Billiges „gesundes Essen“ gefordert
In Europa werden 2030 viel mehr Menschen als bisher mit Fettleibigkeit kämpfen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die Europäische Region in Kopenhagen warnte am Mittwoch vor einer „Übergewichtskrise enormer Ausmaße“. Auch in Ländern, in denen Fettleibigkeit bisher ein geringeres Problem war - wie etwa Schweden -, sollen die Zahlen dramatisch steigen.
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In der Untersuchung verglichen die Forscher Daten zu Übergewicht (Body-Mass-Index ab 25) und Fettleibigkeit (BMI ab 30) von europäischen Männern und Frauen von 2010 mit Projektionen für 2030. Die Zahlen aus allen 53 Ländern der Europäischen Region präsentierte die WHO anlässlich des Europäischen Kongresses zu Übergewicht in Prag. Als Spitzenreiter macht die WHO Irland aus: Hier werden bis 2030 nach Annahmen der Gesundheitsexperten fast alle Erwachsenen übergewichtig sein.
Problem auch in Österreich immer größer
Laut der Hochrechnung werden normalgewichtige Iren in 15 Jahren seltene Ausnahmen sein. Nahezu die Hälfte der Männer (48 Prozent) und mehr als die Hälfte der Frauen (57 Prozent) in dem Land wird sogar fettleibig sein - alle anderen, bis auf versprengte statistische Ausreißer, „nur“ übergewichtig. In Großbritannien wird ein Drittel aller Frauen fettleibig sein, schätzt die WHO. In den meisten anderen europäischen Ländern ist Übergewicht ein überwiegend männliches Phänomen.
In Österreich sind derzeit zwölf Prozent der Männer und Frauen übergewichtig, aber auch hier dürfte die Zahl steigen. Schon jetzt liegt Österreich weit über dem statistischen Durchschnitt an gezählten Kalorien in Europa. Liegt der Durchschnitt aller 53 Länder laut der WHO bei rund 3.500 „zur Verfügung stehenden“ Kalorien (als Basis dienen dabei die gesamten im Land verfügbaren Nahrungsmittel) pro Tag und Person, liegt dieser Wert in Österreich um 330 Kalorien pro Tag und Person höher.
WHO sieht Regierungen in der Pflicht
Auch die Deutschen werden demnach dicker. Fast die Hälfte aller Frauen (2030: 47 Prozent; 2010: 44 Prozent) und sogar knapp zwei Drittel der Männer (2010: 62 Prozent; 2030: 65 Prozent) haben den Prognosen der Forscher zufolge im Jahr 2030 Übergewicht. Fast jeder vierte Mann (24 Prozent; 2010: 21 Prozent) und etwas mehr als jede fünfte Frau (21 Prozent; 2010: 15 Prozent) könnten dann fettleibig sein. Der Trend zu mehr Kilos verschont jedoch kaum ein Land.
Auch Griechenland, Spanien, Schweden und Tschechien müssen sich auf viel mehr Übergewichtige einstellen. Im Jahr 2030 werden nach den Berechnungen der WHO doppelt so viele Griechen adipös sein wie noch 2010. Und während 2010 nur 14 Prozent aller schwedischen Männer fettleibig waren, sollen es 2030 mehr als ein Viertel sein. „Regierungen müssen mehr tun, um das Marketing für ungesundes Essen zu begrenzen und gesundes Essen erschwinglicher zu machen“, forderte Laura Webber vom britischen Gesundheitsforum, das die Studie mit der WHO durchgeführt hatte.
Nur die Niederlande machen’s anders
Es sind nicht nur gesundheitliche Probleme, die die Betroffenen belasten, gab die WHO am Mittwoch außerdem zu bedenken. Gerade stark fettleibige Menschen (BMI ab 35) sind zudem oft Vorurteilen und Diskriminierung ausgesetzt - etwa doppelt so häufig wie andere Übergewichtige, wie zuletzt auch eine Untersuchung von Forschern der Universitätsklinik Leipzig zeigte. „Die Ergebnisse beweisen, dass die Diskriminierung wegen Fettleibigkeit und ihre negativen Folgen höchst relevante Probleme in der Gesellschaft sind“, erklärte Hauptautorin Jenny Spahlholz.
Das Problem kann aber offenbar tatsächlich wirksam bekämpft werden: In den Niederlanden, wo die Politik seit Jahren dem Trend entgegenarbeitet, werden die Menschen den Annahmen zufolge in den nächsten 15 Jahren schlanker. Weniger als die Hälfte der Männer dort soll in 15 Jahren noch übergewichtig sein (2010: 54 Prozent), nur noch acht Prozent adipös (2010: 10 Prozent). Statt 13 Prozent kämpfen 2030 demnach nur noch neun Prozent der Niederländerinnen mit Fettleibigkeit.
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