WM-Gastgeber bestreitet Vorwürfe
Katar hat laut Amnesty International seine Zusagen zum Kampf gegen die Misshandlung von Gastarbeitern nicht eingehalten. In einem letzte Woche vorgestellten Bericht kommt die Menschenrechtsorganisation zu dem Schluss, dass das Gastgeberland der Fußball-WM 2022 entgegen Versprechungen von vor einem Jahr kaum Reformen im Umgang mit ausländischen Arbeitskräften eingeleitet habe.
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Amnesty warf Katar vor, dass sich etwa bei den Einschränkungen für einen Wechsel des Arbeitgebers oder hinsichtlich des Patronatssystems (Kafala), in dem Arbeitnehmer ihrem Chef praktisch ausgeliefert sind, nichts geändert habe. „Die Regierung hat Versprechungen gemacht, das Arbeitsrecht für Wanderarbeiter in Katar zu verbessern, aber in der Praxis gab es keine bedeutenden Fortschritte“, kritisierte Amnesty-Experte Mustafa Kadri. Die Zusagen seien offenbar schlicht eine „PR-Aktion“ gewesen.
Hunderte Tote bei Bauarbeiten
In dem Bericht mit dem Titel „Wenig versprechen, noch weniger tun“ nennt Amnesty neun Bereiche, in denen Reformen nötig seien. Nur in fünf davon seien „begrenzte Fortschritte“ gemacht worden. Die Einführung eines elektronischen Systems zur Auszahlung der Gehälter sei bisher die „wichtigste Reform“, aber auch sie verlaufe schleppend. Die zugesagte Ernennung von 300 Arbeitsinspektoren sei nicht erfolgt.
Amnesty verwies zudem auf Statistiken von Indien und Nepal, aus denen die meisten Gastarbeiter nach Katar kommen. Laut diesen Zahlen starben voriges Jahr 441 Arbeiter aus diesen beiden Ländern in Katar. Zu den Todesursachen machte die Menschenrechtsorganisation keine Angaben.
Katar: „Bedeutende Veränderungen“
Katars Behörden wiesen die Vorwürfe Amnestys am Donnerstag zurück. In einer Mitteilung des Ministeriums für Arbeit und Soziales hieß es, im vergangenen Jahr seien „bedeutende Veränderungen“ eingeleitet worden, die die Rechte und Lebensbedingungen der Gastarbeiter verbesserten. „Niemand soll daran zweifeln, dass wir uns für spürbare und nachhaltige Veränderungen engagieren“, schrieb das Ministerium.
Zudem widersprach die Behörde Amnesty in einigen Punkten direkt und gab beispielsweise an, dass neben dem bereits eingeführten neuen Zahlungssystem auch verbesserte Unterkünfte für 250.000 Arbeiter geplant seien. Die Zahl der Arbeitsinspektoren werde überdies von derzeit 294 auf 400 erhöht. Der Schutz von Menschenrechten und damit auch jener der Gastarbeiter sei ein Herzstück der wirtschaftlichen und sozialpolitischen Grundsätze des Landes. Das Ministerium wies zudem darauf hin, dass die Arbeiter in Katar „erheblich“ mehr verdienten als in ihren Heimatländern.
Verdoppelung der Gastarbeiter erwartet
Anfang Mai hatten die Behörden eingeräumt, dass die Reformen länger dauerten als geplant. Arbeitsminister Abdullah bin Saleh sagte bei dieser Gelegenheit, er sei sich „zu 90 Prozent“ sicher, dass das Kafala-System bis Ende des Jahres ersetzt werde. Die Verbesserungen bei der Unterbringung der Gastarbeiter würden bis Mitte August in Kraft treten.
Es wird erwartet, dass sich die Zahl der Gastarbeiter im Land bis 2020 wegen der WM-Vorbereitungen auf bis zu 2,5 Millionen mehr als verdoppelt. Amnesty rief den Fußballweltverband (FIFA) auf, den Problemen in Katar Priorität einzuräumen und die dortigen Behörden zu echten Reformen zu drängen. Als Reaktion auf den Bericht versprach die FIFA weitere Anstrengungen für eine Verbesserung der Lage.
„Die FIFA wird an der Seite von Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen auch weiter bei den katarischen Behörden auf die Umsetzung von Reformen und die Abschaffung des Kafala-Systems drängen. Letztlich können nachhaltige Veränderungen im ganzen Land jedoch nur durch gemeinsame Anstrengungen aller beteiligten Anspruchsgruppen erreicht werden, einschließlich internationaler Unternehmen und Regierungen“, hieß es in einem Statement der FIFA.
Die Arbeits- und Lebensbedingungen der ausländischen Gastarbeiter im Land des WM-Gastgebers 2022 werden seit Jahren heftig kritisiert. FIFA-Präsident Joseph Blatter reiste mehrfach zum Emir von Katar, um über die Situation zu beraten, konnte aber bisher offenbar keine maßgeblichen Änderungen erreichen. Amnesty hatte der Regierung von Katar vor anderthalb Jahren einen Katalog von Maßnahmen vorgeschlagen, um das Los der Arbeiter zu verbessern.
Scharfe Kritik auch an FIFA
Amnesty appelliert indes an die FIFA, sich für echte Reformen der im Kafala-System begründeten repressiven Arbeitsgesetze in Katar einzusetzen. „Der Verband hat bisher keine wirkliche Bereitschaft erkennen lassen, dafür zu sorgen, dass Katar 2022 nicht auf den Fundamenten der Ausbeutung und des Missbrauchs gebaut wird“, so Kadri.
Dem widersprach die FIFA in ihrer Pressemitteilung. Der Weltverband wies darauf hin, dass die monierten Zustände nicht auf WM-Baustellen vorzufinden seien. Die WM 2022 könne sogar als „Katalysator für bedeutende Veränderungen“ dienen. „Die Baustellen der FIFA-WM-Stadien, auf denen keine der im Bericht erwähnten Vorfälle stattfanden, unterstehen den internationalen Richtlinien und Standards, die von den verantwortlichen Bauunternehmen und deren Lieferketten gefordert werden. Wir hoffen, dass diese Richtlinien und Standards ausgeweitet werden und als Richtschnur für das gesamte Land dienen“, hieß es in dem Statement.
Sponsoren zeigen sich „besorgt“
Zuvor hatten die FIFA-Topsponsoren Coca-Cola und Visa den Fußballweltverband aufgefordert, sich entschiedener gegen Menschenrechtsverstöße in Katar einzusetzen. „Wir erwarten von der FIFA, dass sie diese Probleme weiterhin ernst nimmt und auf weitere Fortschritte hinarbeitet“, teilte der US-Getränkekonzern am Mittwoch mit. „Wir sind weiterhin besorgt über die Berichte aus Katar“, hieß es auch vom Kreditkartenunternehmen Visa. Man bitte die FIFA dringend, alles Notwendige zu tun, um Gesundheit und Sicherheit aller Beteiligen zu schützen.
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