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Unter dem Motto „Treffen mit der Jugend“

Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan sind am Sonntag in Karlsruhe mehrere Menschen verletzt worden. Vor dem Beginn der Kundgebung Erdogans seien Sympathisanten der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in die Nähe von Erdogan-Anhängern geraten, die vor der Messehalle auf Einlass warteten.

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Die PKK-Anhänger seien daraufhin verprügelt worden, sagte ein Polizeisprecher. Starke Polizeikräfte trennten schließlich beide Seiten voneinander. An Ort und Stelle waren viele Menschen: Beim Eintreffen Erdogans in der Halle warteten noch bis zu 3.000 Personen auf Einlass. In der Halle versammelten sich nach Angaben des Veranstalters mehr als 14.000 Menschen.

Protest bereits Stunden vor dem Auftritt

Bereits Stunden vor dem Beginn der Kundgebung protestierten mehrere tausend Menschen in Karlsruhe mit Sprechchören und Transparenten gegen den türkischen Präsidenten. Die Polizei habe sich auf alles vorbereitet und sei mit entsprechend starken Kräften an Ort und Stelle gewesen, sagte der Sprecher. Es habe erhöhte Sicherheitsvorkehrungen gegeben.

Im Inneren der Messehalle gab es hingegen nichts außer Zustimmung: Mit einem Meer aus Fahnen und mit begeistertem Jubel wurde Erdogan von einen Anhängern begrüßt. In seiner Rede wies Erdogan den Türken in Deutschland eine wichtige Rolle in der Außenpolitik seines Landes zu. Er sehe die Auslandstürken als „unsere Macht außerhalb des Landes“. Die Türken in Deutschland seien „die Stimme der Nation“.

Recep Tayyip Erdogan

APA/EPA/Uli Deck

Der Auftritt Erdogans in Karlsruhe war umstritten

„Vergesst eure Sprache nicht!“

Auf seine Aufforderung hin skandierte die Menge die Formel „Eine Nation - eine Fahne - ein Vaterland - ein Staat“. Die Errichtung der „neuen Türkei“ beginne in Deutschland, sagte Erdogan mit Blick auf die anstehende Wahl, für die Türken im Ausland seit Freitag ihre Stimme in diplomatischen Vertretungen abgeben können. Erdogan rief die Türken in Deutschland erneut dazu auf, die türkische Sprache und ihren Glauben nicht zu vergessen: „Vergesst eure Sprache nicht - sonst vergesst ihr euch selbst!“

Verfassung schreibt parteiliche Neutralität vor

Der Auftritt des Präsidenten in Karlsruhe war umstritten, weil er laut der Verfassung nicht an Wahlkämpfen teilnehmen darf - der Präsident muss laut Verfassung parteipolitisch neutral sein. Die Opposition wirft Erdogan vor, wenige Wochen vor der türkischen Parlamentswahl am 7. Juni Wahlkampf für die islamisch-konservative Regierungspartei AKP zu betreiben.

Anhänger von Recep Tayyip Erdogan schwenken türkische Fahnen

APA/EPA/Uli Deck

Fahnenmeer in der Messehalle in Karlsruhe

Leistungen der AKP ausführlich gewürdigt

Und tatsächlich hob Erdogan in der Ansprache bei der Veranstaltung „Treffen mit der Jugend“ ausführlich die Leistungen seiner AKP in den vergangenen zwölf Jahren hervor. In Anspielung auf die Einparteienregierung der AKP forderte Erdogan die 1,45 Millionen türkischen Wähler in Deutschland auf, bei der Parlamentswahl für Stabilität zu stimmen.

Wenn die türkischen Wähler in Deutschland und anderen europäischen Ländern von ihrem Wahlrecht richtig Gebrauch machten, könnten sie von den Politikern in der Türkei und in Deutschland nicht ignoriert werden: „Niemand kann euch überhören in der Welt, wenn ihr wählt“, rief Erdogan aus, „auch nicht diejenigen, die in der EU eine Schweigeminute für Armenier eingelegt haben, können euch ignorieren.“ Bei diesem Bezug auf das Gedenken an den Massenmord an Armeniern vor 100 Jahren brachen die Zuhörer in Buhrufe aus.

Kritiker attackiert

Für die „neue Türkei“ werde das von ihm selbst angestrebte Präsidialsystem gebraucht, sagte der 61-Jährige. Gleichzeitig kritisierte er die Opposition, die den Übergang zum Präsidialsystem ablehnt: Die Wähler sollten den Kritikern der Regierung am 7. Juni die „passende Antwort geben“, sagte er. Insbesondere attackierte Erdogan die Kurdenpartei HDP, ohne deren Namen zu nennen. Die HDP hat jedenfalls wegen Erdogans Wahlkampfeinsätzen Verfassungsklage eingereicht.

Nach dem Auftritt in Karlsruhe flog Erdogan gleich weiter ins belgische Hasselt, wo ihn 15.000 Anhänger wie einen Popstar feierten. Erdogan rief auch dort wie zuvor schon in Karlsruhe dazu auf, sich an der Parlamentswahl am 7. Juni zu beteiligen. Den Namen seiner Partei AKP nannte er dabei laut Nachrichtenagentur Belga aber nicht. Die Anhänger bei dem Auftritt in Belgien kamen teilweise auch aus den Niederlanden und aus Deutschland, berichtete der öffentlich-rechtliche Sender VRT.

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