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Klima der Angst

Seit Monaten fliegen in Bangladesch Benzinbomben auf Busse und Autos. Mehr als hundert Menschen starben in den Flammen. Die Gewalt ist nur die Spitze eines riesigen Problembergs, den die Politik des Landes angehäuft hat. Nun schimmert Hoffnung.

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Die Zeitung „Dhaka Tribune“ hat eine Website erstellt, die die Unsicherheit von Millionen Bangladeschern in den vergangenen drei Monaten widerspiegelt. Auf der Seite wird nur eine einzige Frage beantwortet: „Ist morgen Generalstreik?“ Derzeit heißt die Antwort wieder einmal: „Ja.“ Dieser Streik, in Bangladesch „Hartal“ genannt, ist kein Arbeiterprotest für höhere Löhne.

Blogger mit Machete ermordet

Der Aufruf, Geschäfte geschlossen zu halten und nicht auf die Straßen zu gehen, geht von Oppositionsparteien aus - und wird mit harten Mitteln durchgesetzt. „Wenn ich rausgehe, schaue ich mich ständig um, ob irgendjemand attackiert, feuert oder eine Benzinbombe wirft“, beschreibt der Student Ashikur Rahman Avi in der Hauptstadt Dhaka seine ständige Angst.

Vor wenigen Wochen sah der 24-jährige Rahman, wie zwei Bomben in die Luft gingen, während er mit dem Bus zu seiner Praktikumsstelle fuhr. Kurz danach wurde der religionskritische Blogger Abhijit Roy auf dem Campus von Rahmans Universität mit Macheten ermordet. „Ich war nicht so entsetzt, wir sind das ja gewohnt“, sagt Rahman ruhig, während er auf einer Bank in der Dhaka University sitzt - unweit der Stelle, wo die Blutflecken lange zu sehen blieben.

„System der historisch gewachsenen Feindschaften“

Bangladesch steckt tief in einer politischen Krise. Das südasiatische Land, das zu den ärmsten der Welt gehört, ist politisch gespalten. Auf der einen Seite steht das Regierungslager um die dynastisch geführte Awami League von Premierministerin Sheikh Hasina, auf der anderen Seite die Opposition unter Leitung der alleinherrschenden Vorsitzenden der Bangladesh National Party (BNP), Khaleda Zia. „Es ist ein System historisch gewachsener Feindschaften“, sagt Henrik Maihack von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Dhaka. Man vertraue einander nicht.

Eine große Rolle im derzeitigen Konflikt spielt auch das Kriegsverbrechertribunal, das Hasina auf den Weg brachte. Damit sollen die Haupttäter des Unabhängigkeitskrieges von 1971 bestraft werden. Zahlreiche Täter von damals wurden in den vergangenen Jahren zum Tode verurteilt. Die meisten von ihnen waren Anführer der islamistischen Partei Jamaat-e Islami, die 1971 gegen die Abspaltung Bangladeschs von Pakistan kämpfte.

Kritik an Prozessen

Am Dienstag stand die Hinrichtung des Jamaat-Mitglieds Muhammed Kamaruzzaman unmittelbar bevor - und die Jamaat rief wieder einen „Hartal“ aus, der das Land lähmte. Die Opposition beklagt, die Prozesse seien politisch motiviert. Tatsächlich werden sie ohne internationale Beobachtung abgehalten, die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch spricht im Fall Kamaruzzaman von einem „sehr fehlerhaften Prozess“. Zahlreiche Oppositionspolitiker sind außerdem verschwunden, noch viel mehr sitzen in Haft.

BNP-Politiker geben denn auch der Regierung die Schuld an der Krise. Sie lasse sich nicht auf Neuwahlen ein, die die Opposition fordert. „Stattdessen finden wir überall im Land Verfolgung, Repressionen, Einschüchterung“, klagt Abdul Moyeen Khan, der zum höchsten politischen Zirkel der BNP gehört. Er bestreitet allerdings nicht, dass seine Parteiführerin Zia zur Gewalt angestachelt hat. „Wenn man mit dem Rücken zur Wand steht und die Pistole an der Brust hat, soll man dann still bleiben?“, fragt er.

Suche nach Ausweg

Einen Hoffnungsschimmer aber sieht das Land derzeit. Noch im April sollen drei Bürgermeisterwahlen stattfinden. Und die BNP hat sich bereiterklärt, diesmal - anders als bei der Parlamentswahl 2014 - auch anzutreten. Laut Maihack von der Friedrich-Ebert-Stiftung suchen beide Seiten jetzt einen Ausweg, der es ihnen erlaubt, das Gesicht zu wahren. Der hohe Awami-Politiker und frühere Minister Hasan Mahmud begrüßt die Teilnahme der BNP an den Wahlen: „Das Land erstickt doch unter den ‚Hartals‘. Und nichts wird damit erreicht.“

Doreen Fiedler, dpa

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