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Bericht über geheime Sitzung im Bundestag

Mit dem Sturmgewehr G36 schiebt die deutsche Bundeswehr seit Jahren ein Problem vor sich her. Ein neues Gutachten bescheinigt ihm nun schwarz auf weiß mangelnde Treffsicherheit unter verschiedensten Umständen. „Keine Zukunft“, lautet das Fazit von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

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Damit seien „die Tage des G36 als Standardwaffe“ (Ordonnanzwaffe) in der Bundeswehr gezählt, schrieb am Mittwoch das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und berichtete exklusiv von einer Entscheidung „hinter verschlossenen Türen im Bundestag“ in Berlin. In einer vertraulichen Sitzung des Fachausschusses im Bundestag sei die Ausmusterung der Waffe besiegelt worden. „Dieses Gewehr, so wie es konstruiert ist, hat keine Zukunft in der Bundeswehr“, wurde die Ministerin zitiert. Diese Aussage habe bei den Abgeordneten kaum Zweifel gelassen, „dass sie das G36 mittelfristig ablösen will“. Damit braucht die Bundeswehr Ersatz für fast 170.000 Sturmgewehre.

Bedenklich niedrige Treffsicherheit

Bekannt sind die Probleme mit dem G36 aus der Waffenschmiede Heckler & Koch schon länger. Ein erst am Freitag vorgelegtes Gutachten im Auftrag des Verteidigungsministeriums kam zu dem Ergebnis, dass die Trefferquote des überwiegend aus Kunststoff bestehenden Gewehres rapide sinkt, sofern die Umgebungstemperatur sehr hoch oder aber die Waffe durch längere Schussabgabe heiß ist - und zwar teils auf nur noch sieben Prozent. Gefordert werden 90 Prozent Trefferquote.

Deutscher Bundeswehrsoldat mit einem G36-Sturmgewehr

AP/Matthias Rietschel

Das HK G36 „dient“ seit über 17 Jahren in der deutschen Bundeswehr

Auch Feuchtigkeit bereitet Probleme. „Der Wechsel zwischen trockener und feuchter Umgebung führt beim G36 zu vergleichbaren Einschränkungen wie eine Änderung der Umgebungstemperatur“, heißt es in dem Gutachten, das von der Leyen im Juli 2014 in Auftrag gegeben hatte. In der 372 Seiten starken Studie heißt es weiter, Präzisionsprobleme gebe es auch mit der besten Munition. Beteiligt an der Expertise waren der deutsche Bundesrechnungshof, das Ernst-Mach-Institut der Fraunhofer-Gesellschaft, Wehrtechniker der Bundeswehr und das Wehrwissenschaftliche Institut für Werks- und Betriebsstoffe.

Erste Mängel schon länger bekannt

Die Waffe ist ähnlich wie das im österreichischen Bundesheer gebräuchliche Steyr AUG (StG 77) zum Teil aus Kunststoff gebaut, auch von der Funktionsweise her ist es ihm ähnlich. Das Sturmgewehr von Steyr Mannlicher gilt allerdings als extrem widerstandsfähig, vor allem auch, was Nässe und Temperatur betrifft. Beim HK G36 waren die ersten Probleme spätestens 2011 festgestellt worden, wobei die Waffe seit 1997 gebaut wird. Die Spitze des deutschen Verteidigungsministeriums soll 2013 informiert gewesen sein.

Debatte über Verschleppung der Causa

Daher schwelt nun auch eine Debatte über eine Verschleppung der Causa. „Das Kuriose“ sei allerdings, schrieb die dpa am Mittwoch: „In all den Jahren haben sich weder beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr noch beim Wehrbeauftragten noch beim Bundeswehrverband Soldaten über ihr Standardgewehr beschwert.“ Mitunter wurde auch die verwendete Munition für mangelnde Treffsicherheit verantwortlich gemacht, der Hersteller kritisierte Gutachten als fehlerhaft.

Auch auf politischer Ebene wirbelte die Affäre Staub auf. Die deutschen Grünen forderten bei von der Leyen eine umfassende Klärung der Verantwortlichkeiten und des „desaströsen Umgangs des Verteidigungsministeriums mit dem G36“, ansonsten müsse „ein Untersuchungsausschuss die Missstände aufklären", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Das Ministerium habe über Jahre hinweg alles darangesetzt, die Probleme zu verschleiern.

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