Tatsächliche Opferzahl noch kaum absehbar
Zwei Tage nach dem Erdbeben der Stärke 7,8 in Nepal hat laut Berichten lokaler Medien eine Fluchtwelle aus der Hauptstadt Kathmandu eingesetzt. Tausende drängten sich auf dem Flughafen, die Ausfahrtsstraßen aus der Hauptstadt seien blockiert. Grund für die Panik seien andauernde Nachbeben und die Angst vor einem drohenden Versorgungsnotstand.
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Zahlreiche Menschen hätten berichtet, dass sie seit der Katastrophe am Samstag unter freiem Himmel übernachtet hätten, hieß es. Laut „Himalayan Times“ gab es Montagfrüh erneut zwei Nachbeben der Stärke 4,4 und 4,5 auf der Richterskala. Verletzte würden auf der Straße behandelt, da einige Krankenhäuser der Stadt mit rund einer Million Einwohnern zerstört worden seien. Chirurgen mussten in Zelten operieren.

Reuters/Adnan Abidi
Überlebende verbringen die Nacht in Notunterkünften
Die Behörden kämpften mit einem drohenden Engpass an Trinkwasser und Lebensmitteln und dem drohenden Ausbruch von Krankheiten, hieß es. „Wir werden mit Rettungs- und Hilfsanfragen aus dem gesamten Land überschwemmt“, sagte Deepak Panda vom nationalen nepalesischen Katastrophenschutz. Der Wiederaufbau könnte Nepal bis zu fünf Mrd. Dollar (rund 4,6 Mrd. Euro) oder rund ein Fünftel seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) kosten, hieß es am Montag in ersten Schätzungen zur materiellen Schadensbilanz.
Über 3.700 Tote und 6.500 Verletzte
Nach Angaben des nepalesischen Innenministeriums von Montagmittag starben bei dem Erdbeben über 3.700 Menschen, mehr als 6.500 wurden verletzt. Die Katastrophe war die schlimmste seit einem Beben im Jahr 1934, das damals 8.500 Menschenleben gefordert hatte. Auch aus Nepals Nachbarländern wurden Dutzende Todesopfer gemeldet. Das ganze Ausmaß der Zerstörung ist noch nicht abzusehen, weil viele abgelegene Dörfer bisher nicht erreicht wurden. In Tibet wurden mindestens 1.000 Häuser zerstört, in dem Hochland sind rund 300.000 Menschen von der Bebenkatastrophe betroffen.

Reuters/Navesh Chitrakar
Ein Mann bringt sich während eines Nachbebens in Sicherheit
Infrastruktur großteils zerstört
Der Erdstoß mit dem Zentrum etwa 80 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Kathmandu zerstörte große Teile der Infrastruktur des Landes, viele alte Häuser sowie Weltkulturerbe- und Pilgerstätten. Weite Teile des Erdbebengebiets wurden von der Stromversorgung abgeschnitten. Die Wasserversorgung war unterbrochen und die meisten Tankstellen geschlossen.

APA/EPA/Narendra Shrestha
Zahlreiche Verletzte werden auf der Straße versorgt - Krankenhäuser sind zerstört oder überfüllt
Zahlreiche Staaten und Organisationen entsandten Helfer nach Nepal. Die Europäische Kommission versprach drei Millionen Euro Soforthilfe. Das Geld solle zusätzlich zu den Hilfen der einzelnen Mitgliedsstaaten und zur Entsendung von Zivilschutzexperten in die Erdbebenregion fließen, sagte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Christos Stylianides. Am dringendsten würden medizinische Helferteams und Nothilfelieferungen benötigt.
Wetter behindert Bergungseinsätze
Wegen eines heftigen Gewitters musste in Kadhmandu laut Medienberichten der Flughafen zeitweise gesperrt werden. Bereits zuvor wurde die Landebahn wegen Nachbeben immer wieder gesperrt. Angesichts der Witterungsverhältnisse war es Flugzeugen nicht möglich zu landen, wie unter anderem die „Times of India“ berichtete.
Dem „Indian Express“ zufolge spielten sich auf Nepals einzigem internationalem Flughafen chaotische Szenen ab - unter anderem warteten dort auch zahllose Touristen vorerst vergeblich auf ihre Ausreise. Der Wetterumschwung stellt nicht zuletzt eine große Hürde für die Einsatzkräfte dar, die nach wie vor in den Trümmer nach Überlebenden suchen. Bei zunehmenden Regenfällen mussten Tausende Menschen in notdürftig gebauten Zeltunterkünften übernachten.

APA/ORF.at
Das Epizentrum des Bebens lag etwa 80 Kilometer westlich von Kathmandu. Dort lägen die Dörfer direkt an großen Berghängen, und die Häuser bestünden aus einfachen Stein- und Felskonstruktionen, sagte Matt Darwas von der Hilfsorganisation World Vision. „Viele dieser Dörfer sind nur mit Geländewagen und zu Fuß erreichbar, manche Stunden oder sogar Tagesmärsche von der Hauptstraße entfernt.“

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Am Tag nach dem Beben bot sich in der Stadt Bhaktapur ein Bild der Zerstörung
Notstand ausgerufen
Nepal rief den Notstand in den betroffenen Gebieten aus, in denen 6,6 Millionen Menschen leben. Schulen und Universitäten bleiben für eine Woche geschlossen. Die Stromversorgung könnte lange ausfallen, da das Erdbeben die Wasserkraftwerke beschädigte, von denen Nepal fast all seinen Strom bezieht.
Im Außenministerium in Wien meldeten sich unterdessen laufend besorgte Angehörige von Österreichern, die in der Region unterwegs sind. Insgesamt hielten sich mindestens 88 Österreicher am Wochenende in der Region auf. Zu einem Großteil gab es Kontakt, die Betroffenen waren alle unverletzt. Rund 20 Personen wurden allerdings noch nicht erreicht.
Das sei jedoch nicht verwunderlich, da die meisten kontaktierten Österreicher, die in bergigen Regionen des Landes unterwegs waren, von dem Erdbeben eher wenig mitbekommen haben dürften, betonte Ministeriumssprecher Martin Weiss. Auch auf dem Mount Everest und im übrigen Himalaya-Gebirge befanden sich zum Zeitpunkt des schweren Erdbebens mehrere Österreicher - mehr dazu in oesterreich.ORF.at und kaernten.ORF.at.
Gefährliche Nahtstelle
Nepal und die ganze Himalaya-Region sind ein stark durch Erdstöße gefährdetes Gebiet. Beben entstehen, wenn sich Gesteinsschollen im tieferen Bereich der Erdkruste ruckartig verschieben. Experten sprechen von „Subduktion“. Weltweit treiben bis zu 20 größere Platten auf zähflüssigem Material des Erdmantels. An ihren Grenzen entstehen starke Spannungen, die sich schlagartig in Beben entladen können. Dabei wird hohe Energie mit möglicherweise verheerenden Folgen frei. In der Himalaya-Region drückt die Indische Platte von Süden gegen Afghanistan und Tibet auf der Eurasischen Platte. An der Nahtstelle von Pakistan über Nepal bis Burma bebt häufig die Erde.
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