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Der Mai, die Liebe und Papas Bart

Der seit Jahrzehnten zurückgezogen in Frankreich lebende Schöpfer der Kinderbuch- und Zeichentrickfamilie Barbapapa, der US-Amerikaner Talus Taylor, ist tot. Wie französische Zeitungen in ihren Dienstag-Ausgaben berichteten, verstarb der gelernte Biologielehrer schon am 19. Februar im Alter von 82 Jahren in seiner Wahlheimat Paris. Seine Lebenspartnerin Annette Tison bleibt allein zurück.

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Die 72-jährige französische Architektin war im Privaten wie im Hinblick auf das Barbapapa-Universum seit Anbeginn Taylors Partnerin. Das Paar mied die Öffentlichkeit. Eine Reaktion Tisons zum Tod ihres Mannes ist nicht bekannt und schon gar keine Aussage darüber, ob das nun das Ende der Barbapapa-Geschichten bedeutet. Davon ist jedoch auszugehen, waren die Barbapapas für die beiden doch eine höchst private Sache, die auf ein Rendezvouz der damals Frischverliebten im Mai 1970 im Pariser Jardin du Luxembourg zurückgehen.

Verständigungsprobleme machen kreativ

Zumindest die Barbapapa-Legende will es, dass der damals in Paris gestrandete Junglehrer und seine noch jüngere Freundin am 19. Mai 1970 einen Frühlingsspaziergang in dem weitläufigen Park genossen. Sie waren nicht allein. Taylor, damals noch kaum des Französischen mächtig, fand es sehr lustig, als ein Kind neben dem Paar laut immer wieder „baabaabaabaa“ einforderte. Tison musste ihm erklären, dass das Kind seine Eltern damit eindringlich auf einen Stand mit Zuckerwatte hinweisen wollte.

Zuckerwatte

Fotolia/muro

Barbe a papa

Zuckerwatte heißt auf französisch „barbe a papa“ (Papas Bart). Gemäß der Legende wollte der Lehrer, der schon im Unterricht bei den Kindern immer wieder mit Tierzeichnungen gepunktet hatte, seine Freundin ein wenig beeindrucken und kritzelte später in einem Lokal auf eine Serviette eine freundliche Zuckerwatte: großäugig, freundlich lächelnd, von unbestimmter Form und rosa. Barbapapa war auf die Welt gekommen - und Taylor und Tison seit damals ohne Unterbrechung ein Paar.

Liebhaberei statt Marktkonformität

So zuckersüß klischeehaft erfunden die Entstehungsgeschichte von Barbapapa auch klingen mag, so wahr mag sie gut und gern sein: Die optimistisch-naiven und im besten Sinn kindlichen Geschichten von Barbapapa und seiner Familie speisten sich immer aus dem „wirklichen Leben“ der beiden. Und sosehr aus Barbapapa auch in vier Jahrzehnten - mit Merchandising ohne Ende - ein profitables Unternehmen wurde, so sehr stellten Taylor und Tison ihre Überzeugung immer über Profitdenken.

Vermutlich wären die in kleiner Auflage erschienenen Barbapapa-Bilderbücher ohnehin nie zum weltweiten Phänomen geworden, hätten nicht japanische Animationszeichner den Stoff entdeckt und daraus ab 1974 die bekannte TV-Serie gemacht. Auch die war aber noch eine Liebhaberei und kein stromlinienförmiges Produkt wie Kinderserien späterer Jahre. Taylor und Tison bestanden etwa darauf, dass ihr Freund Ricet Barrier die Tonspur im Alleingang ausdenken sollte. Er dachte sich auch jene Songs aus, die inzwischen mehrere Generationen im Ohr haben.

Wasserscheidemoment in der Kinderliteratur

Was aber noch wichtiger war: Barbapapa markierte in der Kinderliteratur den Übergang zu Geschichten, die auf Augenhöhe erzählt waren. Damit waren Taylor und Tison zwar nicht allein, aber konsequenter als andere. Dass etwa die Barbapapa-Bücher mit den Jahren zusehends einfacher gezeichnet wurden, war nicht der Faulheit der beiden geschuldet, sondern regelmäßigem Feedback der Leserschaft, die sich umso besser in die Geschichten hineinversetzen konnte, je ähnlicher sie den eigenen Zeichnungen schienen.

Dass es nur um scheinbare Einfachheit ging, hat inzwischen eine Generation von Literaturwissenschaftlern belegt, die selbst schon als Kind mit Barbapapa Bekanntschaft machten. Da wimmelt es etwa nur so von versteckten Hinweisen auf die Bibel und epischen Erzählungen wie dem Gilgamesch-Epos, aber auch das immer auf Augenhöhe mit der Leserschaft. Darüber hinaus war der Barbapapa-Kosmos nicht isoliert von der Wirklichkeit, sondern spielte in der Lebenswelt von Kindern - vom Schmutz in der Stadt über die Schule bis zu Problemen mit den Eltern.

„Ein bisschen früh dran“

Seine Ansprüche hielt das Paar von Anfang an eisern durch - etwa in der Verweigerung von Vermarktungsrechten für Firmen, die ihren ethischen Ansprüchen nicht genügten. Dass Barbapapa seit den 70er Jahren auch nachhaltig die Gedanken von Kindern - Stichwort Ökologie - geprägt hat, spielten die beiden immer herunter. In einem seiner seltenen Interviews sagte Taylor einmal der „Frankfurter Rundschau“, es sei ihm vor allem um die Unterhaltung seiner Leserschaft gegangen und nur nebenbei um die Vermittlung von Werten. Mit beidem sei man allerdings „ein bisschen früh dran gewesen“.

Lukas Zimmer, ORF.at

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