Draht via Gasprom nach Russland
In einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung ist am Freitag beim teilstaatlichen Mineralölkonzern OMV der Nachfolger für den scheidenden Vorstandschef Gerhard Roiss gekürt worden. Den Chefsessel übernimmt per Ende Juni der Deutsche Rainer Seele. Roiss, dessen Vertrag vorzeitig aufgekündigt wurde, geht mit kolportierten drei Mio. Euro Abfertigung.
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Der Leiter der deutschen Wintershall Holding GmbH in Kassel folgt mit 21. Juli 2015 auf Roiss nach, der nach einer Schlammschlacht frühzeitig gehen muss. Seele wurde am Abend bei der Aufsichtsratssitzung der teilstaatlichen OMV für drei Jahre mit einer Verlängerungsoption um weitere zwei Jahre bestellt. Seele ist seit 2009 Vorstandsvorsitzender des deutschen Branchenprimus Wintershall. Der Mineralöl- und Erdgaskonzern gehört dem deutschen Chemieriesen BASF. Von der Kür Seeles hatte noch vor Ende der Aufsichtsratssitzung der „Kurier“ berichtet.
„Wichtiger Meilenstein“
Seeles Bestellung sei „ein wichtiger Meilenstein für das Unternehmen“, sagte OMV-Aufsichtsratschef Rudolf Kemler Freitabend bei einer Pressekonferenz. Seele sei für die OMV „der ideale Kandidaten gewesen, mit einem punktgenauen Kompetenzprofil“, sagte Kemler. Bei Wintershall habe Seele in nur sechs Jahren die Produktion um mehr als die Hälfte gesteigert, auf derzeit 385.000 BOE/D (Barrel-Öl-Äquivalente pro Tag): „Das ist mehr, als die OMV produziert.“
Gleichzeitig habe er die Profitabilität verdoppelt und einen klaren strategischen Fokus auf das Upstream-Geschäft gesetzt. Man habe in etwa einem halben Jahr rund 200 Manager geprüft, bis letztlich Seele als finaler Kandidat übriggeblieben sei.
Will Ertragskraft stärken
Seele kündigte an, dass er mit seiner Familie seinen Lebensmittelpunkt nach Wien verlagern werde. Er ist deutscher Staatsbürger, verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern. Über seine Pläne für die OMV wollte der designierte CEO noch nichts verraten. „Geben Sie mir noch ein bisschen Zeit bis zum 1. Juli, dass ich das auch mit meinen Vorstandskollegen diskutiere.“ Ein Ziel sei jedenfalls die Stärkung der Ertragskraft.
Nützen dürften Seele bei seiner neuen Aufgabe auch seine guten Kontakte zum russischen Gasprom-Konzern. Derzeit kämen die Gaslieferungen sehr stark von Gasprom über die Ukraine, hier werde in der Zukunft eine Neuausrichtung erfolgen. „Es ist von Bedeutung, dass wir gerade als OMV uns hier in diesen Prozess einbringen, damit wir weiterhin die Schlüsselrolle als Knotenpunkt für Gaslieferungen aus Russland insbesondere nach Zentral- und Mitteleuropa behalten.“
Eine wichtige Aufgabe wird laut Kemler auch die Suche nach Nachfolgern für Finanzvorstand David Davies und E&P-Chef Jaap Huijskes sein. Davies werde 2017 in Pension gehen, und Huijskes werde das Unternehmen bereits im kommenden Jahr auf eigenen Wunsch verlassen.
Kein Verkauf von Borealis-Beteiligung
Dass der zweite arabische Kernaktionär IPIC aus der OMV aussteigen könnte, gehört laut Kemler „ins Reich der Fabeln“. Dass Gasprom bei der OMV einsteigen könnte, hätten die Russen selbst dementiert: „Und es gibt auch keine verfügbaren Aktienanteile.“ Auch Gerüchte, dass die Borealis-Beteiligung verkauft werden könnte, wies Kemler zurück. „Es gibt keine Intentionen, Borealis zu verkaufen. Borealis bleibt ein Teil der OMV, mit der Minderheitsbeteiligung, die wir dort haben.“
Republik größter Einzelaktionär
Die Republik ist über die Österreichische Bundes- und Industriebeteiligungen GmbH (ÖBIB), bis vor wenigen Tagen noch Österreichische Industrieholding Aktiengesellschaft (ÖIAG), mit 31,5 Prozent an der OMV beteiligt. Zweitgrößter Einzelaktionär ist mit 24,9 Prozent die International Petroleum Investment Company mit Sitz in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate). Die Mehrheit der Aktien (43,3 Prozent) befindet sich in Streubesitz. Die vorzeitige Auflösung des Vertrags mit Roiss war bereits im Vorjahr beschlossen worden, Gründe wurden nach außen hin nicht genannt.
Neben Seele waren etwa im Magazin „Format“ auch der austro-deutsche Erdölmanager Bernhard Schmidt und der Schweizer Wintershall-Manager Martin Bachmann als Nachfolger gehandelt worden. Schmidt absolvierte die Montan-Uni im steirischen Leoben, war unter anderem beim Erdölgiganten Shell tätig, zuletzt beim Londoner Unternehmen Petroleum Equity. Bachmann ist seit 2009 Vorstandsmitglied bei Wintershall und leitet dort das Ressort Exploration und Produktion Middle East. Zwischendurch hatte es auch geheißen, Roiss könne doch länger bleiben, bis ein geeigneter Nachfolger gefunden sei.
Wintershall hoch profitabel
Der 1960 geborene Seele ist seit Oktober 2009 Chef der Wintershall Holding GmbH. Er studierte an der Universität Göttingen Chemie und begann seine Karriere in der Forschungsabteilung von BASF. Seit 2009 ist er Mitglied des Wintershall-Vorstands. Wintershall ist der größte Erdölproduzent Deutschlands, mit mehr als 2.500 Mitarbeitern in über 40 Nationen tätig und gehört zu den engsten Partnern des russischen Energieriesen Gasprom.
Die Deutschen haben einige Joint Ventures mit Gasprom und fördern selbst in Sibirien. Die Bestellung von Seele hat durchaus Brisanz: Der Gasprom wird - trotz Dementis - hartnäckig nachgesagt, einen unfreundlichen Einstieg bei der OMV zu planen. Wintershall ist hoch profitabel und hatte 2014 zum vierten Mal in Folge mehr als eine Milliarde Euro Gewinn geschrieben. Das Ergebnis nach Steuern lag bei 1,464 Milliarden Euro. Im Jahr davor, 2013, waren es sogar 1,730 Milliarden Euro.
Wintershall teilte mit, dass Seeles Vorstandskollege Mario Mehren, der selbst als möglicher neuer OMV-Chef gehandelt worden war, ab 1. Juli die Leitung von Wintershall übernehmen wird.
Kolportierte drei Mio. Euro zum Abschied plus Pension
Roiss habe jedenfalls „ausgesorgt“, so der „Standard“ am Donnerstag. Dem scheidenden OMV-Chef sei sein verfrühter Abgang „versüßt“ worden, er erhalte „2,964 Millionen Abfertigung, Pensionsansprüche exklusive“. Zu 2,34 Mio. Euro Gehalt kämen noch 624.000 Euro Urlaubsersatzleistung, berichtete die Zeitung unter Berufung auf den aktuellen OMV-Geschäftsbericht von 2014. Außerdem habe Roiss Anspruch auf eine weitere Million Euro Betriebspension. Dagegen nähmen sich Abfertigungen in der OMV-Chefetage nachgerade „bescheiden“ aus.
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