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Bisher abgelehnt, nun „vorstellbar“

Von der SPÖ kommt kein kategorisches Nein zu einer „Verländerung“ der Bundeslehrer mehr. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sagte am Dienstag nach dem Ministerrat, auch Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) könne sich vorstellen, „die Kompetenzen neu zu ordnen“. Es sei aber noch zu früh, diese Frage abschließend zu beurteilen.

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Aus Heinisch-Hoseks Mund hatte das zuvor anders geklungen. Sie hatte die Vorfreude der Landeshauptleute in Sachen „Verländerung“ der Bundeslehrer am Dienstag vor dem Ministerrat als „verfrüht“ bezeichnet. Im Mittelpunkt der Verhandlungen stehe die Schulautonomie - wer künftig die Schulverwaltung übernehme, sei offen. Sowohl Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) als auch sein wahlkämpfender burgenländischer Kollege Hans Niessl (SPÖ) hatten eine entsprechende Einigung bereits als unausweichlich dargestellt.

Schmied warnte eindringlich

Derzeit sind die Strukturen im Schulwesen zersplittert: Die Pflichtschullehrer werden von den Ländern angestellt, die Lehrer höherer Schulen vom Bund, der allerdings auch die Landeslehrer bezahlt. Die Landeshauptleute drängen bereits seit längerem darauf, auch die Bundeslehrer anstellen zu dürfen. Kritiker warnen in diesem Fall vor der Parteipolitisierung des Schulwesens. Noch vor ein paar Jahren gehörte die SPÖ zu den erbittertsten Kritikern eines solchen Modells.

Die frühere SPÖ-Bildungsministerin Claudia Schmied warnte etwa vor der Übertragung der Schulverwaltungskompetenzen an die Landeshauptleute als „Ende jeder Bildungsreform“. Bildungspolitische Maßnahmen hätten zu 90 Prozent mit dem Lehrereinsatz beziehungsweise dessen budgetärer Steuerung zu tun, so Schmied zur APA. Nach diesem Konzept könne sie sich als Ministerin „zwar etwas wünschen, aber nicht mehr garantieren, dass es auch in den Klassen ankommt“.

„Experten, Eltern und Wirtschaft“ nun egal?

Die damals von der ÖVP - und da wieder vor allem von Pröll - vorangetriebenen Wünsche nach einer Verländerung der Schulen würden allen Empfehlungen des Rechnungshofs und der OECD widersprechen, so Schmied im November 2010. Bei den Wünschen gehe es den Ländern nur um „Machtfragen“ - gegen „die Meinung der Experten, der Eltern und der Wirtschaft“. Wenn der Bund die Steuerung der Bildungspolitik komplett aufgebe, gebe es keine Garantie dafür, Maßnahmen in ganz Österreich durchzusetzen.

Nun erklärte Faymann, man könne die Kompetenzen im Schulwesen trennen und trotzdem die zentrale Kontrolle und Aufsicht über Bildung und Bildungsprojekte aufrechterhalten. „Da geht es nicht um Verländerung oder Zentralisierung“, so der Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzende. „Harte Arbeit in den Details“ sei gefordert. Dafür, das mögliche Resultat „abschließend zu beurteilen“, sei es „zu früh“.

Arbeitsgruppe vertagte sich - nur „Nebenthema“

Auch die Bildungsreformarbeitsgruppe der Regierung vertagte am Dienstagabend ihre Gespräche. Man habe ein Expertenpapier entgegengenommen, das es nun auf technischer Ebene durchzurechnen und zu bewerten gelte, so die Teilnehmer nach dem Termin übereinstimmend vor Journalisten. Die Lehrerkompetenzen seien „kein Thema“ bzw. höchstens ein „Nebenthema“ gewesen.

Das „Grobpapier“ (Wissenschaftsstaatssekretär Harald-Mahrer/ÖVP) enthält vor allem Überlegungen zum Thema Schulautonomie, betonten die Teilnehmer. Wie weit diese gehen soll, wurde allerdings nicht konkret angesprochen. Klar sei, dass die zentrale Steuerung etwa im Bereich der Lehrpläne oder der Lehrerausbildung durch den Bund erfolgen müsse. Wie etwaige in den Ländern angesiedelte Bildungsdirektionen organisiert sind, wurde nicht näher erläutert.

„Der Teufel steckt im Detail“

„Es ging um eine Stärkung der Schulautonomie“, so Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Das Papier werde nun gemeinsam bewertet und durchgerechnet, zur Jahresmitte werde man sich wieder treffen und daraus dann Schlüsse ziehen. „Ob das dann im vollen Umfang umsetzbar ist, muss man sich ansehen“, meinte Mahrer. „Der Teufel steckt im Detail.“

Auch Pröll meinte, dass der Kernpunkt die Autonomie der Schulen sei bzw. wie man es organisieren könne, dass diese von einer „überbordenden Verwaltung“ entlastet würden. An eine Kompetenzverschiebung bei den Lehrern denke im Moment niemand: „Es denkt niemand daran, das Anstellungsverhältnis der Lehrer zu ändern.“ Man habe hier keine neuen Facetten diskutiert: „Es gibt Bundeslehrer, und es gibt Landeslehrer.“ Auch Niessl war nun der Ansicht, dass „es nicht die wichtigste Frage ist, wer Dienstgeber ist - wir müssen schauen, dass Bürokratie abgebaut wird“.

Für Mitterlehner „keine zentrale Frage“

Auch Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, dessen Partei die „Verländerung“ der Bundeslehrer bereits seit längerem unterstützt, sieht es nicht als „zentrale Frage“, ob die Schulorganisation beim Bund oder auf Landesebene angesiedelt sei. Steuerung und Controlling müssten nach zentralen Qualitätsstandards organisiert werden, dann sei es egal, welche Regelung umgesetzt wird. Die konkrete Umsetzung müsse man aber auch mit dem Finanzminister klären. Das geht aber auch manchen in der ÖVP zu weit.

Niessls Stellvertreter Franz Steindl (ÖVP) sagte zuletzt, die Schulverwaltung sei nur „ein kleiner Baustein in diesem Gesamtwerk“. Es gebe viel wesentlichere Fragen in der Bildungspolitik, die zu lösen seien. Die Industriellenvereinigung sprach sich am Dienstag „klar gegen Verländerungstendenzen in der Schulverwaltung“ aus. Strukturdebatten hätten nur Sinn, wenn „am Ende eine Verbesserung der Bildungsqualität und mehr Chancengerechtigkeit für alle“ stünden. Vertreter der Lehrerschaft und der Schüler wandten sich am Dienstag ebenfalls erneut gegen eine Übertragung der Schulverwaltung an die Länder.

Grüne sehen „Katastrophe“

Das Team Stronach (TS) schrieb in einer Aussendung, dass echte Schulautonomie nur möglich sei, wenn genau das Gegenteil des jetzt Geforderten geschehe und sämtliche Schulkompetenzen Bundessache würden. Alles andere werde zu vermehrtem „politischen Einfluss der Landesfürsten in der Schule“ führen. NEOS neigte bisher eher „regionalen“ Lösungen in der Bildungspolitik zu, blieb aber unbestimmt. Die FPÖ wendet sich lediglich allgemein immer wieder gegen „aufgeblähte“ Verwaltung im Schulbereich.

Bei den Grünen stoße eine mögliche „Verländerung“ auf „sehr große Skepsis“, wie Bundessprecherin Eva Glawischnig am Dienstag sagte. Die rechtliche und die finanzielle Verantwortung gehören aus ihrer Sicht zusammen, andernfalls drohe „Geldvernichtungsgefahr“. Bildungssprecher Harald Walser warnte zudem vor einer „Katastrophe für Österreichs Schulwesen“. Statt absehbaren Parteiproporzes je nach Bundesland brauche es „unabhängige Bildungsdirektionen“: „Das Parteibuch hat im Schulwesen nichts mehr verloren.“

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