Das große Fressen auf vier Rädern
Schauspieler und Blockbuster-Regisseur Jon Favreau sitzt in seinem kulinarischen Feelgood-Movie „Kiss the Cook“ nicht nur im Regiestuhl, sondern auch fest im Fahrersattel des Food-Trucks, den er in der Rolle des Carl Casper steuert. Die hitverdächtige Komödie gibt Einblick in die bunte Street-Food-Szene Amerikas. Aber auch Österreich schließt an den Trend an: Es muss nicht immer Käsekrainer sein.
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Unter „Essen auf Rädern“ verstand man hierzulande bis vor Kurzem noch etwas ganz anderes als lässig designte Kleintransporter, um die sich hippes Publikum drängt, das direkt dem Laufsteg diverser Modelabels entstiegen zu sein scheint. Beim ersten österreichischen Street Kitchen Food Market in der Wiener Marx-Halle Ende April 2015 bewies Organisator Roman Groiss mit rund 10.000 Besuchern, dass die heimische Szene einem Festival dieser Größenordnung durchaus gewachsen ist.
Gegenwind statt Rückenwind
Das stete Wachstum der Street-Food-Szene, die in New York, London und Berlin bereits viele Anhänger zählt, stößt hierzulande nicht überall auf Gegenliebe. „Vielen sind die Food-Trucks ein Dorn im Auge, den Ämtern ebenso wie der Gastronomie. Manche glauben, dass wir gratis stehen dürfen, dabei beträgt die Standgebühr für eine Veranstaltung manchmal über tausend Euro ...“, berichtet „Hy-Kitchen“-Foodtruck-Betreiberin Monica Kranner. Auch die Wirtschaftskammer putze sich in diesen Belangen ab, anstatt die Vielfalt zu unterstützen, heißt es.
Der Erfolg der mobilen Küchen lässt sich trotz unterschiedlichster Widerstände nicht aufhalten. Als jüngster Werbeträger fungiert Favreaus neuer Film „Kiss the Cook“. Die Handlung siedelte der Regisseur unter anderem in Los Angeles an, dem Ausgangspunkt der Food-Truck-Bewegung. Als Berater engagierte er den Pionier der kalifornischen Food-Truck-Revolution Roy Choi, der 2008 mit seinem ersten „Kogi“-Food-Truck startete.
Wirtschaftskrise als Auslöser
Zu Beginn der Wirtschaftskrise suchten viele junge, arbeitslos gewordene Köche in Amerika ein neues Betätigungsfeld. Unleistbar gewordene Restaurantbesuche und überhöhte Mietpreise sorgten für leere Tische und zwangen die Gastronomen auf die Straße: Der Trend der Food-Trucks war geboren. Mittlerweile sind das „Street Food Cinema“ oder der wöchentlich stattfindende „Abbot Kinney’s Friday Night Street Food Market“ in der Food-Hauptstadt Los Angeles fixe Highlights.

Kiss The Cook/Thimfilm
Jon Favreau als Carl Casper mit Emjay Anthony als Sohn Percy im frisch polierten Truck
Feelgood-Movie-Rezeptur
Man nehme einen exzellenten Cast, dessen Hauptdarsteller gleichzeitig Regie führt, eine Vater-Sohn-Geschichte mit einem Schuss sexy Ex-Ehefrau und Mutter, eine Prise Lebenskrise und verfeinere mit je einem gehäuften Esslöffel kubanischer Musik und exotisch-kreativem Street-Food. Favreaus lukullisches Feelgood-Movie aktiviert bei Liebhabern guten Essens schon früh den Speichelfluss.
Die Bezeichnung Feelgood-Movie lässt zwar so manchem Cineasten die Haare zu Berge stehen, bringt die Qualität des Films, der das Zeug zum Lieblingsfilm und Sommerhit hat, jedoch auf den Punkt. Nach Big-Budget-Produktionen a la „Iron Man“ gönnte sich Filmemacher und Darsteller Favreau nun eine kleine Pause vom Hollywood der Blockbuster - mit einem Projekt, bei dem er für Regie, Hauptfigur und Drehbuch verantwortlich zeichnet.
Harte Schule
Als Rollenvorbereitung band Berater und Street-Food-Guru Choi seinem Auftraggeber Favreau die Kochschürze um und schickte ihn inkognito in einem seiner „Kogi“-Trucks in die Lehre. „Zu Beginn war es einfach nur eng, heiß, und ich stand ständig im Weg. Aber am Schluss rief ich laut die Bestellungen aus und war eine echte Hilfe“, erzählt Favreau.

Kiss The Cook/Thimfilm
Scarlett Johansson als Restaurantmanagerin mit ihrem prophetischen Zweisternetattoo
Choi beriet nicht nur beim Messersortiment oder den kunstvollen Tattoos, sondern war stets bemüht zu verhindern, dass das Setting zu schick wurde. Seine anfängliche Sorge, dass der Film mit zu viel Hollywood-Glamour aufgeladen würde, bestätigte sich nicht.
Veranstaltungshinweis
Apropos Film und Essen: Im Filmcasino wird derzeit im Rahmen von „Food for Thought“ zu den jeweiligen Filmen passendes Essen serviert.
Keine Lust auf genehmigte Drehorte
In einem Interview mit CNN zählt Favreau gängige Vorurteile über Los Angeles auf: „It’s plastic, it’s fake, it’s phony ...“ Gefunden hat der Regisseur etwas ganz anderes und zeigt das in seinem Film anhand authentischer Originalschauplätze wie der Abbot Kinney Road in Venice, wo sich während des Markttages regelmäßig ein Food-Truck an den anderen reiht. Auf genehmigte Drehorte hatte der Filmemacher keine Lust, er wollte das echte Leben zeigen und lässt sein Figurentrio Carl, Martin und Percy auf ihrer Reise von Miami nach Los Angeles an realen Locations halt machen.
Eine weitere wichtige Nebenrolle übernimmt die Kulinarik. Wenn kubanische Sandwiches, 24 Stunden geräuchertes Schweinefleisch und gezuckerte Beignets aus New Orleans über die Leinwand flimmern, fällt es dem Kinobesucher zusehends schwer, das aufkommende Hungergefühl zu ignorieren. Und spätestens wenn der hüftschwingende Martin zu kubanischen Rhythmen Gewürze ins Fleisch massiert, wird klar, dass Kochen, Genuss und Lebensfreude zusammengehören.
Voll im Trend
Dass noch vor Kurzem ein Wiener Hotel nach Bekanntwerden einer Street-Food-Veranstaltung vor seiner Haustüre den für so manchen Food-Truck nötigen Stromanschluss verweigerte, kratzt wohl bald niemanden mehr. Und Strom braucht man vermutlich am 6. Juni 2015 bei dem von YES US Konzeptbüro veranstalteten United Vienna Picknick im Prater ohnehin nicht. Selbst backen, kochen und tauschen ist angesagt. Für Anfang Oktober 2015 plant das Konzeptbüro dann ein ein Street-Food-Festival. Bis zum 1. September können noch Ideen, Konzepte und Wünsche auf der Facebook-Seite gepostet werden.
Carola Leitner, ORF.at
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