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„Habe keine Sorgen“

Im Zuge der Korruptionsermittlungen gegen Fußballspitzenfunktionäre sieht sich Joseph Blatter nicht selbst in Gefahr, wie der am Freitag wiedergewählte Präsident des Fußballweltverbands (FIFA) am Samstag in Zürich sagte. „Wenn jemand Untersuchungen anstellt, dann hat er gutes Recht, dies anzustellen“, so Blatter weiter.

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Wenn es nach Völkerrecht getan wird, habe ich keine Sorgen, insbesondere nicht zu meiner Person", sagte der Schweizer. Vor dem FIFA-Kongress waren in Zürich sieben Topfunktionäre wegen Korruptionsverdachts festgenommen worden, darunter Blatters Ex-Stellvertreter Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo. Blatter betonte erneut, es handle sich um Einzeltäter. „Ich war nicht beteiligt“, sagte der 79-Jährige.

Joseph Blatter

APA/EPA/Ennio Leanza

Der alte neue FIFA-Präsident Joseph Blatter hielt am Samstag eine große Rede

„Kann nur sagen, dass ich es nicht war“

Die US-Justizbehörden schreiben in ihrer Anklageschrift gegen 14 Personen, dass im Zuge der Bewerbung Südafrikas für die WM 2010 ein hochrangiger FIFA-Funktionär angewiesen hätte, dass zehn Millionen Dollar von einem FIFA-Konto in der Schweiz auf ein US-Konto fließen. Das Geld landete auf Konten, die vom damaligen FIFA-Vizepräsidenten Jack Warner kontrolliert worden sein sollen.

„Ich nehme keine Stellung zu den Anklagen. Wenn das jetzt irgendwo untersucht wird, sollen die Untersuchungen abgeschlossen werden“, sagte Blatter auf die Frage, ob er die Identität des FIFA-Funktionärs kenne. „Ich kann nur sagen, dass ich es nicht war.“ Auf eine Nachfrage, ob er selbst Sorge habe, verhaftet zu werden, antwortete er lapidar: „Verhaftet, wofür? Nächste Frage.“

Attacke Richtung USA

Blatter fühlt sich gestärkt und hat offenbar die USA und Vertreter der Europäischen Fußballunion (UEFA) im Visier, die ihm die Gefolgschaft untersagt haben. In Richtung Europäer sagte Blatter: „Ich vergebe jedem. Aber ich vergesse nicht.“ Es gebe „einen Hass, der nicht nur von einer Person bei der UEFA kommt, aber von der UEFA als Organisation, die nicht verstanden hat, dass ich 1998 Präsident geworden bin“, sagte Blatter.

Blatter: „Ich vergebe jedem. Aber ich vergesse nicht.“

Blatter geht in den Angriff über. Er vergebe zwar, vergesse aber nicht, sagte er in Richtung UEFA-Spitze und USA.

Und zur Vorgehensweise der USA, die mit ihren Ermittlungen im Korruptionsskandal zwei Tage vor der Wahl Blatter unter Druck gebracht hatten, meinte er: „Es gibt Zeichen, die nicht täuschen: Die Amerikaner waren Kandidaten für die WM 2022 und sie haben verloren. Man darf nicht vergessen, dass sie der Hauptsponsor des haschemitischen Königsreichs sind, also von meinem Gegner. Diese Sache riecht nicht gut“, betonte Blatter in einem TV-Interview des Schweizer Sender RTS.

Morales sorgt sich um „Geld des Volkes“

Der bolivianische Präsident Evo Morales will den FIFA-Korruptionsskandal auf die Agenda des EU-CELAC-Gipfels in Brüssel setzen. „Es kann nicht sein, dass einige Funktionäre das Geld des Volkes in dieser Weise verwalten“, sagte der fußballbegeisterte Staatschef am Samstag der staatlichen Nachrichtenagentur ABI. „Blatter hat gewonnen, aber der Fußball hat verloren.“

Blatter wird nach Einschätzung des englischen Fußballverbandes trotz seiner Wiederwahl nicht die gesamte Amtszeit überstehen. „Ich denke, dass er (Blatter) gezwungen sein wird, seinen Hut zu nehmen“, sagte Verbandschef Greg Dyke am Samstag zu Journalisten. Er gehe davon aus, dass es weitere Skandale geben werde, die zu einem Rücktritt Blatters führen werden.

„Die UEFA gehört zur FIFA“

Trotz seiner umstrittenen Wiederwahl als FIFA-Chef erwartet Blatter keinen endgültigen Bruch mit der UEFA. „Die UEFA gehört zur FIFA, sie brauchen die FIFA, und die FIFA braucht die UEFA“, sagte der Präsident des Weltverbands am Samstag in Zürich. Auf der Sitzung des FIFA-Exekutivkomitees habe einer der europäischen Vertreter zuvor erklärt, die beiden Dachverbände müssten sich „zusammenraufen“.

UEFA-Präsident Michel Platini und Prinz Prinz Ali bin al-Hussein

APA/EPA/Walter Bieri

Michel Platini (links) tätschelt Blatters Herausforderer Prinz Ali bin al-Hussein

Die UEFA hatte sich vor dem FIFA-Kongress klar gegen Blatter positioniert und dessen Herausforderer, den Jordanier Prinz Ali bin al-Hussein, unterstützt. UEFA-Präsident Michel Platini hatte Blatter nach dem jüngsten Korruptionsskandal zum Rücktritt aufgefordert und sogar mit einem WM-Boykott gedroht. „Wir müssen die WM immer schützen“, sagte Blatter dazu. Die Weltmeisterschaften seien eine Haupteinnahmequelle.

Kritik übte Blatter am Verzicht des Engländers David Gill auf den Sitz in der FIFA-Exekutive. Der frühere Clubdirektor von Manchester United war als FIFA-Vize gewählt worden, tritt das Amt aber aus Protest gegen Blatter nicht an. „Wenn man gewählt ist, muss man Verantwortung übernehmen“, sagte Blatter. Es gehe nicht an, dass man einfach nicht erscheine. Über seine Gründe habe ihn Gill nicht informiert, erklärte der Schweizer.

Wiederwahl trotz weltweiter Entrüstung

Der 79-jährige Blatter war am Freitag beim FIFA-Kongress im Hallenstadion von Zürich ungeachtet des weltweiten Sturms der Entrüstung mit 133:73 Stimmen gewählt worden. Da Blatter die Zweidrittelmehrheit im ersten Durchgang verpasste, wäre eigentlich ein zweiter Wahlgang nötig gewesen. Doch sein Gegenkandidat Hussein verzichtete auf diesen, da die im zweiten Durchgang nötige einfache Mehrheit (105) außer Reichweite schien.

FIFA-Präsident Joseph Blatter

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Joseph Blatter in Siegerpose

Für Blatter gab es in der geheimen Abstimmung die zweitmeisten Gegenstimmen seiner jetzt schon 17 Jahre währenden Regentschaft - die ihm selbst „ganz kurz vorkommt“. Ein Detail am Rande: Frankreichs Fußballverband brüskierte Platini und stimmte für Blatter. „Zwischen ihm und Prinz Ali war es für mich die bessere Wahl“, sagte Frankreichs Verbandspräsident Noel Le Graet. Auch Franz Beckenbauer nahm Blatter in Schutz. „Es ist das System, nicht der Einzelne.“

„Wie ein Kind, das weiterspielen darf“

Blatter präsentierte sich am Abend „glückselig, wie ein Kind, das weiterspielen darf“, schrieb die „Neue Zürcher Zeitung“. In einer zeitweise konfusen Ansprache sagte Blatter, dass „Gott, Allah und alle Mächte, an die wir glauben, uns helfen sollen, die FIFA dorthin zurückzubringen, wo sie hingehört“.

Ein Großteil der europäischen Medien wollte jedoch in diesen Glauben so gar nicht einstimmen. „Das wunderschöne Spiel ist noch hässlicher geworden“, titelte der „Daily Mirror“ (Samstag-Ausgabe). Die deutsche „Bild“ schrieb: „Schämt euch für diese Wahl! Noch vier Jahre Blatter“. „Das Gesetz von Blatter: Er gewinnt auch im Schlamm“, so die „Gazzetta dello Sport“. Und „El Pais“: „Eine schlechte Nachricht für den Sport.“

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