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„Stärkere Botschaft“ von Erdogan erwartet

Armenien gedenkt am Freitag der Massaker vor 100 Jahren. Zu einer Zeremonie am Mahnmal in der Hauptstadt Eriwan werden Hunderttausende Menschen erwartet. Der armenische Präsident Sersch Sargsjan forderte von der Türkei am Donnerstag erneut die Anerkennung eines Völkermordes.

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Er hoffe, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Freitag „eine stärkere Botschaft“ aussende, damit sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern normalisieren könnten, sagte Sargsjan am Donnerstag im türkischen Fernsehsender CNN-Türk. Eine Aussöhnung sei „durch eine Anerkennung des Völkermordes durch die Türkei“ möglich.

Am Montag sagte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu: „Wir teilen den Schmerz der Kinder und Enkel der Armenier, die ihr Leben bei Deportationen 1915 verloren.“ Im Vorjahr hatte sich Erdogan als Regierungschef noch in ähnlicher Weise geäußert. Es sei offensichtlich, so Sargsjan, „dass für eine Versöhnung zwischen den beiden Völkern die Türkei den Völkermord anerkennen muss“. Das sei eine „moralische Pflicht“ Ankaras.

Annäherungsprozess liegt seit Jahren auf Eis

Sargsjan versicherte zugleich, dass er bereit sei, das Parlament zur Ratifizierung des 2009 unterzeichnete Protokolls über die Normalisierung der Beziehungen zwischen Armenien und der Türkei aufzufordern. Der Annäherungsprozess zwischen Ankara und Eriwan liegt seit einigen Jahren auf Eis, obwohl die Türkei 1991 die ehemalige Sowjetrepublik als einer der ersten Staaten anerkannte. Zusätzlich belastet ist das Verhältnis wegen des Konflikts Armeniens mit Aserbaidschan um die armenische Enklave Bergkarabach.

Ankara schickt Minister zu Gottesdienst

Die türkische Regierung schickt zum ersten Mal einen Minister zu einem armenischen Gedenkgottesdienst. EU-Minister Volkan Bozkir werde bei dem Gottesdienst im armenischen Patriarchat in Istanbul an diesem Freitag die Regierung in Ankara vertreten, berichtete die Zeitung „Vatan“ laut Kathpress am Donnerstag unter Berufung auf das Patriarchat. Die Zeitung wertete die Geste als „historisch“.

Zelebriert wird der armenische Gottesdienst vom amtierenden Istanbuler Patriarchen Aram Atesyan. Er bestätigte gegenüber „Vatan“, dass er in seiner Predigt das Wort Völkermord für die Massaker von 1915 nicht benutzen werde. Stattdessen werde die Betonung auf dem gemeinsamen Schmerz von Türken und Armeniern liegen. Anders als in anderen Ländern soll es in den armenischen Kirchen in der Türkei auch kein Trauergeläut zum Jahrestag geben. Atesyan begrüßte die Teilnahme von Minister Bozkir an der Gedenkmesse.

1,5 Mio. Opfer werden in „Märtyrerstand“ erhoben

Mit der Grundsteinsegnung für den neuen „Dom der Märtyrer des Völkermords“ auf dem zentralen Komitas-Platz in Eriwan eröffnete das armenische Kirchenoberhaupt Katholikos-Patriarch Karekin II. am Mittwoch die großen Zeremonien zum 100. Jahrestag des Beginns des Völkermords 1915. An der Segnungsfeier nahm auch Sarksjan teil.

Am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) begannen die Heiligsprechungsfeiern auf dem Platz vor der Hauptkathedrale. Rund 1,5 Millionen Opfer des Völkermords sollen dabei in den „Märtyrerstand“ erhoben werden. Weder die katholische Kirche noch orthodoxe und altorientalische Kirchen haben je eine so große Zahl von Menschen kollektiv heiliggesprochen.

Gedenkstunde in Deutschland

Am Dienstag hatte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel Befürchtungen geäußert, dass Druck von außen den Versöhnungsprozess der Türkei mit Armenien belasten könnte. Die deutschen Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD einigten sich am Donnerstag auf eine Erklärung für eine Gedenkstunde am 24. April im Bundestag. Der deutsche Grünen-Chef Cem Özdemir rief die Regierung zu einer Entschuldigung für die deutsche Mitverantwortung an dem Völkermord an Armeniern im Osmanischen Reich auf.

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