Wider die Hilflosigkeit gegen „die Bagage“
Im Historischen Sitzungssaal des Parlaments hat das offizielle Österreich am Dienstag bei einer Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Der diesjährige Gedenktag stand im Zeichen der Erinnerung an die Überlebenden des NS-Terrors. Die Bedeutung der Erinnerung hob auch Schriftstellerin Christine Nöstlinger in der Gedenkrede hervor.
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Nöstlinger schilderte ihre eigenen Erfahrungen, so habe sie zwar das Wort „Mauthausen“ nicht gekannt, sehr wohl aber den Ausdruck „KZ“, den sie hörte, wenn ihre Großmutter etwa auf die Nazis schimpfte. Auch als ihr Onkel in SS-Uniform zu ihrer Mutter sagte: „Ella, die Juden gehen alle durch den Rauchfang“, war Nöstlinger nur klar, dass das „etwas schrecklich Böses“ bedeuten dürfte. „Durch den Rauchfang“ sei dann auch „der Herr Fischl“ gegangen, ein Schuster aus Nöstlingers Nachbarschaft.
Statt „Untermensch“ sagt man „Überfremdung“
Fischls Werkstatt und Wohnung habe ein „arischer“ Schuster übernommen, so die Autorin. Ihre Mutter sei nicht damit klargekommen, dass sie nicht eingegriffen habe. Später sei Nöstlinger bewusst geworden, dass ihre Mutter „klein und hilflos“ war und gegen „die Bagage“ nichts ausgerichtet hätte. Heute wage zwar niemand mehr „Herrenrasse“ oder „Untermenschen“ zu sagen, sie mahnte jedoch, dass heutiger Rassismus in „Überfremdung“ eine Gefahr sieht und eine „Bevorzugung von Ausländern wittert“.
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Nöstlinger bei ihrer Rede im Parlament
„Frei von Schuld zu sein heißt aber nicht, frei von Verantwortung zu sein“, hielt die Schriftstellerin fest. Viele Menschen seien dieser Verantwortung gerecht geworden und hätten als „Zeitzeugen“ den nachfolgenden Generationen erzählt, wohin Rassismus geführt hat, so Nöstlinger. Leicht gemacht habe man es ihnen aber nicht immer, viele seien einfach „zu unbequem“ gewesen. Sie hätten beim Vergessen und beim „selbstzufriedenen ‚Neuanfang‘“ gestört.
Bures sieht Pflicht gegenüber nächster Generation
Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) würdigte Nöstlinger in ihrer Rede anfangs als Frau, die Besonderes geleistet habe: „Zuneigung gegenüber Außenseitern, Mut zur Freiheit, Widerständigkeit und nicht zuletzt ein gesundes Misstrauen gegenüber Autoritäten“, das hätten ihre Figuren vorgelebt und das brauche die Demokratie, so Bures. Die Geschichte habe wiederum gezeigt, dass es diktatorische und faschistische Kräfte dann am leichtesten hätten, wenn sie auf schwache Demokratien stoßen.
Man stehe in der Pflicht, für eine „starke Demokratie“ zu sorgen, so Bures. „Heute tragen wir Verantwortung für unsere Demokratie, morgen werden es unsere Kinder sein. Wir müssen ihnen jene Werte mitgeben, die sie dafür brauchen.“ Auch Bundesratspräsidentin Sonja Zwazl (ÖVP) betonte, das Gedenken der Millionen Opfer des NS-Regimes am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen sei nicht Rückblick, sondern „stete Mahnung, Gewalt und Rassismus keinen Platz in unserer Gesellschaft zu lassen“.
„Die letzten Zeugen“ kamen zu Wort
Vorgetragen wurde bei der Gedenkveranstaltung auch die für das Parlament adaptierte Fassung der Burgtheater-Produktion „Die letzten Zeugen“, bei der auch Überlebende zu Wort kamen. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hatte schon zuvor in einer Aussendung betont, der Gedenktag fordere zu Wachsamkeit auf „gegenüber Radikalisierung, Ausgrenzung, Gewalt und Rassismus“. Man dürfe „nicht zulassen, dass sich Menschen abschotten und falschen Botschaften folgen“. Frieden gebe es nur, „wenn es auch sozialen Frieden gibt“.
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Nöstlinger mit Bundeskanzler Faymann
ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner würdigte die Befreiung von Mauthausen als „Wiederkehr der Menschlichkeit“, aber auch für die „erschütternde Erkenntnis, was Menschen einander antun können“. Es sei eine traurige Tatsache, dass antisemitische Strömungen keineswegs verschwunden seien, mahnte er. „Jeder von uns ist gefordert, antisemitischen Entwicklungen mit aller Kraft entgegenzuwirken und gemeinsam für ein friedliches Europa zu kämpfen“, das „von einem friedlichen Zusammenleben aller Kulturen und Konfessionen getragen“ sein solle.
Rechtsextremismus als „Schande für das Land“
Die Erinnerung an die Verbrechen des NS-Regimes sieht die grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig als Auftrag an die Politik, vehement und konsequent gegen Hass und Hetze vorzugehen. Dass „rassistische, rechtsextreme und antisemitische Übergriffe in Österreich stetig steigen“, sei eine „Schande für dieses Land“. Sie rief dazu auf, undemokratischen Tendenzen entgegenzutreten, damit kommende Generationen „in einem Europa des Friedens und des Miteinanders leben und aufwachsen können“.
„Es ist Aufgabe der Politik, aber auch die Aufgabe aller Bürger unseres Landes, dafür zu sorgen, dass Hass und Hetze keinen Nährboden haben“, meinte auch Team-Stronach-Klubobfrau Waltraud Dietrich. Die KPÖ warnte davor, die Gedenkfeiern zum „Ritus“ verkommen zu lassen: Diese müssten beständige „Mahnung sein, den antifaschistischen Verfassungsauftrag der Zweiten Republik ernst zu nehmen“.
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