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Komplizierte OECD-Berechnung

Eine Erhöhung der Lehrverpflichtung um zwei Stunden würde über alle Lehrergruppen gerechnet Österreich in etwa auf den Schnitt der OECD-Staaten bringen. Das zeigt der im Vorjahr veröffentlichte jüngste OECD-Vergleich „Bildung auf einen Blick“.

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Im Bereich der Sekundarstufe I (AHS-Unterstufe/Hauptschule/Neue Mittelschule) liegt Österreich aktuell bei einer Nettounterrichtszeit von 607 Stunden - das ist weit unter dem OECD-Schnitt von 694 Stunden. Auch mit zwei Stunden mehr käme man erst auf 666 Stunden. Im Bereich der AHS-Oberstufe kommen die österreichischen Lehrer auf einen Wert von 589 Stunden. Das ist unter dem OECD-Schnitt von 655 Stunden - ein zweistündiges Lehrverpflichtungsplus würde diesen Wert auf 648 und damit praktisch auf den OECD-Schnitt erhöhen.

Die Berechnung dieser Zahlen ist nach den OECD-Vorgaben recht kompliziert. Die Lehrverpflichtung von 22 Wochenstunden (zu je 50 Minuten) wird dabei auf 60-Minuten-Einheiten umgelegt und zusammen mit der Pausenaufsicht auf eine wöchentliche Unterrichtszeit umgerechnet, dann auf einen Tag heruntergebrochen und mit der Zahl der Unterrichtstage pro Jahr (180) multipliziert.

Musterschüler Volksschullehrer

Bei Volksschullehrern sieht es anders aus. Sie unterrichten schon jetzt so lang wie im OECD-Schnitt und würden nach einer Erhöhung weit über dem Schnitt liegen. Laut „Bildung auf einen Blick“ kommen Lehrende in der Volksschule derzeit auf eine Nettounterrichtszeit von 779 Stunden. Das liegt ziemlich genau im OECD-Schnitt (782). Eine Erhöhung der Unterrichtspflicht um zwei Schulstunden pro Woche würde die Nettounterrichtszeit laut OECD-Berechnungen auf 846 Stunden anheben, was dann weit über dem OECD-Mittelwert liegen würde.

Der EU-Schnitt liegt die Anwesenheit in der Klasse betreffend allerdings recht deutlich unter jenem der OECD-Staaten: Im Volksschulbereich beträgt die Nettounterrichtszeit in der EU 754 Stunden (derzeit in Österreich: 779), in der Sekundarstufe I 653 Stunden (607) und in der Oberstufe 622 Stunden (589).

Doch auch die OECD-Studie stellt den Lehrkräften in einem Teil gute Noten aus. Die nur für Pflichtschullehrer definierte Gesamtarbeitszeit liegt teils erheblich über dem OECD-Durchschnitt. Während es in Österreich 1.776 Stunden sind, liegt der Durchschnitt OECD-weit bei 1.649 für Volksschule und Sekundarstufe I und bei 1.643 für Sekundarstufe II, also AHS-Oberstufe.

Gewerkschaft: Problematische Daten

Der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft an den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS), Jürgen Rainer (FCG), verwehrte sich in einem der APA übermittelten Schreiben grundsätzlich gegen die Verwendung von OECD-Zahlen bei einem Vergleich von Lehrerarbeits- bzw. -unterrichtszeit. „Daten, die das Bildungsministerium der OECD übermittelt, um sich danach auf die Quelle OECD zu stützen, sind problematische Daten“, so Rainer.

Expertin für Jahresarbeitszeitmodell

Die Debatte über die Arbeitszeit wird generell falsch geführt: Davon ist die Bildungsexpertin Christiane Spiel, Professorin an der Uni Wien, überzeugt, wie sie im Ö1-Morgenjournal am Donnerstag sagte. Viel Arbeit werde außerhalb der Unterrichtszeit geleistet. Das müsste die Gesellschaft viel stärker respektieren, aber auch die Lehrer selbst, so Speil. Sie schlägt ein Jahresarbeitszeitmodell vor - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Dauerthema der Innenpolitik

Eine Erhöhung der Lehrerarbeitszeit ist mittlerweile eine Art Dauerthema der österreichischen Innenpolitik. 2009 scheiterte Ex-Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) mit diesem Vorschlag. Sie forderte im Februar 2009 von den Lehrern als „Solidarbeitrag“ in der Wirtschaftskrise, zwei Stunden mehr in der Klasse zu stehen. Es folgten erboste Reaktionen der Gewerkschaft, mit der Schmied in den folgenden Wochen verhandelte. Schon im April folgte aufgrund mangelnder Unterstützung der Regierungsspitze der Verzicht Schmieds auf die Maßnahme - verbunden mit der Ankündigung, „gleich übermorgen“ Verhandlungen über ein neues Dienstrecht zu beginnen.

Das kam erst Ende 2013 - maßgeblich verhandelt von Schmieds späterer Nachfolgerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Derzeit gelten für Bundeslehrer (AHS, BMHS) und Landeslehrer (Pflichtschulen) unterschiedliche Dienstrechte. Bundeslehrer haben dabei grundsätzlich eine Lehrverpflichtung von 20 Stunden pro Woche, wobei aber etwa Schularbeitsfächer höher bewertet werden und de facto zu einer niedrigeren Stundenbelastung führen, Fächer wie Turnen und Musikerziehung zu einer höheren. Die Bandbreite reicht dabei von ca. 18 bis im Extremfall 24 Stunden. Tätigkeiten wie Vorbereitung, Korrekturarbeiten, Fortbildung usw. werden nicht näher geregelt und sind quasi inkludiert.

Neues Dienstrecht: Mehr Stunden und mehr Gehalt

Pflichtschullehrern wird in ihrem Dienstrecht dagegen eine Jahresarbeitszeit von knapp 1.800 Stunden vorgegeben, die sich zahlenmäßig auf drei Töpfe (Unterricht, Vor-/Nachbereitung, Sonstiges) verteilen. „Umgerechnet“ auf Wochenunterrichtsstunden entspricht das etwa 20 bis 22 Stunden.

Das für beide Lehrergruppen geltende, 2013 beschlossene neue Lehrerdienstrecht bringt zwar eine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung auf grundsätzlich 24 Stunden - allerdings gleichzeitig eine Erhöhung der Anfangsgehälter (bei späterer Abflachung der Gehaltskurve) und damit budgettechnisch kurzfristig keine dringend gesuchten Einsparungen für das strukturell verschuldete Bildungsressort.

Außerdem gibt es zahlreiche Ausnahmen: Klassenvorstände (und damit praktisch alle Volksschullehrer), Mentoren bzw. Kustoden und Beratungslehrer können sich insgesamt bis zu zwei Stunden sparen, müssen also nur 22 Stunden in der Klasse stehen. Lehrer der Sekundarstufe II (v. a. AHS-Oberstufe, berufsbildende mittlere und höhere Schulen (BMHS)), die Schularbeitsfächer unterrichten, müssen ebenfalls um bis zu zwei Stunden kürzer unterrichten.

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