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„Sehr stolz und tief bewegt“

Der nach der Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt in Paris als Held gefeierte junge Malier Lassana Bathily ist in Frankreich eingebürgert worden. Premierminister Manuel Valls überreichte bei einer feierlichen Zeremonie im Jänner einen französischen Pass an den 24-jährigen Supermarktangestellten, der während der blutigen Geiselnahme durch einen islamistischen Angreifer Kunden versteckt hatte.

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Der praktizierende Muslim, der als 16-Jähriger nach Frankreich gekommen war, zeigte sich „sehr stolz und tief bewegt“. Innenminister Bernard Cazeneuve würdigte bei der Einbürgerungszeremonie den „Mut“ und die „Bescheidenheit“ des 24-Jährigen. Bathily habe „sich in dramatischen Umständen als mutiger Bürger“ erwiesen. Er sei zudem „ein Symbol eines friedfertigen und toleranten Islam“ geworden. Valls wünschte dem Supermarktmitarbeiter, dass er bald wieder ein „normales Leben“ führen könne.

Kunden im Kühlraum versteckt

Bathily hatte beim Angriff des Islamisten Amedy Coulibaly auf den jüdischen Supermarkt Hyper Casher im Osten von Paris am 9. Jänner Kunden in einem Kühl- und einem Tiefkühlraum im Untergeschoß versteckt. Die Idee einer Flucht über den Lastenaufzug wurde wegen der Gefahr einer Entdeckung verworfen. Bathily selbst entkam noch während der Geiselnahme über die Feuerleiter.

Polizisten nahmen den 24-Jährigen zunächst fest - sie wollten sichergehen, dass er kein Komplize des Geiselnehmers war. Dann half Bathily den Einsatzkräften der Polizei, sich ein Bild von der Lage im Inneren des Geschäfts zu machen. Bei der Erstürmung des Supermarkts wurde Coulibaly, der zuvor vier Menschen getötet hatte, von der Polizei erschossen.

Religion spielte keine Rolle

Bathily arbeitete seit vier Jahren in dem Supermarkt. Im Juli 2014 stellte er einen Antrag auf die französische Staatsbürgerschaft. Nach der „Heldentat“ des jungen Mannes ordnete das Innenministerium an, den Antrag im Eilverfahren zu behandeln. Zuvor hatten Frankreichs Staatschef Francois Hollande und der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu dem jungen Mann für seinen Einsatz gedankt.

Bathily hat wiederholt betont, dass Religion für ihn bei der Rettungsaktion keine Rolle gespielt habe. Der Nachrichtenagentur AFP sagte er vergangene Woche: „Ich habe keine Juden versteckt, ich habe Menschen versteckt.“ Das Schwierigste sei für ihn, die Momente des Schreckens zu vergessen, sagte Bathily. Er habe dabei auch einen Kollegen und Freund verloren.

Valls kritisiert „ethnische Apartheid“

Zuvor hatte Premierminister Manuel Valls mit überraschend offenen Worten die Zustände in der französischen Gesellschaft - und damit auch die Politik - kritisiert: Nach seinen Worten gibt es „eine territoriale, soziale, ethnische Apartheid“. Mit Blick auf die überwiegend durch Einwanderung geprägte Bevölkerung in den Problemvorstädten Frankreichs sagte der Regierungschef, „seit zu langer Zeit bauen sich Spannungen auf“.

Dabei verwies er auf den „Abstieg am Stadtrand, die Ghettos“ und „eine Apartheid“. Die vergangenen Tage hätten viele Übel der französischen Gesellschaft und die Herausforderungen deutlich gemacht.

Erinnerung an Krawalle 2005

Seit der islamistischen Anschlagsserie vor rund zwei Wochen wird in Frankreich verstärkt darüber diskutiert, ob die Problemvorstädte mit ihrer hohen Arbeitslosigkeit und ihrem schlechten Bildungsniveau einen Nährboden für islamistisches Gedankengut bilden. Die Regierung will unter anderem durch eine bessere Schulpolitik gegensteuern.

Valls machte deutlich, dass die Probleme schon lange bekannt seien, und erinnerte an die Vorstadtkrawalle im Jahr 2005. „Danach wird es vergessen“, sagte er. Zur „sozialen Misere“ in diesen Problemvierteln kämen die „täglichen Diskriminierungen“ hinzu, „weil man nicht den richtigen Familiennamen, nicht die richtige Hautfarbe hat oder einfach, weil man eine Frau ist“. Es gehe ihm nicht darum, Ausflüchte zu finden, hob Valls hervor. Doch müsse „der Realität“ in Frankreich ins Auge geblickt werden.

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