Täter „offensichtlich“ vorbereitet
Der Mord an dem russischen Oppositionellen Boris Nemzow ist nach Angaben der Ermittler „minutiös geplant“ geworden. Auch der Tatort sei sehr genau ausgewählt worden, erklärte das zuständige Ermittlungskomitee am Tag nach der Tat. Der 55-jährige Kritiker von Präsident Wladimir Putin war am 27. Februar kurz vor Mitternacht im Zentrum von Moskau auf offener Straße erschossen worden.
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Es sei „offensichtlich“, dass die „Organisatoren und Ausführenden des Verbrechens“ wussten, welchen Weg Nemzow nehmen würde, hieß es in der Erklärung weiter. Nemzow wollte mit seiner „weiblichen Begleitung“ zu seiner nahe gelegenen Wohnung gehen. Der Nachrichtenagentur TASS zufolge wollte Nemzow nach dem Abendessen in einem Restaurant auf dem Roten Platz noch einen Spaziergang machen. Nemzow und seine Begleiterin befanden sich auf einer Brücke in unmittelbarer Nähe zum Kreml.
Makarow-Pistole - wie bei Polizei und Militär üblich
Der Kreml-Kritiker war um 23.40 Uhr Ortszeit (21.40 MEZ) von hinten mit einer Pistole erschossen worden. Der Täter habe aus einem Auto heraus sieben oder acht Schüsse auf Nemzow abgefeuert, sagte Innenministeriumssprecherin Jelena Alexejewa. Vier Kugeln trafen ihn in den Rücken. Anschließend flüchtete der Schütze in einem weißen Auto.

Reuters/Sergei Karpukhin
Am Tatort gedenken Menschen des Oppositionellen
Nemzows Begleiterin überlebte. Ermittler untersuchten noch am Tatort den entblößten Oberkörper des 55-Jährigen, wie das Staatsfernsehen zeigte. Am Tatort gibt es Videoüberwachung, die möglicherweise weitere Hinweise auf die Täter geben könnte, hieß es weiter aus dem Innenministerium. Der oder die Täter nutzten den Angaben der Ermittler zufolge offenbar eine Makarow-Pistole, wie sie vom russischen Militär und der Polizei verwendet wird. Am Tatort seien sechs Patronenhülsen verschiedener Hersteller gefunden worden, was die Fahndungsarbeit erschwere. Die Zeugen des Mordes wurden laut dem Komitee bereits vernommen.
Kreml sieht Auftragsmord
Neben der Polizei geht auch der Kreml von einem Auftragsmord aus. Ein Sprecher von Präsident Wladimir Putin verurteilte die Tat als „brutalen Mord“. Der Putin-Sprecher sagte weiter, es handele sich womöglich um einen Auftragsmord. Putin sei schnell informiert worden und habe die Sicherheitskräfte angewiesen, Untersuchungen einzuleiten.

Reuters/Pavel Bednyakov
Der Tatort in Sichtweite des Kremls und der Basilius-Kathedrale kurz nach der Ermordung
Nemzow war Ende der 1990er Jahre kurzzeitig stellvertretender Ministerpräsident unter Putins Vorgänger Boris Jelzin. Er hat sich auch im Kampf gegen die Korruption im Land einen Namen gemacht. Zuletzt wurden zum Beispiel die hohen Ausgaben für die Olympischen Winterspiele in Sotschi angeprangert. Oppositionelle würdigten Nemzow als Kämpfer für die Wahrheit.
Menschen legten Blumen am Tatort nieder
Die Polizei sperrte die Umgebung ab und begann weniger als zwei Stunden nach dem Attentat damit, den Tatort von Blut zu reinigen. Menschen legten in der Nähe Blumen nieder. Der Kreml-Kritiker Michail Kasjanow sagte gegenüber Reportern: „Dass ein führender Oppositioneller in der Nähe der Mauer des Kremls erschossen werden kann, liegt jenseits der Vorstellungskraft.“ Es könne nur eine Deutung der Tat geben: „Er wurde erschossen, weil er die Wahrheit gesagt hat.“ Kasjanow war unter Putin einst Ministerpräsident.
Putin-Beileidstelegramm an Mutter
Putin würdigte am Tag nach der Tat Nemzow für seine Verdienste und sicherte zu, sich vehement für die Aufklärung des Verbrechens einzusetzen. „Es wird alles getan, damit die Organisatoren und Täter dieses hässlichen und zynischen Mordes ihre verdiente Strafe bekommen“, so Putin in einem Beileidstelegramm an die Mutter von Nemzow. In dem vom Kreml veröffentlichten Schreiben lobte Putin Nemzow als aufrichtigen Politiker, der seine Position verteidigt habe.
„Boris Nemzow hat seine Spur in der Geschichte Russlands hinterlassen, in der Politik und im gesellschaftlichen Leben. Ihm fiel es zu, auf bedeutenden Posten in einer schwierigen Übergangszeit für unser Land zu arbeiten. Er hat immer direkt und ehrlich seine Position vertreten und seinen Standpunkt verteidigt“, hieß es in dem Schreiben.
Immer wieder Drohungen erhalten
Nemzow ist mit Abstand die bekannteste Figur der Opposition, die in der mittlerweile 15-jährigen Amtszeit von Putin in Russland getötet worden ist. Die Journalistin und Regierungskritikerin Anna Politkowskaja wurde 2006 vor ihrer Wohnung in Moskau erschossen. Der frühere Chef des Ölkonzerns Yukos, Michail Chodorkowski, saß jahrelang in Haft. Der kritische Blogger Alexej Nawalni wurde ebenfalls festgehalten. Andere Kreml-Kritiker wie der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow leben im Ausland.
Regierungskritiker erinnerten daran, dass Nemzow immer wieder Drohungen erhalten, stets aber zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen abgelehnt habe. Mit seiner Kritik erreichte Nemzow vor allem Intellektuelle in Moskau, teilweise auch die Mittelschicht. Außerhalb der großen Städte hat die Opposition aber wenig Unterstützung.
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