FIFA-Hauptsitz durchsucht
Die Schweizer Staatsanwaltschaft hat rund um die Vergaben der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar ein Strafverfahren eröffnet. In diesem Zusammenhang seien im Hauptquartier des Fußballweltverbandes (FIFA) in Zürich elektronische Daten und Dokumente sichergestellt worden, teilte die Behörde am Mittwoch mit.
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Die Staatsanwaltschaft gehe dem Verdacht nach, dass es bei der Vergabe an Russland und Katar zu Unregelmäßigkeiten und unrechtmäßigen Bereicherungen gekommen sei. Zudem habe man Hinweise auf Geldwäsche über Banken in der Schweiz erhalten. Die Ermittlungen würden nicht gegen konkrete Personen laufen, hieß es weiter. Die Schweizer Behörden ließen daraufhin Konten bei mehreren Banken sperren. Es handle sich um Konten, über die Bestechungsgelder geflossen sein sollen, so das Schweizer Bundesamt für Justiz.
FIFA: „WM findet wie geplant statt“
Die Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 sollen trotz der Korruptionsaffäre wie geplant in Russland und Katar ausgetragen werden, so die FIFA bei einer Pressekonferenz. Auch die Frage nach einem Rücktritt von FIFA-Boss Joseph Blatter stelle sich nicht, da dieser nicht von den Korruptionsvorwürfen betroffen sei, sagte FIFA-Kommunikationschef Walter de Gregorio bei der Pressekonferenz in Zürich.
Die für Freitag geplante Wahl des Verbandspräsidenten, bei der Blatter erneut antritt, werde trotz der Affäre stattfinden. Der 79-Jährige geht als großer Favorit in die Wahl für eine fünfte Amtszeit beim FIFA-Kongress. Einziger Gegenkandidat ist Prinz Ali bin al-Hussein aus Jordanien. Hussein sprach in einer Stellungnahme von einem „traurigen Tag“ für den Fußball.

Reuters/Ruben Sprich
FIFA-Kommunikationschef Walter de Gregorio bei der Pressekonferenz
Die internen FIFA-Untersuchungen zu den Korruptionsvorwürfen waren im vergangenen Dezember ergebnislos eingestellt worden. Ermittler Michael Garcia aus den USA trat deswegen wenig später von seinem Posten als Chef der investigativen Einheit der FIFA-Ethikkommission zurück. Über die Veröffentlichung seines Berichts wird im Weltverband weiterhin gestritten.
FIFA: „Wir waren alle überrascht“
Bereits zuvor hatte die Schweizer Polizei auf Antrag der USA in Zürich sieben FIFA-Funktionäre festgenommen. Einen Zusammenhang zwischen beiden Vorgängen gibt es laut Schweizer Behörden und FIFA nicht. Das zeitliche Zusammenfallen der beiden Ereignisse sei reiner Zufall, so die FIFA bei einer Pressekonferenz.
„Niemand von uns wusste, dass heute morgen um 6.00 Uhr Früh eine Polizeiaktion durchgeführt werden würde“, so De Gregorio bei der Pressekonferenz weiter. Auch Blatter sei nicht vorgewarnt gewesen: „Wir waren alle überrascht.“ Auf eine Frage eines Journalisten zur Gemütslage des Verbandschefs sagte De Gregorio: „Er tanzt nicht in seinem Büro, ist kein glücklicher Mann heute.“ Dennoch sei Blatter entspannt.
100 Millionen Dollar Bestechungsgelder
Gegen die nun verhafteten Funktionäre wird in New York wegen Annahme von Bestechungsgeldern und verdeckten Provisionen ermittelt. Angenommen haben sollen sie diese von den 90er Jahren bis heute. Vertreter von Sportmedien und Sportvermarktungsunternehmen sollen laut BJ in Zahlungen an hochrangige Fußballfunktionäre - Delegierte des Weltfußballverbandes und andere Vertreter von FIFA-Unterorganisationen - in Höhe von über 100 Millionen Dollar verwickelt gewesen sein.
Als Gegenleistung sollen sie an Fußballturnieren in den USA und in Lateinamerika Medien-, Vermarktungs- und Sponsoringrechte erhalten haben, wie das BJ schrieb. Die Straftaten seien in den USA vorbereitet und abgesprochen worden, schrieb das Bundesamt unter Berufung auf das Verhaftungsersuchen. Auch seien Zahlungen über US-Banken abgewickelt worden.
Zwei Reporter bei Verhaftung anwesend
Die Verdächtigten werden möglicherweise unverzüglich an die USA ausgeliefert. Voraussetzung für eine sofortige Überstellung ist, dass sich die Festgenommenen in der am Mittwoch geplanten Anhörung bei der Zürcher Kantonspolizei mit der sofortigen Auslieferung einverstanden erklären. Tun sie das nicht, will das BJ die USA auffordern, ein formelles Auslieferungsgesuch zu stellen.
Über die Festnahmen im Zürcher Nobelhotel Baur au Lac berichteten auch zwei Reporter der „New York Times“ („NYT“), die den Polizeieinsatz an Ort und Stelle mitverfolgten. Über Twitter verbreiteten sie unter anderem Bilder und Videos von Polizeibeamten in Zivil, die an der Rezeption Zimmerschlüssel holen.
Zwei amtierende Vizepräsidenten in Haft
Insgesamt wurden sieben FIFA-Funktionäre verhaftet. Die Schweizer Behörde hat die Namen zwar bisher nicht veröffentlicht, allerdings Medienberichte bestätigt, wonach die beiden amtierenden FIFA-Vizepräsidenten Jeffrey Webb von den Cayman-Inseln und Eugenio Figueredo aus Uruguay zu den Festgenommenen zählen. Webb führt auch den CONCACAF-Verband, die nord-, zentralamerikanische und karibische Fußballkonföderation. Diesem und dem Verband der nationalen Fußballverbände Südamerikas (CONMEBOL) gehören die meisten weiteren Verdächtigen an.
Die „NYT“ listet in ihrem Bericht eine ganze Reihe von FIFA-Verantwortlichen auf, gegen die in den USA bereits länger ermittelt wird. Vermutlich befinden sich auch die weiteren Festgenommenen darunter. Demnach soll etwa der frühere Stellvertreter von Blatter, Jack Warner aus Trinidad und Tobago, zu den Beschuldigten in diversen Korruptionsverdachtsfällen gehören.
Warner trat 2011 von allen Ämtern zurück, nachdem Korruptionsanschuldigungen gegen ihn lauter geworden waren. Erst am Dienstag berichtete der ZDF darüber, dass er in den Jahren 2002 und 2006 die WM-Fernsehrechte für die Karibik für jeweils nur einen Dollar von Blatter erhielt. Warner wiederum verkaufte die Rechte schließlich an die karibische Fußballunion weiter - um je 4,25 Mio Dollar. Weder Warner noch Blatter wollten sich gegenüber dem ZDF zu den Vorwürfen äußern.
Weitere Verdächtige
Zu den weiteren Verdächtigen zähle Jose Maria Marin, der mächtigste und umstrittenste Sportfunktionär Brasiliens. Auch der Costa-Ricaner Eduardo Li, Rafael Esquivel aus Venezuela, Nicolas Leoz aus Paraguay, der 2003 den FIFA-Verdienstorden verliehen bekam, und Julio Rocha aus Nicaragua sollen in Bestechungsfälle verwickelt sein.
Ebenfalls in den USA ermittelt wird gegen den ehemaligen US-Verbandschef Chuck Blazer. Er soll zuletzt mit den US-Behörden kooperiert haben und unter anderem bei den Olympischen Spielen 2012 in London per verstecktes Mikrofon Aufzeichnungen von Funktionärsgesprächen gemacht haben.
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