„Enger Zusammenhang“ entscheidend
Der Kunstrückgabebeirat wird in seiner Sitzung am Freitag „sehr wahrscheinlich“ eine Empfehlung zum „Beethovenfries“ von Gustav Klimt abgeben. Das bestätigte der Beiratsvorsitzender Clemens Jabloner im Vorfeld. Für den späten Vormittag ist ein Pressekonferenz angesetzt, bei der die Entscheidung erläutert wird.
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In der bisher letzten Sitzung am 4. Dezember 2014 hatte der Beirat über das von der Kommission für Provenienzforschung erarbeitete umfassende Dossier noch nicht entscheiden wollen. Die Zeit seither habe man für umfassendes Studium und juristische Bewertung der Unterlagen intensiv genutzt, so Jabloner. Ausschlaggebend ist laut novelliertem Kunstrückgabegesetz ein „enger Zusammenhang“ zwischen dem Ausfuhrverfahren und dem Ankauf durch die Republik.
Dass der Beirat sich in seiner kommenden 75. Sitzung auch drei weitere Dossiers über mögliche Rückgaben aus dem Museum für angewandte Kunst (MAK) an die Erben nach Wilhelm Kimbel, Alice Stein und Ferdinand Bloch-Bauer zur Beratung vorgenommen hat, kann ebenfalls als Indiz gewertet werden, dass die Entscheidungsfindung weit vorangeschritten ist.

APA/Roland Schlager
Seit 1986 wird der Wandzyklus im Keller der Secession ausgestellt
Hauptwerk des Wiener Jugendstils
Das 1902 entstandene monumentale Wandgemälde, das als ein Hauptwerk des Wiener Jugendstils gilt, ist seit 1986 (wieder) in der Secession untergebracht und gehört zur Sammlung des Belvedere. Der ursprünglich nur als Dekorationsmalerei gedachte Zyklus sollte nach der Ausstellung 1902 abgetragen werden. Der Mäzen Carl Reininghaus, der das Kunstwerk kaufte, sorgte aber dafür, dass der Fries erst nach Beendigung der Klimt-Retrospektive im November 1903 (XVIII. Ausstellung) samt Unterbau aus Schilfrohr und Lattenrost in acht Teile zersägt und von der Wand genommen wurde. Nachdem der Fries zwölf Jahre in einem Möbeldepot in Wien gelagert wurde, verkaufte ihn Reininghaus 1915 über Vermittlung von Egon Schiele an den jüdischen Industriellen August Lederer und dessen Gattin Serena.
Ihre Kunstsammlung ist als wichtigste und größte private Sammlung von Werken Gustav Klimts in die Kunstgeschichte eingegangen - der Künstler ging bei der Familie auch ein und aus. August Lederer starb 1936, Sammlerin Serena Lederer, die nach dem „Anschluss“ unter Hinweis auf ihre ungarische Staatsangehörigkeit eine Anmeldung ihres Vermögens unterließ und versuchte, ihre Angelegenheiten in Wien zu regeln, musste 1939 vor den Nazis nach Ungarn flüchten, wo sie 1943 starb.
„Mehrere Widmungen abgepresst“
„Ihrem Sohn Erich wurden nach dem Krieg als Gegenleistung für Ausfuhrgenehmigungen der um die meisten ihrer wertvollsten Stücken beraubten Sammlung mehrere - überaus bedeutende - Widmungen abgepresst“, schreibt die Restitutionsforscherin Sophie Lillie in ihrem „Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen“. Erich Lederers Vorschlag, den „Beethovenfries“ unter Verzicht auf alle anderen Stücke ausführen zu dürfen, wurde vom Bundesdenkmalamt abgelehnt. Auch sein Wunsch, den Fries im Foyer der Wiener Staatsoper aufzustellen, blieb unerfüllt.
Nach zahlreichen Versuchen Lederers, die Rückgabe zu erreichen, wurde das Kunstwerk schließlich 1972 um 15 Millionen Schilling von der Republik gekauft. Erben der Familie Lederer beantragten 2013 erneut die Rückgabe: „Erich Lederer hat 28 Jahre lang um die Aufhebung des Ausfuhrverbots gekämpft“, so Anwalt Marc Weber, der einige der Erben vertritt. Letztendlich habe Lederer aber resigniert und den Fries an den einzig möglichen Käufer, die Republik Österreich, verkauft, argumentiert Weber. Der Staat habe eine „Zermürbungstaktik“ verfolgt. Die Vertreter der Künstlervereinigung Wiener Secession halten eine Rückgabe des Kunstwerks dagegen für nicht gerechtfertigt.
Sammlung bereits zweimal Thema
Zweimal beschäftigte sich der Beirat in der Vergangenheit bereits mit Werken aus der Sammlung Lederer, zu der einst auch der Fries gehörte: 1999 und 2012. Im Mai 1999 wurde die Rückgabe von zehn Kunstwerken empfohlen: Gentile Bellinis Gemälde „Kardinal Bessarion verehrt die Kreuzreliquie“ aus den Beständen des Kunsthistorischen Museums, drei Aquarelle von Moritz von Schwind mit Motiven aus der Zauberflöte und sechs Zeichnungen von Egon Schiele aus den Beständen der Albertina.
Der vom Gesetz geforderte enge Zusammenhang zwischen der 1950 vorgenommenen Schenkung dieser Kunstwerke und der Erlaubnis zur Ausfuhr des Hauptbestandes des erhalten gebliebenen übrigen Teils der Kunstsammlung von August und Serena Lederer war für den Beirat erwiesen.
Damals war der Beirat „der Ansicht, dass der ,Beethovenfries‘ von Gustav Klimt nicht einer Restitution unterliegen kann, da dieses Kunstwerk erst 1973 gegen einen damals durchaus angemessenen Preis angekauft wurde. Die im Jahre 1985 erfolgte Schenkung von 14 Studien zum ,Beethovenfries‘ durch Elisabeth Lederer bzw. das Legat der Genannten aus der im Jahre 1989 zugunsten der Albertina indizieren nach Ansicht des Beirates volles Einverständnis der Familie Lederer mit dem 1973 erfolgten Kaufvertrag über den Fries.“
Bereits einmal Entscheidung revidiert
Die damaligen Beiratsmitglieder Ilsebill Barta, Peter Zetter und Artur Rosenauer, die dem Gremium weiterhin angehören, haben bereits einmal eine in der Sitzung von Mai 1999 getroffene Entscheidung revidiert: Im November 2012 wurden nämlich auch drei in der Albertina aufbewahrte Aquarelle von Franz Xaver Petter zur Restitution empfohlen, da ein von den Lederer-Erben erst 2011 vorgelegtes Schreiben des damaligen Albertina-Direktors aus dem Juli 1951 den vom Gesetz geforderten Zusammenhang mit einem Ausfuhrverbot nahelegte, obwohl Lederer 1956 in einem Schreiben die Freiwilligkeit seiner Schenkung festhielt.
Eine Restitutionsvariante, die zuletzt im Leopold Museum (das als Privatstiftung nicht den Bestimmungen des Kunstrückgabegesetzes unterliegt) immer wieder für Diskussionen sorgte, kommt beim „Beethovenfries“ nicht in Betracht: Dass die in der Washingtoner Erklärung vom 3. Dezember 1998 geforderte „gerechte und faire Lösung, wobei diese je nach den Gegebenheiten und Umständen des spezifischen Falls unterschiedlich ausfallen kann“, auch eine finanzielle Einigung sein kann, ist im Kunstrückgabegesetz nicht vorgesehen. Ein Kunstwerk ist schlicht zurückzugeben. Oder eben nicht.
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