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„Gute Nacht, Malaysian drei sieben null“

Ein Jahr nach dem Verschwinden von Flug MH370 der Malaysia Airlines wird weiter darüber gerätselt, was mit der Maschine auf ihrem Weg von Kuala Lumpur nach Peking geschehen ist. „Gute Nacht, Malaysian drei sieben null“, waren am 8. März 2014 die letzten Worte aus dem Cockpit der Boeing 777-200, dann verschwand sie vom Radar. Seither wird nach dem Flugzeug gesucht.

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Es wurde eine der aufwendigsten Suchaktionen in der Geschichte der Luftfahrt mit Dutzenden Schiffen und Flugzeugen. Das Suchgebiet umfasste insgesamt rund 600.000 Quadratkilometer zwischen Sumatra und dem südlichen Indischen Ozean. Experten vermuten, dass MH370 noch rund sieben Stunden Tausende Kilometer abseits des eigentlichen Kurses Richtung Süden flog und dann in den Indischen Ozean stürzte.

„Immense Herausforderungen“

Nach einer weiteren Auswertung der Satellitensignale wurde zuletzt 2.000 Kilometer westlich der australischen Stadt Perth im Indischen Ozean nach dem Wrack gesucht. „Die Herausforderungen sind immens“, sagte Scott Mashford von der Koordinationsstelle für die Suche (JACC) in der australischen Hauptstadt Canberra. „Das Terrain ist komplex, mit Wassertiefen bis zu 6.000 Metern, es gibt Berge mit schmalen Kämmen, tiefe Spalten und 2.000 Meter steil abfallende Kliffe“, so Mashford, „aber wir halten daran fest, dieses Flugzeug zu finden.“

Unbemanntes U-Boot für die Suche nach MH370

APA/EPA/AUSTRALIAN DEFENCE DEPARTMENT

Seit Monaten wird in einer der entlegensten Meeresregionen der Welt nach dem Wrack gesucht

Im Einsatz standen ferngesteuerte Sonargeräte. Die Suche in dem zunächst 60.000 Quadratkilometer großen Suchgebiet soll bis Mai dauern. „Wenn bis dahin keine Wrackteile gefunden werden, werden die Regierungen von Australien, Malaysia und China über die nächsten Schritte entscheiden“, sagte Mashford. Australiens Verkehrsminister und Vizeministerpräsident, Warren Trussdwill, hatte unlängst aber gesagt: „Wir können natürlich nicht für immer weitersuchen.“

Passagiere für tot erklärt

Die Gerüchte über ein mögliches Ende der Suche hatten in Peking zu Protesten von Angehörigen chinesischer Opfer geführt. Zwei Drittel der Fluggäste waren Chinesen. Ende Jänner hatte Malaysia alle Passagiere von MH370 für tot erklärt. Das ist die Voraussetzung dafür, dass den Angehörigen Entschädigungen ausgezahlt werden können. Es sei"äußerst unwahrscheinlich", dass jemand überlebt habe, sagte ein Sprecher des Transportministeriums.

Familienmitglieder der Passagiere der verschollenen MH370 protestieren in Peking

Reuters/Jason Lee

Angehörige der Opfer protestieren vor der malaysischen Botschaft in Peking

Die Regierung gehe nun offiziell von einem Unglück aus, bei dem alle 239 Menschen an Bord ihr Leben verloren hätten. Zum Zeitpunkt des Verschwindens gab es aber keinerlei Hinweise auf schlechtes Wetter, einen technischen Defekt oder eine Entführung. Laut Experten lassen sich die letzten Stunden an Bord nicht ohne die Blackboxen rekonstruieren - und diese wurden nie gefunden.

„Absichtliches Eingreifen“ an Bord

„Es ist eindeutig das größte Rätsel der Luftfahrtgeschichte“, sagte der US-amerikanische Unfallermittler Malcolm Brenner gegenüber dem Fernsehsender National Geographic. Zu mysteriös für einen Unfall seien die Umstände, so die Experten und Ermittler. Ihre Theorien reichen von unglaublich bis absurd. Eine davon bringt die Ladung von gut 200 Kilogramm an hochentzündlichen Batterien ins Spiel, die die zwei Kommunikationssysteme zerstört hätten. Nach Ansicht von Piloten hätte die Maschine nach dem letzten Radarkontakt aber nicht zwei abrupte Kursänderungen machen können, hätten toxische Dämpfe oder ein Druckabfall Passagiere und Crew bewusstlos gemacht.

Karte zu MH370

APA/ORF.at

Geplante Route und Suchgebiet

Als die Kursänderungen eine Woche nach dem Verschwinden enthüllt wurden, sagte Malaysias Regierungschef Najib Razak: „Diese Bewegungen deuten auf absichtliches Eingreifen durch jemanden an Bord hin.“ Die Ermittler nahmen daraufhin alle Passagiere und Besatzungsmitglieder unter die Lupe, stellten aber keine Terrorsympathien oder -verbindungen fest, auch bei jenen zwei Iranern nicht, die mit gefälschten europäischen Pässen an Bord waren. Keine Terrororganisation hat sich je zu einem Anschlag bekannt.

Tat eines lebensmüden Piloten?

„Für mich steht fest, das muss ein Pilot gemacht haben“, sagte Flugexperte John Nance. „Das sieht ganz nach einem sorgfältigen Plan aus, um jeder Entdeckung zu entgehen“, ergänzte Brenner. Unter den Passagieren war nach den Ermittlungen niemand mit der nötigen Pilotenerfahrung. So könnte es nach Meinung der Experten gelaufen sein: Der Pilot habe den Kopiloten unter einem Vorwand aus dem Cockpit dirigiert, eine Sauerstoffmaske genommen, in der Kabine einen Druckabfall ausgelöst, der alle ins Koma versetzte, und sei Richtung Süden geflogen, bis die Maschine mit leeren Tanks abstürzte.

Australische Soldaten bei der Suche nach MH370

APA/EPA/AUSTRALIAN DEFENCE DEPARTMENT

Australien koordiniert die schwierige Wracksuche im Indischen Ozean

Warum jemand mit Suizidabsichten die Maschine so lange fliegen hätte lassen sollen, bleibt aber mysteriös. Ein Kollege des 52-jährigen Piloten sagte: „Ich habe noch zwei, drei Tage vor dem 8. März mit ihm gesprochen, es gab kein Anzeichen, dass etwas nicht stimmte.“ Auch am Flugsimulator im Hause des Piloten sei „nichts Ungewöhnliches“ gefunden worden, erklärte ein Mitarbeiter von Polizeichef Khalid Abu Bakar.

Der renommierte Sicherheitsexperte des Onlineportals FlightGlobal, David Learmount, hielt das von National Geographic aufgezeigte Szenario mit einem lebensmüden Flugzeuglenker zumindest für möglich. Dann liefe die Suche nach dem Wrack aber an falscher Stelle: „Wenn die Klimaanlage im Flugzeug frühzeitig ausgeschaltet war und blieb, hätte die Maschine weiter fliegen können (als jetzt angenommen)“, so Learmount. Der Treibstoff hätte ohne Betrieb der Klimaanlage länger gereicht.

Abgeschossen oder gekapert?

Die Maschine könne aus Versehen abgeschossen worden sein, sagte hingegen der britische Autor Nigel Cawthorne. Bei einer damals stattfindenden thailändisch-amerikanischen Militärübung im Südchinesischen Meer sei scharfe Munition verwendet worden. Die Geschichte vom stundenlangen Flug in Richtung Süden sei erfunden worden, um sicherzustellen, dass das Wrack an falscher Stelle gesucht und nie gefunden werde. Seriöse Experten zweifeln allerdings nicht an den Angaben der Satellitenfirma Inmarsat, die Stunden nach dem Verschwinden Daten von der Maschine auffing.

Familienmitglieder trauern um MH370-Passagiere

Reuters/Jason Lee

Hinterbliebene erinnern in einer Trauerzeremonie an das mysteriöse Verschwinden von MH370

Ein „Schurkenstaat“ habe die Maschine gekapert, wolle sie mit Atomwaffen ausstatten und eines Tages auf eine US-Stadt lenken, behauptete der US-Amerikaner Christopher Green in einem auf YouTube populären Video, allerdings ohne jedwede Indizien. Der US-Autor Jeff Wise vermutete die Maschine dagegen in russischen Händen und spekulierte wild über abwegige Motive.

Die USA seien hinter etwas her gewesen, das an Bord war, sagte der chinesische Blogger He Xin. Die US-Botschaft in Kuala Lumpur sah sich daraufhin sogar genötigt zu dementieren, dass das Flugzeug auf dem US-Stützpunkt Diego Garcia im Indischen Ozean landete. Ex-Airline-Chef und Buchautor Marc Dugain kombinierte diese Theorien zu seiner Version: Hacker manipulierten die Bordcomputer von außen und lenkten die Maschine auf den US-Stützpunkt, vor dem das US-Militär die Maschine abschoss.

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