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„Ganze Gemeinden weggeblasen“

Schwerste Verwüstungen hat Wirbelsturm „Pam“ im Pazifikstaat Vanuatu angerichtet. Die Regierung des Inselstaats rief am Sonntag den Notstand aus, Präsident Baldwin Lonsdale bat die internationale Gemeinschaft dringend um Hilfe. In der Hauptstadt Port Vila wurden nach Angaben der Hilfsorganisation Oxfam bis zu 90 Prozent der Häuser beschädigt.

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Möglicherweise Dutzende Menschen kamen in dem Wirbelsturm der höchsten Kategorie fünf ums Leben. Nach offiziellen Angaben wurden bis Sonntag sechs Tote geborgen. Doch das UNO-Büro für die Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) ging Berichten über mindestens 44 Tote in nur einer Provinz nach. Wegen des Zusammenbruchs das Telekommunikationsnetzes war das Ausmaß der Schäden zunächst noch unklar.

Karte von Australien mit Vanuatu

ORF

„Vanuatu hat ein Desaster dieses Ausmaßes in seiner jüngeren Geschichte noch nicht erlebt“, sagte Sune Gudnitz, Chef des Pazifikbüros der OCHA. „Wir haben Tote gesehen, möglicherweise gibt es viele Tote, aber das können wir noch nicht sagen.“ Es gebe Berichte über „ausgedehnte Zerstörungen“, Trümmer auf den Straßen und großflächige Überschwemmungen.

Australien und Neuseeland sagten Millionenhilfen zu, ebenso die Vereinten Nationen und die Europäische Union. Laut dem UNO-Kinderhilfswerk UNICEF Neuseeland könnte „Pam“ eine der „schlimmsten Unwetterkatastrophe in der pazifischen Geschichte“ sein. Ähnlich äußerte sich Oxfam-Direktor Colin Collet van Rooyen. Der Bedarf an humanitärer Hilfe werde „riesig“ sein, ganze Gemeinden seien regelrecht „weggeblasen“ worden, sagte Collet van Rooyen.

Näher an Port Vila als vorhergesagt

Der Zyklon „Pam“, einer mächtigsten Zyklone aller Zeiten, war in der Nacht auf Samstag über den Südpazifik gefegt. Der Wind wirbelte mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 300 Kilometern in der Stunde und riss alles mit. Laut australischem Wetterdienst änderte „Pam“ in letzter Minute die Richtung und zog näher an Port Vila vorbei als vorhergesagt. Auf der Hauptinsel leben rund 65.000 Menschen.

Auch Nachbarstaaten Vanuatus meldeten schwere Schäden, darunter Neukaledonien und die Salomonen-Inseln. In Tuvalu seien 45 Prozent der 10.000 Einwohner schwer getroffen, sagte Regierungschef Enele Sopoaga im neuseeländischen Rundfunk. „Wir machen uns Sorgen, ob Nahrung, Trinkwasser und Arzneimittel reichen.“ Am Sonntag nahm der Zyklon Kurs auf Neuseeland. Der Wetterdienst warnte vor Sturmfluten.

Küste in Port Vila (Vanuatu)

AP/Xinhua, Luo Xiangfeng

Die Küste von Port Vila ist mit Trümmern übersät

Notunterkünfte überschwemmt

Rotkreuz-Regionalchefin Aurelia Balpe berichtete von unbestätigten Angaben über Opfer in Port Vila. Größere Sorgen bereiteten allerdings die entlegeneren Inseln weiter südlich, wo mehr als 33.000 Menschen leben und das Kommunikationsnetz zusammenbrach. „Wir machen uns langsam ein Bild von Port Vila, aber es gibt keine Informationen aus dem Süden.“

Küste in Port Vila (Vanuatu)

AP/World Vision

Tausende Menschen wurden obdachlos

Save-the-Children-Mitarbeiter Tom Skirrow berichtete aus Port Vila von „völliger Zerstörung - Häuser sind zerstört, Bäume entwurzelt, Straßen blockiert, und Menschen irren auf den Straßen umher auf der Suche nach Hilfe“. Das Ausmaß werde erst in einigen Tagen klar sein. Charlie Damon von Care International berichtete von überschwemmten Notunterkünften. „Wenn das das Ausmaß für Gemeinden mit Notunterkünften ist, sind wir zutiefst besorgt darüber, was in abgelegeneren Gemeinden ohne solche Einrichtungen passiert ist.“

UNICEF-Sprecherin Alice Clements sprach im Sender Radio New Zealand von „15 bis 30 Minuten absoluten Schreckens“. UNICEF-Neuseeland-Chefin Vivien Maidaborn erklärte, es handle sich möglicherweise um die bisher größte Unwetterkatastrophe in der Pazifikregion. Es sei zu befürchten, dass Tausende Menschen betroffen seien. In ihrem Hotel sei die Schiebetür ihres Zimmers „komplett weggeblasen“ worden - „es war erschreckend“.

Verwüstes Gebiet in Vanuatu

APA/AP/UNICEF Pacific, Humans of Vanuatu

Dächer wurden durch die Luft geschleudert

Erste Hilfslieferungen eingetroffen

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, es seien „großflächige Zerstörungen“ zu befürchten. Den betroffenen Menschen sprach er sein Mitgefühl aus. Vanuatus Präsident Lonsdale bat bei einer Konferenz der Vereinten Nationen zum Umgang mit Naturkatastrophen und Klimawandel im japanischen Sendai am Samstag um internationale Hilfe. „Unsere Hoffnung auf eine blühende Zukunft ist zerstört“, sagte Lonsdale um Fassung ringend vor den Delegierten der UNO-Konferenz.

Aus Neuseeland und Australien landeten am Sonntag erste Frachtmaschinen mit Hilfsgütern auf Vanuatus Hauptinsel Efate. Die Europäische Union stellte eine Million Euro bereit, weitere Millionenspenden kamen von Großbritannien und Australien, das auch Hilfsteams ins benachbarte Tuvalu schickte.

Verwüstes Gebiet in Vanuatu

APA/AP/UNICEF Pacific, Humans of Vanuatu

Die Hauptstadt Port Vila wurde weitgehend zerstört

250.000 Menschen auf 80 Inseln

Während der wärmeren Monate kommt es im Pazifik immer wieder zu Wirbelstürmen. Vor einem Jahr hatte der Zyklon „Lusi“ auf Vanuatu schwere Schäden angerichtet, elf Menschen kamen ums Leben. Der bisher stärkste Sturm in der Region war dem Wetterdienst in Fidschi zufolge „Zoe“ im Jahr 2002.

Der Inselstaat Vanuatu liegt rund drei Flugstunden nordöstlich von Brisbane an der australischen Ostküste. Auf rund 80 Inseln leben etwa eine Viertelmillion Menschen. Anders als andere Pazifiknationen hat Vanuatu Berge und Hochplateaus. Ein Drittel des Landes liegt auf einer Höhe von mehr als 300 Metern. Die meisten Menschen wohnen aber an den Küsten. Im November 2013 war der Taifun „Haiyan“ vom Pazifik über die Philippinen hereingebrochen. Mehr als 7.000 Menschen kamen ums Leben. „Haiyan“ war der bisher stärkste Taifun, der je an Land gekommen ist.

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