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Jahrelanger Rechtsstreit

Italiens Kassationsgericht hat Freitag spätabends die frühere US-amerikanische Austauschstudentin Amanda Knox und ihren Ex-Freund Raffaele Sollecito vom Vorwurf des Mordes an der britischen Studentin Meredith Kercher freigesprochen. Das oberste Gericht in Italien kippte damit die Verurteilung der beiden zu langen Haftstrafen aus vorheriger Instanz.

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Knox selbst zeigte sich in Seattle in „unglaublich dankbar“ für die Gerechtigkeit, die ihr zuteilgeworden sei, und „furchtbar erleichtert“. Sie gab am Freitagabend (Ortszeit) vor ihrem Elternhaus in Seattle eine kurze Erklärung ab. Sie sei dankbar dafür, dass sie ihr Leben zurückbekommen habe. Mit tränenerstickter Stimme äußerte sich Knox auch zu der ermordeten Britin Kercher. „Meredith war meine Freundin“, sagte Knox. Sie hätte so viel in diesem Leben verdient, fügte sie hinzu. Bei Knox’ Auftritt vor dem Elternhaus in Begleitung ihrer Familie ergriff auch ihre Mutter das Wort. „Wir sind so dankbar, dass nun endlich alles richtig ist“, sagte Knox’ Mutter.

Urteil „unerwartet“

Der Sprecher von Knox, David Marriott, sagte, er sei „von Freude überwältigt“ und fügte hinzu: „Die Wahrheit hat gesiegt.“ Marriott betonte freilich auch, das Urteil sei „unerwartet“ ausgefallen. Knox’ Rechtsanwalt Carlo Della Vedova erklärte, sie wolle eine Entschädigung für die vierjährige Haft beantragen, die sie in Italien abgesessen habe.

Die Verteidigerin Sollecitos, Giulia Bongiorno sprach von einem „großen Erfolg“ und dem Ende eines Alptraums, der vor acht Jahren begonnen habe. Sollecito, der in seinem Heimatort Bisceglie in der süditalienischen Adria-Region Apulien auf das Urteil wartete, war von Bongiorno in ihrem Verteidigungsplädoyer als unschuldiger „Forrest Gump“ bezeichnet worden. „Endlich ist all das zu Ende“, sagte Sollecitos Schwester Vanessa. Sollecito war in zweiter Instanz im Jänner 2014 zu 25 Jahren Haft verurteilt worden, Knox zu 28 Jahren.

Wegen Verleumdung verurteilt

Knox wurde aber im Rahmen des letztinstanzlichen Prozesses um den Mord an Kercher wegen Verleumdung zu drei Jahren Haft verurteilt. Damit wurde das Urteil eines Berufungsgerichts in Florenz bestätigt, das im Jänner 2014 gefällt worden war. Knox hatte den kongolesischen Barmannes Patrick Lumumba des Mordes an Kercher beschuldigt. Die Haftstrafe von drei Jahren hatte die Amerikanerin aber bereits abgesessen.

Raffaele Sollecito's Anwalt Giulia Bongiorno

AP/Andrew Medichini

Die Verteidigerin Sollecitos beim Verlassen des Gerichtsgebäudes

Schuldsprüche im Vorjahr

Das Kassationsgericht musste entscheiden, ob die Schuldsprüche gegen Knox und Sollecito aus dem vergangenen Jahr rechtens sind. Damals war die Amerikanerin zu 28 Jahren und sechs Monaten, der Italiener zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte gefordert, die Strafen zu bestätigen und um je drei Monate zu reduzieren. Knox’ Anwälte wollten einen Freispruch.

Kercher war vor siebeneinhalb Jahren im November 2007 in der Universitätsstadt Perugia vergewaltigt und brutal ermordet worden. Als einziger bisher für die Tat verurteilt ist der Ivorer Rudy Guede. Er sitzt wegen Beihilfe zum Mord eine Haftstrafe von 16 Jahren ab. Was genau in der Mordnacht geschah, ist jedoch noch immer unklar. Den Ermittlern zufolge wiesen die Stichwunden jedoch stark darauf hin, dass es mehr als einen Täter gab.

Amanda Knox mit Sicherheitskräften im Gericht 2008

Reuters/Daniele la Monaca

Knox bei einer der ersten Gerichtsanhörungen nach ihrer Verhaftung

Der Kassationsgerichtshof musste schon zum zweiten Mal in dem Fall urteilen. Knox und Sollecito waren 2009 zum ersten Mal verurteilt worden, bevor 2011 nach vier Jahren in Haft ein Freispruch gefolgt ist. Diesen kippte das höchste Gericht, woraufhin ein Berufungsgericht beide erneut schuldig sprach. Dagegen legten Knox und Sollecito, die stets ihre Unschuld beteuerten, ein weiteres Mal Berufung ein.

Seit 2011 wieder in Seattle

Knox ist nach ihrem Freispruch 2011 in ihre Heimatstadt Seattle zurückgekehrt. Während Sollecito weiter in Italien lebt und bei einer Verurteilung direkt in Haft genommen worden wäre, weigerte sich Knox, nach Italien zurückzukehren. Medien hatten im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung bereits mit einem jahrelangen - auch politisch brisanten - Rechtsstreit über ihre mögliche Auslieferung spekuliert.

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