Themenüberblick

Erfolg mit „Systemspielzeug“

Horst Brandstätter, der Erfinder der Playmobil-Figuren, ist tot. Wie eine Sprecherin der Firma geobra Brandstätter am Montag mitteilte, starb der 81-Jährige am Mittwoch nach kurzer, schwerer Krankheit. Brandstätter formte aus einer kleinen Schlosserei einen Weltkonzern, zuletzt lag der Jahresumsatz bei 595 Millionen Euro.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Begonnen hatte alles mit einem Ritter, einem Indianer und einem Bauarbeiter. Sie waren die ersten Playmobil-Spielfiguren, die 1974 auf den Markt kamen. Entwickelt wurde das Spielzeug vom Formenbauer Hans Beck. Am Anfang habe er die Bedeutung und Vielfältigkeit der Idee nicht sofort begriffen, sagte Brandstätter vor zwei Jahren - von den Einkäufern der Spielzeugbranche ganz zu schweigen. „Man kann es am Produkt nicht sehen, das findet im Kopf des Kindes statt.“

Verzicht auf Gewalt

Playmobil sei nicht cool, so Brandstätter damals. Dafür ermögliche das Produkt dem Nachwuchs, seine Umwelt im Spiel zu begreifen. „Wir haben viel von dem, was die Kinder auf der Straße sehen, im Sortiment.“ Die Figuren seien bewusst relativ neutral gehalten, sagte Brandstätter - „das soll dem Kind die Möglichkeit geben, der Figur einen Charakter zu geben, entsprechend dem jeweiligen Spielbedürfnis“. Zum Konzept von Entwickler Beck gehörte laut Brandstätter auch der Verzicht auf Gewalt, auch die Cowboys bekamen erst nach zahlreichen Protesten von Kindern eine Pistole in die Hand.

"Playmobil"-Gründer Horst Brandstätter

Playmobil

Horst Brandstätter stand seit 1954 an der Spitze des Unternehmens

Von der Blechbüchse zur Spielfigur

Zwischen der Firmengründung und dem Erfolg von Playmobil liegen fast 100 Jahre. 1876 gründet der Schlosser Andreas Brandstätter in Fürth die gleichnamige Firma. Zunächst stellte das Unternehmen Schatullenbeschläge und –schlösser aus Blech her. Ihren Namen geobra Brandstätter erhielt die Firma knapp nach der Jahrhundertwende. Geobra steht für den damaligen Unternehmensleiter Georg Brandstätter.

1921 zog die Firma ins deutsche Zirndorf um, wo sich bis heute die Konzernzentrale befindet. Im gleichen Jahr schlugen die Brandstätters wirtschaftlich neue Wege ein und begannen mit der Produktion von Spardosen, Telefonen und Zubehör für Kinderkaufgeschäfte.

Mit „Systemspielzeug“ zum Erfolg

1954 übernahm Horst Brandstätter das Unternehmen. Der damals 21-Jährige krempelte das Unternehmen um. Statt Blech wurde Plastik das Produktionsmittel der Wahl. Zudem versuchte der Jungunternehmer, neue Marktfelder zu erschließen. Die Firma setzte unter anderem auf Hula-Hoop-Reifen, Registrierkassen und Haustelefone und beackerte eine Vielzahl von Geschäftsfeldern - mit mäßigem Erfolg.

„Wir konnten mit unseren Wettbewerbern in Spanien, Jugoslawien und im Fernen Osten preislich nicht mehr mithalten“, erinnerte sich Brandstätter vor ein paar Jahren in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („FAS“)

Um den Kreislauf, jedes Jahr ein neues Produkt auf den Markt zu werfen, zu durchbrechen, entwickelte Beck in den 1970er Jahren ein Systemspielzeug, das Eltern zum Kauf immer neuer Bestandteile animieren sollte, bis am Ende eine komplette Welt entsteht. Erstmals vorgestellt wurde Playmobil 1974 auf der Spielwarenmesse in Nürnberg - und es sollte der Beginn einer Ära werden.

Big Player im Spielzeuggeschäft

40 Jahre später gehört die geobra Brandstätter Stiftung & Co. KG zu den Größen im weltweiten Spielzeughandel. Der Konzern beschäftigt derzeit 4.100 Mitarbeiter, der Konzernumsatz lag bei 595 Millionen Euro. Mehr als 2,7 Milliarden der kleinen Plastikfiguren wurden bisher hergestellt. Um seine Firma nicht allein vom Kassenschlager Playmobil abhängig zu machen, schuf Brandstätter mit der Pflanztopfmarke Lechuza noch ein zweites Standbein.

Kein Lizenzspielzeug

Brandstätters Erbe wandert in eine Unternehmens- und eine Familienstiftung. Der 81-Jährige hatte das Familienunternehmen bis zuletzt gemeinsam mit zwei Geschäftsführern geleitet. Brandstätter führte das Traditionsunternehmen bewusst bodenständig. Produziert wird bisher exklusiv an europäischen Standorten.

„Ich sehe keine Veranlassung, nach China zu gehen. Ich befürchte, wenn ich so weit weg produziere, die Kontrolle zu verlieren und dass die Qualität nachlässt. Außerdem sind wir hier näher am Markt, können schneller reagieren“, sagte Brandstätter vor ein paar Jahren im Interview mit dem „Kurier“.

Lizenzspielzeug lehnte Brandstätter zeit seines Lebens ab: „Wenn ein Kind mit einem Lizenzartikel spielt, Harry Potter zum Beispiel, ist der Spielablauf fixiert. Bei Playmobil ist er nicht fixiert.“ Playmobil-Figuren sollten aber die Fantasie anregen und am besten „vererbt“ werden.

Film soll 2017 in die Kinos kommen

Da mutet es fast schon wie ein Tabubruch an, dass Ende 2017 der erste Playmobil-Film in die Kinos kommen soll. Die in Paris ansässige Produktionsfirma ON Entertainment hat sich laut dem Branchenblatt „Variety“ die Rechte gesichert und produziert den mit 80 Millionen Dollar (64 Mio. Euro) budgetierten Streifen gemeinsam mit Wild Bunch und Pathe. Das Projekt wird federführend von Bob Persichetti betreut, der als „Head of Story“ auch schon die Animationsfilme „Shrek 2“ und „Der gestiefelte Kater“ verantwortete.

Links: