„Wie im Falle eines Krieges“
Bei der Erdbebenkatastrophe in Nepal könnten nach Angaben von Ministerpräsident Sushil Koirala 10.000 Menschen ums Leben gekommen sein. Die Regierung tue „alles, was möglich ist“, sagte Koirala am Dienstag zu der Nachrichtenagentur Reuters und sprach von „Rettungsmaßnahmen wie im Falle eines Krieges“.
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Die Regierung habe angeordnet, dass die Rettungsarbeiten intensiviert würden. Von der internationalen Gemeinschaft erbat Koirala vor allem Zelte und Medikamente. „Das ist eine sehr schwierige Zeit für Nepal“, so der Regierungschef. Sein Land benötige jetzt Hilfe von außen - vor allem Zelte und Medikamente. Die Zahl der Toten stieg offiziell auf mehr als 5.000. Allein in Nepal seien 5.057 Opfer gemeldet worden, sagte der für den Katastrophenschutz zuständige Abteilungsleiter im Innenministerium, Rameshwor Dangal, am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Die Zahl der Verletzten stieg laut seinen Angaben auf über 10.000.

APA/EPA/National Disaster Response Force
Auch neue Häuser sind von der Zerstörung betroffen
Weiter Unklarheit in abgeschiedenen Orten
Am Samstag hatte ein Beben der Stärke 7,8 die Himalaya-Region erschüttert. Helikopter konnten sich erst am Dienstag auf den Weg machen, um die kleineren Ortschaften zu erreichen und Hilfsgüter zu bringen. Noch immer sind viele Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten. Teils konnten die entlegeneren Gegenden, die von dem Erdbeben betroffen sind, nicht erreicht werden. Weder das Ausmaß der Zerstörung noch die Zahl von Todesopfern sind bekannt. Auch die Armee machte sich mit Hilfsgütern auf den Weg und versuchte, die abgelegeneren Dörfer und Orte zu erreichen.

AP/Wally Santana
Eingetroffene Hilfsgüter werden für die Verteilung hergerichtet
Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in Nepal rund acht Millionen Menschen von den Auswirkungen des schweren Erdbebens betroffen. Wie die UNO am Dienstag mitteilte, sind mehr als 1,4 Millionen Menschen auf Lebensmittelhilfen angewiesen. Viele Menschen brauchten aber auch Wasser oder hätten ihr Obdach verloren.
Regierung: Nicht ausreichend vorbereitet
Nepals Regierung ordnete drei Tage Staatstrauer an. Sie erklärte außerdem erstmals öffentlich, trotz zahlreicher Warnungen vor einem bevorstehenden großen Beben nicht ausreichend vorbereitet gewesen zu sein. „Wir haben nicht genügend Mittel und wir brauchen mehr Zeit, um alle zu erreichen“, sagte Innenminister Bam Dev Gautam im staatlichen Fernsehen. Die Behörden hätten Schwierigkeiten, die Krise zu meistern. „Wir waren auf ein Desaster dieses Ausmaßes nicht vorbereitet“, sagte er.
Selbst in der Hauptstadt Kathmandu beschwerten sich zahlreiche Menschen. „Wir leben hier auf der Straße, ohne Essen und Wasser, und wir haben in den vergangenen drei Tagen (seit dem Beben) keinen einzigen Beamten gesehen“, sagte ein Mann, der mit seiner Familie im Freien campierte. Die Stromversorgung war zusammengebrochen, so dass weder Wasserversorgung noch Telekommunikation gut funktionierten. „Wir werden mit Rettungs- und Hilfsanfragen aus dem gesamten Land überschwemmt“, sagte Deepak Panda vom nationalen nepalesischen Katastrophenschutz. Der Wiederaufbau könnte Nepal bis zu fünf Mrd. Dollar (rund 4,6 Mrd. Euro) oder rund ein Fünftel seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) kosten, hieß es am Montag in ersten Schätzungen zur materiellen Schadensbilanz.
250 Vermisste nach Murenabgang
Bei einem erneuten Murenabgang nach dem schweren Erdbeben in Nepal sind am Dienstag unterdessen rund 250 Menschen verschüttet worden. Die Schlammlawine sei in Ghodatabela, bei der beliebten Trekking-Route Langtang in der Nähe des Epizentrums des Bebens vom Samstag, ins Tal gerast, sagte ein Behördenvertreter.
Die Wahrscheinlichkeit von schweren Nachbeben ist laut dem Chef der nepalesischen Seismologiebehörde, Lok Bijaya Adhikari, unterdessen stark gesunken. Die Zahl und Stärke der Nachbeben lasse nach, so Adhikari. Seit Samstag hatte es mehr als 100 Nachbeben gegeben. Das schwerste ereignete sich am Sonntag mit einer Stärke von 6,7. Zum Vergleich: Bei dem Hauptbeben am Samstag wurde eine Stärke von 7,8 gemessen.

AP/Altaf Qadri
Verletzte werden im Freien versorgt - Krankenhäuser sind zerstört oder überfüllt
Die Nachbeben lassen die Betroffenen immer wieder aus ihren Häusern fliehen. Ein Nachbeben am Dienstag löste erneut Panik aus. Es hatte die Stärke 4,5. Es wird erwartet, dass noch rund einen Monat lang leichtere Nachbeben folgen werden. Vor allem die Hauptstadt Kathmandu wird davon betroffen sein, so Adhikari, da das Epizentrum am Samstag nahe der Stadt lag.
Everest: Gros der Bergsteiger ausgeflogen
Nach den Erdbebenlawinen auf dem Mount Everest wurden fast alle Abenteurer ins Tal geflogen. Bisher wurden 205 Bergsteiger vom höchsten Berg der Welt gerettet, wie der örtliche Polizeisprecher Bhanubhakta Nepal am Dienstag sagte. Die Polizei sprach von 17 Menschen, die durch eine Lawine im Everest-Basislager gestorben seien. Ein Sprecher der Tourismusbehörde gab die Zahl mit mindestens 20 an. Das indische Militär, das bei der Rettungsaktion mithalf, sprach von 22 Toten. Zum Zeitpunkt des Unglücks hielten sich etwa 1.000 Menschen im Basislager auf.
Auf der chinesischen Seite des Mount Everest befanden sich am Dienstagvormittag drei Tage nach dem schweren Erdbeben weiter mehrere Alpinisten in Warteposition. Der blinde Osttiroler Andy Holzer ging laut einem Eintrag auf seiner Homepage von einer baldigen Entscheidung der Behörden aus. Der Grazer Clemens Strauss erwartete wegen der Nachbeben ein Scheitern seines Abenteuers. Peking werde wohl keine Besteigung in diesem Jahr mehr zulassen, „da die Seismologen von starken Nachbeben ausgehen“, hielt der Grazer in seinem Onlinetagebuch fest.
Strauss fragte sich in seinem Blog, ob eine weitere Besteigung „kaltschnäuzig“ und „zynisch-gleichgültig“ wäre. Ein Abbrechen seines „lusthaft-sinnlosen Vorhabens“, schrieb er, würde aber auch nicht ein einziges Leben retten oder die Lage von Betroffenen verbessern. Die Mehrheit der anwesenden einheimischen Bergführer würde eine Fortsetzung der Expedition befürworten, da sie mit dem dabei verdienten Geld zu Hause helfen werden können.
Video zeigt Ausmaß der Zerstörung
Ein Video, das von einer Drohne beim Flug über der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu aufgenommen wurde, zeigt eine Stadt im Ausnahmezustand. In dem am Montag aufgetauchten Drohnenvideo sind Straßen mit tiefen Kluften zu sehen.
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Zerstörte Stadt aus der Vogelperspektive
Die Hauptstadt wurde von dem Beben schwer getroffen. Die Katastrophe war die schlimmste seit einem Beben im Jahr 1934, das damals 8.500 Menschenleben forderte.
Menschen haben sich aus Angst vor Nachbeben auf Plätzen versammelt. Zahlreiche Parks und öffentliche Plätze in Kathmandu gleichen Zeltstädten - Hunderttausende schlafen im Freien. Viele Kulturstätten sind zerstört - die Kamera zeigt bei ihrem Überflug auch Swayambhunath, einen Tempelkomplex im Westen der Stadt, der von dem Beben zum Teil verwüstet wurde.
Hilfe aus dem Ausland angelaufen
Zahlreiche Staaten und Organisationen entsandten Helfer nach Nepal. Die Europäische Kommission versprach drei Millionen Euro Soforthilfe. Das Geld solle zusätzlich zu den Hilfen der einzelnen Mitgliedsstaaten und zur Entsendung von Zivilschutzexperten in die Erdbebenregion fließen, sagte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Christos Stylianides. Am dringendsten würden medizinische Helferteams und Nothilfelieferungen benötigt.

APA/ORF.at
Regierung gibt 750.000 Euro
Die Bundesregierung beschloss am Dienstag im Ministerrat Unterstützung in Höhe von 500.000 Euro für Nepal. Es kommen 250.000 Euro für Lebensmittel aus dem Agrarministerium dazu. Das sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) im Pressefoyer. Nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal sei internationale Hilfe notwendig. Viele Österreicher seien bereits in dem Gebiet im Einsatz. Das Rote Kreuz sei beteiligt, es gebe private Spenden sowie Maßnahmen der Bundesländer, sagte der Kanzler. Die Bundesregierung habe am Dienstag nun die Soforthilfe beschlossen. Hilfsorganisationen richteten unterdessen dringende Appelle an die internationalen Regierungen - mehr dazu in religion.ORF.at.
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