Nur temporäre Angelegenheit
Ein Leben lang denselben Job zu haben - das ist für viele unvorstellbar. Solche „Saurier“ gehören zu einer aussterbenden Spezies, zu der maximal noch die Großelterngeneration zählte. Deren Kinder wechselten dann schon fünf- bis sechsmal den Arbeitgeber, und für die Generation, die nun fest im Arbeitsleben steht, sind acht bis neun verschiedene Arbeitgeber während des Berufslebens keine Seltenheit.
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Das jedenfalls ist die Einschätzung der Personalberaterin Charlotte Eblinger. Sie muss es wissen, denn ihren Beruf würde es schließlich gar nicht geben, wenn Menschen nicht ihren Job wechseln würden, wie sie selbst sagt. Eblinger sucht im Auftrag von Firmen nach geeignetem Personal, vorwiegend Führungspersonal.
Alles dreht sich um Loyalität
Dass Arbeitnehmer heute häufiger ihren Job wechseln als früher, hängt für sie von vielen Faktoren ab. Was „zu oft“ ist und wer damit als Jobhopper verschrien ist, lässt sich pauschal nicht beantworten. „Es gibt Branchen oder Industrien, wo es üblich ist, den Job zu wechseln, um den nächsten Karriereschritt zu machen“, so Eblinger. In der Pharmabranche sei eine Verweildauer von drei Jahren beispielsweise „vollkommen normal“.
„Wir haben natürlich einen massiven Wandel hinter uns“, so Eblinger. Ein Wandel, der vielen Einflüssen unterliegt, bei dem sich aber alles um ein Thema dreht: Loyalität. Und die ist keine einseitige Angelegenheit: Wie loyal ein Mitarbeiter gegenüber seinem Unternehmen eingestellt ist, hänge stark davon ab, wie loyal das Unternehmen ihm gegenüber ist, so Eblinger. Gegenüber seinem Arbeitgeber so lange loyal zu sein, bis er einen rauswirft, sei „fast gefährlich“. Für sie ist Loyalität im Berufskontext etwas Temporäres - ein Commitment auf Zeit, so lange gültig, „bis man nicht mehr mag“. Eine Einstellung, die ja durchaus dem Zeitgeist entspricht, sind ähnliche Tendenzen ja auch in privaten Beziehungen zu sehen.
Eine Generation, die gelobt werden will
Keine andere Generation symbolisiert dieses Ablehnen von dauerhaften Commitments so sehr wie die Generation Y, also jene zwischen den späten 70ern bis späten 90ern geborenen, alles wollenden, von sich selbst überzeugten, unabhängigkeitsliebenden jungen Erwachsenen. Sind die Millennials, wie sie auch gern genannt werden, eine Generation der Jobhopper?
Für sie ist die Bindung zum Arbeitgeber oft nicht das oberste Ziel, so Eblinger. Zumal ihr Einstieg in den Job durch schlecht bezahlte Praktika und atypische Arbeitsverhältnisse ja ohnehin nicht dem traditionellen Muster folgt. Für ihre Vorgesetzten sind die Millennials jedenfalls eine Herausforderung. „Da prallen zwei Welten aufeinander“ - „verhätschelte Einzelkinder“, die für jede besondere Tat ein ebenso besonderes Lob erwarten, wie es Eblinger überspitzt formuliert, versus einer Generation, für die keine Kritik schon Lob genug ist.
„Einen jungen Studenten kündigen ist kein Problem“
Die Expertin sieht auch eine gewisse Orientierungslosigkeit, hervorgerufen durch eine derart große Zahl an Berufsmöglichkeiten und gepaart mit dem Unwissen darüber, was man in diesen Berufen denn eigentlich macht. Die Folge: Man steigt in einen Job ein, nur um nach kurzer Zeit draufzukommen, „das ist nichts für mich“, so Eblinger. Sich vorher besser zu informieren, schadet wohl nicht.
Gleichzeitig stehen junge bzw. vergleichsweise neue Mitarbeiter auch vor einem anderen Dilemma: Muss ein Unternehmen sparen oder umstrukturieren, dann ist es mit der Loyalität vonseiten des Arbeitgebers schnell vorbei. Genau diese Mitarbeiter bekommen das als erste zu spüren. „Einen jungen Studenten zu kündigen ist in unserer Welt sozial verträglich, kein Problem! Der findet schon was. Da hat keiner ein schlechtes Gewissen!“, so Eblinger. Ein Jobhopper ist das also nicht immer automatisch freiwillig - aber, so Eblinger, darüber wird nicht gerne geredet.
Eine Generation - viele Typen
Wenn der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier nach dieser Generation Y gefragt wird, dann holt er erst einmal zu einer Erklärung aus. Für ihn ist der Begriff, so wie er landläufig verwendet wird, nämlich „unsinnig“. Es gebe kein einheitliches Generationenbild, sondern unterschiedliche Typen, so der Vorstand des Instituts für Jugendkulturforschung. Etwa 40 Prozent junger Menschen entsprächen einem postmodernen, neuen Sozialisationstyp - von denen seien aber nur die Hälfte wirklich den digitalen Individualisten der Generation Y zuzurechnen. Also einer Gruppe, die sich um keinen Preis auf irgendetwas festlegen möchte.
Die zwei weiteren bedeutenden Typen sind konservativ-bürgerliche und adaptiv-pragmatische Menschen, die sich sehr wohl harmonische Verhältnisse wünschen und ganz im Gegenteil sogar „bindungssüchtig“ seien, so Heinzlmaier.
Loyal, „wenn’s was bringt“
Die eigentlichen Millennials sind für ihn eine Minderheit im postmodernen Generationengefüge - gut ausgebildet, aus guten Familien kommend und karriere- und erfolgsorientiert. Also die High Potentials für Unternehmen. Wenn da nicht das Problem wäre, dass sie hochgradig unverbindlich sind und „an nichts mehr glauben“, so der Jugendforscher. Weder an die Versprechen der Politik noch an die des Unternehmens. Im Mittelpunkt steht für sie das Selbstverwirklichungsbedürfnis und beinharte Nutzenmaximierung - Loyalität gilt nur, „wenn’s was bringt“.
Für Heinzlmaier haben sich die Kräfteverhältnisse verschoben. Diese Arbeitnehmer treten selbstbewusster auf, fordern mehr, und Unternehmer müssen sie umwerben - Folgen der Deregulierung und Liberalisierung des Arbeitsmarktes, glaubt Heinzlmaier. Wie mit ihnen umgehen? Heinzlmaier sieht die Unternehmen in der Defensive - eigentlich könnten sie nichts tun, um diese Mitarbeiter zu halten. „Da investiert man viel Geld in deren Ausbildung, und die sagen dann, das hat mich sehr gefreut, und ich geh jetzt.“
Ein Unternehmen mit 70 Prozent Millennials
Ganz so schlimm ist es dann aber doch nicht. Oder zumindest nicht für alle. Elizabeth Hull ist Personalleiterin bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) Österreich, ein Unternehmen, das mehrfach für sein Recruiting ausgezeichnet wurde. PwC zählt zu den Unternehmen, die sich den Herausforderungen dieser neuen Arbeitskräftegeneration stellen müssen, denn mittlerweile zählen etwa 70 Prozent der weltweiten Belegschaft zu den Millennials, so Hull. Das Durchschnittsalter liege bei etwa 27 Jahren.
Die Belegschaft ist deshalb so jung, weil viele bei PwC noch während ihres Studiums mit einem Praktikum zu arbeiten beginnen oder dort direkt als Uniabsolvent einsteigen. Etwa 60 bis 70 Prozent der Neueinsteiger kommen „mit relativ wenig Berufserfahrung“ zu dem Unternehmen, so Hull. „Und da gehört es natürlich dazu, dass einige davon nach ein paar Jahren auch weiterziehen, dass sie PwC gewissermaßen als Ausbildungsstätte sehen, als ersten wichtigen Karriereschritt.“ Jobhopper seien das deswegen aber noch keine.
Der Ex-Mitarbeiter als Botschafter
Loyalität ist für Hull etwas, das nicht beim Wechsel des Arbeitgebers enden muss - PwC versucht langjährige Beziehungen nicht nur zu den Mitarbeitern, sondern auch zu den Alumnis, also den ehemaligen Mitarbeitern, zu pflegen. Diese gegenseitige Loyalität sei dem Unternehmen „extrem wichtig“. Die Alumnis werden als eine Art Botschafter gesehen, „damit andere gute, talentierte Menschen dann zu uns kommen“. Oder sie werden irgendwann zum Kunden.
Man versuche, sehr offen und positiv damit umzugehen, dass Leute nach drei oder fünf Jahren nicht mehr im Unternehmen sein werden. „Man darf halt nicht von jedem erwarten oder sich wünschen, dass das die einzige (Karrierestation) sein wird“, so Hull. Das passe für manche - was okay sei, solange nicht auf das lebenslange Lernen vergessen wird -, aber eben nicht für alle.
Nur kein Stillstand
Vergessen wird auf das lebenslange Lernen bei PwC - unabhängig von der Zugehörigkeitsdauer - jedenfalls nicht, dafür sorgt das Unternehmen: Schulungen beginnen bereits im ersten Praktikumsjob, das internationale Firmengeflecht ermöglicht Auslandsaufenthalte an Standorten auf der ganzen Welt und die Teilnahme an den unterschiedlichsten Projekten. Möglichkeiten, so Hull, gibt es genug, um ja nicht zu stagnieren. Auch in 20 Jahren nicht, da winkt dann am Ende vielleicht sogar schon die Partnerschaft.
Die Wechselbereitschaft, so Hull, mag in der jüngeren Generation schon höher sein. Höher sind auch deren Erwartungen und Forderungen. Im Fall der Erwartungen manchmal auch zu hoch. Für Führungskräfte sei es dann nicht einfach, dem Mitarbeiter zu sagen, „dass etwas mehr Erfahrung und Zeit auch wertvolle Kriterien sind in der beruflichen Entwicklung“. PwC versucht jedenfalls, auf die Bedürfnisse zu reagieren, eine intensive Feedbackkultur zu betreiben, Trainings anzubieten und Generationenstudien durchzuführen.
Der Vorteil liegt für Hull klar auf der Hand: Sich mit den unterschiedlichen Mindsets und Generationentypen auseinanderzusetzen und darauf entsprechend zu reagieren, bringe Vorteile im Bereich Engagement, aber auch Gewinnmarge. „Das bedeutet nicht, dass mehr Zeit draufgeht oder dass es mehr kostet, sondern das Team wird effizienter und gewinnbringender.“ Und durch eine gute Feedback-Kultur erhöhe sich auch die Verweildauer.
Auch Arbeitgeberseite verändert sich
Und schließlich muss sich das Unternehmen ja auch darauf einstellen. Denn gewachsen sind nicht nur die Anforderungen der potenziellen Arbeitnehmer - verändert hat sich mit ihnen auch die Konkurrenz auf dem Arbeitgebermarkt. Anstatt in ein großes traditionsreiches Unternehmen zu streben, bevorzugen viele der Nachwuchskräfte Start-ups, dynamisch-kleinere Strukturen, ganz den ihnen zugeschriebenen Eigenschaften entsprechend, so Hull. PwC hat laufend einen hohen Bedarf an neuen Mitarbeitern, und ganz so einfach, meint Hull, sei es auch nicht, die richtigen zu finden.
Petra Fleck, ORF.at
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