Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) seine Kollegin von der ÖVP, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, sehr deutlich.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Die Vorgehensweise der Innenministerin ist ein Irrweg. Sie löst das Problem nicht. Im Gegenteil, es wird noch verschärft“, sagte Klug gegenüber der APA. „Wir bemühen uns seit Jahren um rasche Asylverfahren, damit alle Beteiligten schnell Klarheit haben. Es ist gut für die Asylsuchenden und gut für uns, wenn schnell feststeht, wer das Recht hat, zu bleiben und wer wieder gehen muss.“ Durch den von Mikl-Leitner veranlassten De-facto-Stopp aller neuen Verfahren werde es einen Rückstau geben, „den wir selbst wieder abarbeiten müssen“, sagte Klug.

Vorwurf des Populismus

„Die Behauptung, dass dadurch weniger Menschen zu uns kommen werden, ist populistisch und falsch. Es werden nicht weniger kommen. Jemand, der vor Krieg und Verfolgung flieht, macht sich keine Gedanken, wie lang sein Verfahren in Österreich dauert. Der will einfach weg, an einen sicheren Ort“, so Klug weiter.

Eine Drohgebärde gegenüber anderen EU-Ländern sehe er, Klug, auch nicht. „Die werden sich ins Fäustchen lachen, wenn sie das hören. Ein Rückstau in Österreich setzt niemanden unter Druck. Das ist einfach ein Eigentor, mehr nicht. Wir brauchen rasche Verfahren, die schnell Klarheit bringen, ein gerechtes Verteilsystem auf EU-Ebene und eine sinnvolle Unterbringung im Inland“, so der Verteidigungsminister.

ÖVP: Klug-Aussagen „kontraproduktiv“

ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel reagierte ungehalten: „Die Querschläge von Minister Klug sind absolut kontraproduktiv“, so Blümel in einer Aussendung. Er verteidigte Mikl-Leitners Plan, sich auf die Dublin-Fälle zu konzentrieren. „Österreich darf nicht länger Zielland Nr. eins für Flüchtlinge sein und insbesondere durch schnelle Asylverfahren eine ‚Magnetwirkung‘ bekommen“, so Blümel.

Mit den heutigen Wortmeldungen setze Klug sein „unwürdiges Schauspiel, das er seit Beginn der Flüchtlingskrise betreibt, weiter fort“. „Nach dem Versteckspiel um Unterkünfte und der Verweigerung um die Kasernen ist damit heute der negative Höhepunkt erreicht“, so der ÖVP-General, der hofft, „dass die heutigen Aussagen Klugs eine Einzelmeinung innerhalb der SPÖ darstellen“.

Mikl-Leitner verweist auf gemeinsame Entscheidung

Mikl-Leitner hielt gegenüber der Kritik am Montag fest, dass es sich bei der neuen Linie in Sachen Asylverfahren um eine gemeinsame Entscheidung mit dem Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen handle. Keinesfalls habe sie eine Weisung im Alleingang erteilt. Die Frage, wie ihr Beschluss an die Beamten kommuniziert worden sei, hatte in den vergangenen Tagen für Verwirrung gesorgt. In einigen jener Medien, über die Mikl-Leitner diesen schon länger bekannten Plan am Freitag erneut forciert hatte, war von einer „Weisung“ die Rede gewesen. Danach hatte sie von einer „Entscheidung der Vernunft“ gesprochen.

Mehr als 1.000 in Zelten

Während die politische Diskussion anhält, bleiben die Zeltlager des Innenministeriums trotz drohender Wetterkapriolen gut gefüllt. Am Montag teilte das Ministerium mit, dass aktuell 1.037 Flüchtlinge in den mittlerweile vier Zeltstädten in Traiskirchen, Salzburg, Linz und Thalham untergebracht seien. Dazu kommen noch 149 Asylwerber in Turnsälen der Landespolizeidirektionen.

Was die Erfüllung der Asylquoten angeht, sind Wien und Niederösterreich über den 100 Prozent, die Steiermark hält sich ziemlich genau an die Vorgaben. Nicht einmal 90 Prozent schaffen Kärnten und Vorarlberg. Salzburg wäre ohne die vom Bund eingerichteten Notunterkünfte das Schlusslicht.

Italien droht mit „Plan B“

Auf europäischer Ebene forderte Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi am Wochenende einmal mehr verstärkte Solidarität von den EU-Mitgliedstaaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen ein. Europas Antwort auf diese „ernste Krise“ sei bisher bei Weitem nicht ausreichend, sagte der Regierungschef der Zeitung „Corriere della Sera“ (Sonntag-Ausgabe). Sollte Italien nicht mehr Unterstützung erhalten, „haben wir einen Plan B vorbereitet, unter dem in erster Linie Europa zu leiden hätte“. Konkrete Angaben zu dem Plan machte er nicht.

Widerstand gegen Brüssel-Plan

In Italien befinden sich derzeit 76.000 geflüchtete Personen in Aufnahmezentren, die völlig überlastet sind. Die EU-Kommission will Italien und Griechenland entlasten und Zehntausende Flüchtlinge aus beiden Ländern auf andere Mitgliedstaaten verteilen. In den beiden Ländern kommen die meisten Bootsflüchtlinge an, die von Afrika über das Mittelmeer nach Europa wollen.

Der Plan, 24.000 Asylwerber aus Italien und 16.000 weitere aus Griechenland in andere EU-Länder zu bringen, trifft jedoch bei einer Reihe von Mitgliedstaaten auf Ablehnung - darunter insbesondere bei Großbritannien und mehreren osteuropäischen Länder. Sie fürchten, dass die Kommissionsvorschläge dauerhaft die Dublin-Regeln aushebeln könnten. Diese sehen vor, dass Flüchtlinge ihren Asylantrag in dem Land stellen müssen, in dem sie zuerst in der EU eintreffen. Innenministerin Mikl-Leitner unterstützt dagegen den Vorschlag.

Renzi geht Brüssel-Plan nicht weit genug

Renzi will beim EU-Gipfel am 25. und 26. Juni dennoch auf weitere Zugeständnisse pochen. „Nur 24.000 Flüchtlinge zu verteilen ist fast schon eine Provokation“, sagte der Ministerpräsident der „Corriere della Sera“. Die Dublin-Regeln sollten geändert werden.

Renzi will in den kommenden Tagen mit dem britischen Premierminister David Cameron, seinem französischen Kollegen Manuel Valls sowie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel über die Flüchtlingsfrage beraten.

Links: