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Soziale Medien als Marketingtool

Mit dem Versprechen einer sicheren Reise mit allen nötigen Dokumenten buhlen Schlepper immer öfter in Sozialen Netzwerken wie Facebook um Menschen, die nach Europa flüchten wollen. Ein dichtes Netz an Schleppern und Helfern bietet dabei im gesamten arabischen Raum ihre Dienste an.

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Die Einträge lesen sich wie Auszüge aus einem Reiseprospekt: „Beginnend mit der neuen Saison haben wir eine Reihe von Reisen im Angebot“, zitiert die BBC von der Facebook-Seite von Abdul Aziz, der sich laut eigenen Angaben in der Hafenstadt Suwara in Libyen befindet, die ihm als Dreh- und Angelpunkt dient. Eine „Reise“ von der Türkei über Libyen nach Italien kostet den Angaben zufolge 3.800 Dollar (3.400 Euro), von Algerien oder dem Sudan 2.500 Dollar (2.200 Euro).

Keine Angst vor Verfolgung

Die Boote seien alle aus Holz, schreibt Aziz, bei Fragen sei er über die Nachrichtendienste Viber oder Whatsapp erreichbar. Aziz postet wie auch andere Schlepper dabei sogar seine Handynummer, Angst vor einer behördlichen Verfolgung habe er keine, sagte er gegenüber der BBC, die ihn via Skype kontaktierte. „Welche Behörden? Es gibt keine Behörden. Es gibt nicht einmal eine Regierung. Es gibt nichts.“ Er habe in fast jedem arabischen Land Kontakte, die ihm helfen könnten, die Leute nach Libyen zu schleusen, so Aziz.

Er habe auch keine Angst vor neuen Initiativen wie JOT Mare, mit dem Europol Schleppernetzwerke wie seines aufdecken will, so Aziz weiter. Das seien nur Wörter auf Papier, ohne Bedeutung. „Wie wollen sie mich verfolgen? Kommen sie nach Libyen? Das wäre eine Invasion. Ich verlasse Libyen nicht - und wenn, dann werden sie nicht herausfinden, wie“, zeigt sich Aziz seiner Sache sicher. Zehn bis 20 Personen kontaktierten ihn täglich über seine Facebook-Seite, mittlerweile machten Soziale Medien zwischen 30 und 40 Prozent seines Geschäfts aus.

Laut BBC bieten Hunderte Schlepper wie Aziz ihre Dienste in Sozialen Medien an, wo sie mit „sicheren“ Reisen über Land, Luft oder See inklusive aller notwendigen Dokumente werben. Kinder reisen bei vielen Anbietern „kostenlos“, so die BBC.

Millionengewinne für Schlepper

Laut dem italienischen Journalisten Giampaolo Musumeci, der über die nordafrikanischen Schlepperbanden ein Buch geschrieben hat, haben die Schlepper 2014 zwischen 300 und 600 Mio. Euro von Menschen lukriert, die nach Europa wollten. Zum Teil seien die Reisen bis ins letzte Detail durchgeplant, so Musumeci gegenüber dem Sender Arte, das sei entsprechend teuer. Eine Reise mit dem Flugzeug und einem neuem Pass kostet laut BBC etwa 8.000 Euro - der Pass alleine kostet 4.000 Euro. Die Präsenz in den Sozialen Medien sei wie eine Marketingaktion für den „größten illegalen Reiseanbieter der Welt“, so Musumeci.

2014 flüchteten Hunderttausende Menschen über das Mittelmeer, rund 185.000 Asylanträge wurden in der EU positiv entschieden. Tausende Menschen kamen bei der Überfahrt ums Leben. Die Anfang des Jahres von dem führungslosen Frachter „Blue Sky M“ geretteten Flüchtlinge hatten jeweils rund 4.500 Euro für die Reise von der Türkei gezahlt - auch dafür hatten die Schlepper auf Facebook zuvor geworben, berichtet die italienische Zeitung „La Repubblica“. Das Schiff wurde von den Schleppern schließlich sich selbst überlassen und steuerte auf die felsige Küste Apuliens zu, eine Katastrophe konnte in letzter Minute verhindert werden.

Schlepper passen sich schnell an

Dabei helfe es nichts, wenn Europa versuche, seine Grenzen möglichst dicht zu machen - die Schlepper würden immer Wege finden, Menschen durchzuschleusen. Nur die Preise und damit die Profite der Schlepper würden dadurch höher. Zudem würden sich die Schlepper viel schneller an neue Gegegebenheiten anpassen. Eine neue Verteilung der Flüchtlinge in der EU werde auch nichts daran ändern, dass über das Mittelmeer weiter Flüchtlinge nach Europa kommen, sagt Musumeci. Er habe mit Dutzenden Flüchtlinge gesprochen, und diese Menschen „würden sterben, um nach Europa zu gelangen“. Europa müsse seine Asylpolitik ändern, meint Musumeci, damit die Schlepper kein Geschäft machen könnten.

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