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Clara Luzia und das Gefühl des „Bettelns“

Die Singer-Songwriterin Clara Luzia zählt zu den Größen der heimischen Indie-Szene. Ihr letztes Album „We are Fish“ brachte sie aus eigener finanzieller Kraft auf den Markt - bei ihrem neuen CD-Projekt zählt sie auf die Unterstützung ihrer Fans.

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Während die Crowd auf Indiegogo.com zur finanziellen Beteiligung aufgerufen wird, sind die Studioaufnahmen dafür schon im vollen Gange. Produziert wird diesmal in London und Wien, mit reduzierter Besetzung und neuem Sound, erzählt Clara Luzia im ORF.at-Interview.

ORF.at: Wie kam denn die Idee, das aktuelle Album via Crowfunding mitzufinanzieren?

Clara Luzia: Mir wurde irgendwann klar, dass es illusorisch ist, dass ich das diesmal allein stemmen kann. Früher habe ich die Plattenaufnahmen aus meinem Nebenjob bei der APA finanziert und mir von meinen Eltern Geld geliehen. Aber nachdem ich im Vorjahr kündigte und auch die Unterstützung meiner Eltern diesmal wegfiel, brauchte ich dringend eine Alternative. Ich dachte, bevor ich am Ende dastehe und die Platte nicht pressen kann, weil ich einfach kein Geld mehr habe, muss ich mir irgendwas überlegen. Da war Crowdfunding die einzig machbare Idee, die mir gekommen ist.

ORF.at: Gab’s Leute in Ihrem Umkreis, die damit gute Erfahrungen gemacht haben?

Clara Luzia: Ich wusste von Hubert Maurachers Kampagne und von The Beth Edges, aber ich habe sie absichtlich nicht gefragt, weil ich dachte, ich will’s eigentlich gar nicht wissen. Ich war nie ein großer Fan von Crowdfunding, weil ich dachte, das ist total mühsam und zeitaufwendig. Aber ich habe einfach keine Alternative gesehen. Ich tu mir grundsätzlich schwer damit, um Hilfe zu bitten - und da bitte ich noch lieber eine anonyme Internetmasse um Hilfe, als dass ich meine Freundinnen um Geld anschnorre.

ORF.at: Man könnte auch sagen, die Leute werden nicht angeschnorrt, sondern investieren in ein künstlerisches Produkt.

Clara Luzia: Ja, eh. Vielleicht betrachte ich das falsch. Für mich war Crowdfunding immer ein rotes Tuch, weil ich es als eine Art Bettelgang gesehen habe, aber es ist ja eh ein Geben und Nehmen. Aber es ist schon ein Vertrauensvorschuss, sie schießen mir das Geld vor und bekommen das Produkt erst im September, wenn das Album da ist. Und das finde ich schon bemerkenswert.

ORF.at: Ist das ein speziell österreichisches Mentalitätsproblem?

Clara Luzi: Ja, das glaube ich tatsächlich. Ich bin hier sicher nicht allein mit dem latenten Gefühl, zu betteln. Und ich glaube, wir alle tun uns immer wahnsinnig schwer damit, über Geld zu sprechen. Das tut niemand gern und niemand will offenlegen, wie viel Geld er oder sie braucht - aus Angst, sich für die hohen Produktionskosten rechtfertigen zu müssen. Aber das Gegenteil ist der Fall, ich habe nur positive Rückmeldungen bekommen dafür, dass ich meine Kosten für das neue Album so detailliert aufliste. Die meisten sagen, sie hatten ja keine Ahnung, was das alles kostet.

ORF.at: Wie viel investieren die Menschen durchschnittlich und wie viel bleibt denn am Ende übrig?

Clara Luzia: Auf der Plattform Indiegogo, wo ich ja bin, stand, dass der Durchschnittswert pro Spende generell bei 40 Euro liegt, und das kann ich nur bestätigen. Aber es ist nicht so, dass man am Ende das Geld bekommt, das man dort angibt. Es sind Gebühren zu zahlen und versteuern muss man’s auch, es bleibt ja dann eh nicht wirklich viel über. Man muss also vorher schon so kalkulieren, dass die Summe übrigbleibt, die man braucht.

ORF.at: Sie haben einen relativ geringen Betrag angegeben im Vergleich zu den gesamten Produktionskosten. Warum?

Clara Luzia: (lacht) Naja, ich wollte die Leute nicht gleich überfordern. Ich dachte, wenn ich da jetzt reinschreibe, ich brauch 20.000 Euro, werden die sagen: Oida, was machst denn du? Mir ist ja klar, dass die wenigsten wissen, was so eine Produktion wirklich kostet, deshalb habe ich auch relativ genau alles aufgelistet. Einen Teil habe ich ja schon bezahlt. Und wenn ich das Ziel erreiche, werden etwa 6.000 Euro überbleiben, mit denen ich gerade die Kosten für das Presswerk decken kann. Aber das ist ja schon ein Brocken. Wie ich den Rest bezahlen werde, weiß ich noch nicht genau.

ORF.at: Manchmal kommt ja auch weit mehr zusammen als der angegebene Zielbetrag.

Clara Luzia: Das ist eine Möglichkeit. Ich glaube hingegen nicht einmal, dass ich die 8.500 erreiche, aber wer weiß. Ich dachte am Anfang, es kann jetzt alles passieren: dass ich 20 Euro einsammle oder wenn ich Glück habe, das Ziel erreiche. Ich hatte überhaupt keine Vorstellung. Aber ich muss sagen, ich bin extrem positiv überrascht. Schon in den ersten fünf Stunden sind 20 Prozent des Betrags hereingekommen. Ich muss zugeben, da saß ich heulend vor dem PC, so gerührt war ich. Aber ich habe halt auch das Glück, dass ich ein extrem super Publikum habe, das ist mir eh schon oft aufgefallen.

ORF.at: Wie viel Aufwand ist denn mit der Kampagne verbunden?

Clara Luzia: Also vor dem Versand fürchte ich mich schon ein bisschen, aber ich weiß nicht, wie viele Leute sich im Endeffekt beteiligen werden. Vielleicht 130 oder 140, wenn’s hoch hergeht 400 Menschen. Mein Gott, dann muss ich halt drei- bis vierhundert Packerl herrichten und versenden. Das wird schon einige Zeit in Anspruch nehmen. Ich glaube, das ist auch der größte Brocken. Jetzt ist es eher ein Selbstläufer. Natürlich, ich schreibe immer Dankes-E-Mails an alle, die etwas gespendet haben, das kostet auch Zeit, aber ein bisschen Betreuung finde ich schon angemessen. Denn die Leute haben sich ja auch die Zeit genommen, sich das anzusehen und Geld zu schicken.

ORF.at: Warum haben Sie Sich für diese Plattform entschieden?

Clara Luzia: Mir haben die Infrastruktur und das Layout am meisten zugesagt, auch, dass man zwischen flexiblem und fixem Zielbetrag wählen kann. Ich habe den flexiblen Zielbetrag gewählt, das heißt, auch wenn die Zielsumme nicht erreicht wird, kann ich alles behalten, nur zahle ich dann eben mehr Gebühren. Das fand ich sympathischer, weil ich nicht sicher war, wie mein Publikum das annimmt. Ich weiß, dass mein Publikum altersmäßig sehr gestreut ist. Viele bewegen sich nicht so regelmäßig im Internet, haben daher auch kein Paypal-Konto. Jetzt zahle ich mehr Gebühren, dafür wird mir jeder Cent sofort überwiesen - und ich kann das Geld jetzt gleich ausgeben. Bei einem Fixbetrag bekäme ich das Geld erst, wenn die Kampagne vorbei ist.

ORF.at: Wie lange dauert es denn, bis sich ein neues Album durch Verkauf und Konzerte wieder hereinspielt?

Clara Luzia: Das kann ein paar Monate dauern - oder im schlimmsten Fall ein bis zwei Jahre. Wenn gleich nach dem Release eine Tour folgt, kommen die Kosten für die Plattenproduktion eigentlich relativ schnell wieder herein - gar nicht so sehr über den Handel, sondern vor allem bei den Livekonzerten. Wenn ich bisher Geld von meinen Eltern ausgeborgt habe, habe ich das sehr schnell wieder zurückzahlen können.

ORF.at: Diesmal müssen Sie das Geld nur in Form von Aufmerksamkeit zurückzahlen.

Luzia: Ja genau, anstatt einen Kredit zurückzuzahlen, muss ich halt jetzt Packerl machen (lacht). Aber ich habe bemerkt, dass das schon etwas sehr Schönes hat, wenn du so in Kontakt kommst mit den Leuten, die deine Musik mögen.

ORF.at: Was erwartet die Crowd denn im September? Können Sie schon etwas über das neue Album sagen?

Clara Luzia: Musikalisch wird es für mich ein ziemlicher Soundwechsel, allein schon durch die Besetzung, weil wir es diesmal nur zu dritt einspielen – mit Gitarre, Bass und Schlagzeug. Dadurch wird es recht knochig. Ich habe auch noch nie so sehr auf den Gitarrensound geachtet. Das liegt aber auch an Julian Simmons, unserem Produzenten, der maßgeblich für den neuen Sound verantwortlich ist. Ich habe ihm ungefähr beschrieben, wo ich hin will und er hat das wunderbar umgesetzt. Und im April gibt’s voraussichtlich schon die erste Single.

Das Gespräch führte Judith Hoffmann, ORF.at

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