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Tausende Schaulustige

Kurz vor der erwarteten „Jahrhundertflut“ an der Nordwestküste Frankreichs haben sich bereits Tausende Schaulustige am Klosterberg Mont Saint-Michel am Ärmelkanal eingefunden. Rund 10.000 Menschen versammelten sich am Freitagabend an der französischen Weltkulturerbe-Insel.

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Die Polizei hatte Schwierigkeiten, die Menschenmassen, die in den letzten Minuten vor der Flut am Freitagabend noch Fotos machen wollten, zurückzuhalten. Am Samstag erreichte die „Jahrhundertflut“ am Mont Saint-Michel ihren ersten Höhepunkt: Fernsehbilder zeigten den Mont Saint-Michel Samstagfrüh völlig vom Festland abgeschnitten.

Auch über die Fußgängerbrücke, die das UNESCO-Weltkulturerbe in der Normandie mit dem Festland verbindet, schwappte das Wasser also eine ganze Zeit lang hinweg. Dann zog es sich erst einmal wieder zurück. Das seltene Naturereignis soll sich am Abend wiederholen, die Tide dann noch etwas höher sein.

Mont Saint-Michel

AP/David Vincent

Schaulustige am Vorabend auf der neuen Verbindungsbrücke

Besonders gut zu sehen

Das Naturschauspiel ist am Mont-Saint-Michel so fantastisch zu beobachten, weil dort die Halbinsel Cotentin am höchsten Punkt der Normandie und die bretonische Küste wie eine Art Trichter für das in den Ärmelkanal strömende Wasser wirkten. Schon zu normalen Zeiten ist der Tidenhub hier ganz deutlich höher als etwa an der Atlantikküste.

Die immense Wasserflut war aber auch an anderen Küstenabschnitten der Bretagne und der Normandie zu beobachten. So in Saint-Malo, das wegen seines historischen, von drei Seiten vom Wasser umspülten Stadtkerns und der beeindruckenden Festungsanlagen ein weiterer Touristenmagnet ist. Vorsichtshalber jetzt mit Sandsäcken gesichert, auch wegen der dort absehbaren höheren Wellen, kennt der Ort an der Smaragdküste das Phänomen des riesigen Tidenunterschieds gut. Er nutzt diesen seit langem schon in einem großen Gezeitenkraftwerk für Energiezwecke.

Karte vom Mont Saint-Michel

APA/ORF.at

Der sogenannte Tidenhub - der Unterschied zwischen Ebbe und Flut - soll dort über 14 Meter betragen. Das ist mehr, als ein vierstöckiges Haus hoch ist. Eine solche Springflut wird auch an Küstenorten in Großbritannien, Kanada und Australien erwartet. Gesprochen wird zwar von einer „Jahrhundertflut“, tatsächlich kommt ein vergleichbares Naturereignis aber alle 18 Jahre vor, was mit der Himmelskonstellation an dem jeweiligen Tag zusammenhängt.

„Ausdruck der Gesetze der Schwerkraft“

„Die Flut ist ein Ausdruck der Gesetze der Schwerkraft in dem von Erde, Sonne und Mond gebildeten System“, erläutert Flutexperte Nicolas Pouvreau von der französischen Meeresbehörde SHOM. Der stärkste Tidenhub weltweit mit bis zu 16 Metern wird in der Bucht von Fundy an der kanadischen Atlantikküste zu bestaunen sein. In Großbritannien soll das Wasser vor allem im Kanal von Bristol um mehr als 14 Meter steigen.

Sonne, Mond und Erde in einer Linie

Ebbe und Flut entstehen hauptsächlich durch die Anziehungskraft des Mondes. Die Gezeiten werden aber auch von der Sonne beeinflusst. Stehen Sonne, Mond und Erde in einer Linie, verstärken sich die Gezeiten. Das ist bei Neu- und Vollmond der Fall. Wenn sich die Gezeitenwirkungen von Sonne und Mond addieren, gibt es sogenannte Springtiden mit einem besonders hohen Flutberg und einer besonders niedrigen Ebbe. Die Gezeiten sind nicht überall gleich stark. Das hängt mit den geografischen Gegebenheiten zusammen. So werden sie unter anderem durch die Form der Küsten beeinflusst.

Mont Saint-Michel

Reuters/Pascal Rossignol

Blick aus der Luft auf den Klosterberg

Katastrophenübungen im Vorfeld

Am Klosterberg Mont Saint-Michel lautet eine Redensart, dass die Flut „mit der Geschwindigkeit eines Pferdes im Galopp“ daherkommt. Die Menschen an den Küsten sind daher zur Vorsicht aufgerufen, im Vorfeld fanden sogar Katastrophenübungen für den Fall von Überflutungen statt. Auch Flutexperte Nicolas Weber vom SHOM warnt, es sei „gefährlich - man soll sich nicht zu weit vorwagen“. Nach seinen Worten steigt das Wasser immerhin „schneller, als ein Mann rennt“.

Die letzte „Jahrhundertflut“ war am 10. März 1997. Am Samstag aber wird in Frankreich ein Flut-Koeffizient von 119 erwartet und damit der höchste je gemessene, wie die Meeresbehörde SHOM errechnete. Schon ein Koeffizient von über 110 gilt als selten und kommt nur an zwei Prozent aller Tage vor.

Bereits am 21. Februar hatte es eine besonders hohe Flut gegeben, eine weitere wird am 29. September erwartet. Beide kommen aber nicht an das Phänomen vom Wochenende heran. Die nächste „Jahrhundertflut“ ist erst wieder in 18 Jahren zu bestaunen, am 3. März 2033.

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