Um eine Woche länger auf Arbeitssuche
Die Arbeitslosigkeit in Österreich ist in den vergangenen Jahren nicht nur in ihrer Häufigkeit gestiegen, auch die Dauer wuchs an. Arbeitslose waren 2014 im Schnitt 104 Tage lang ohne Job, das ist eine ganze Woche mehr, als noch im Jahr davor (97 Tage). Zum Vergleich: 2008, also noch bevor die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf dem heimischen Arbeitsmarkt zu spüren waren, betrug die Verweildauer im Schnitt 88 Tage.
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Der Großteil der Arbeitslosen findet schneller wieder in das Arbeitsleben zurück - die meisten (69 Prozent) innerhalb der ersten drei Monate, erklärt Beate Sprenger vom Arbeitsmarktservice (AMS) gegenüber ORF.at. Jeder vierte Arbeitslose benötigt zwischen drei und sechs Monaten.
Langzeitarbeitslosigkeit nach oben geschnellt
Nur knapp ein Prozent fand länger als 365 Tage keinen Job und galt damit als langzeitarbeitslos. Im Jänner waren das in absoluten Zahlen 20.207 Personen (der Großteil davon männlich). Das klingt nach relativ wenig, vergleicht man die Zahl jedoch mit der Vorjahreszahl, ist der Anstieg dramatisch. Die Zahl hat sich mehr als verdoppelt (plus 132,5 Prozent). Sie sei relativ gesehen natürlich „hoch“, so Sprenger. Insgesamt seien aber nach wie vor sehr wenige Personen von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Da müsse man „die Kirche im Dorf lassen“.

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Fünfmal so viele Langzeitbeschäftigungslose
Hedwig Lutz vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) will das so nicht gelten lassen. „Die Definition ist mit Vorsicht zu genießen“, so die Arbeitsmarktexpertin im Gespräch mit ORF.at. Denn sobald ein Arbeitsloser in diesen 365 Tagen an einer Schulung teilnehme, die länger als 28 Tage dauere, oder vorübergehend eine Stelle finde, falle er aus der Definition. Die Zählung beginne bei null. Die Langzeitbeschäftigungslosenzahlen seien deshalb „wesentlich aussagekräftiger“.
Arbeits- vs. beschäftigungslos
Personen, die über 365 Tage arbeitslos gemeldet sind, werden nach AMS-Definition als langzeitarbeitslos gezählt. Unterbrechungen bis zu 28 Tage bleiben unberücksichtigt. Langzeitbeschäftigungslos sind hingegen auch jene, die in diesem Zeitraum an Schulungen teilnehmen oder vorübergehend einen Job haben.
„Es zeigt sich, dass es de facto viel mehr Menschen gibt, die innerhalb eines Jahres nicht nachhaltig in das Beschäftigungssystem integriert werden können, als mit dem Indikator Langzeitarbeitslosigkeit ersichtlich ist“, so Lutz. „Viel mehr“, das waren nach der Definition des Begriffs Langzeitbeschäftigungslosigkeit im Jänner 102.784 Personen, also mehr als fünfmal so viele wie jene, die das AMS als langzeitarbeitslos bezeichnet. Auch hier ist der Anstieg gegenüber Jänner 2013 beträchtlich: Mehr als 31.340 Personen beträgt das Plus, das sind fast 44 Prozent.
Dauer der Krise verschärft Situation
Die beiden Arbeitsmarktexpertinnen sehen dafür zwei Gründe: Einerseits würden sich durch die lange Dauer der Krise immer mehr Menschen schwertun, in Beschäftigung zurückzufinden, erklärt Lutz. Auch Sprenger argumentiert ähnlich. Das treffe insbesondere ältere Erwerbspersonen. Deren Zahl steige wegen der starken Jahrgangsbesetzungen und wegen des erschwerten Zugangs in vorzeitige Pensionen, so Lutz. Die Zahl der Arbeitsplätze steige zwar, aber es kommen auch immer mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt. „Die einen verdrängen die anderen“, vor allem bei weniger gut Qualifizierten, so Lutz.
AMS verlagerte Schwerpunkt
Zweitens wirkt sich die Tatsache, dass das AMS weniger kurzfristige Schulungen anbietet, auf die Statistik aus. Sprenger erklärt, dass deutlich weniger, dafür jedoch längere und qualitativ hochwertigere Schulungen angeboten werden. Das AMS hat seinen Schwerpunkt, wie auch AMS-Vorstand Johannes Kopf kürzlich gegenüber Ö1 erklärte, verschoben: Großer Wert werde auf die Reintegration älterer Arbeitnehmer gelegt, dafür gebe es weniger Qualifizierungen. Diese Maßnahmen beginnen auch langsam zu greifen, so Sprenger.

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Je älter, desto schwieriger die Rückkehr
Ältere Personen sind von Langzeitarbeitslosigkeit besonders stark betroffen. 47 Prozent der Menschen, die 2014 länger als zwölf Monate keinen Job hatten, waren über 50 Jahre alt. Gut jeder zweite Langzeitarbeitslose entstammt der größeren Gruppe der 25- bis 49-jährigen Arbeitslosen. Ältere Arbeitnehmer verlören zwar nicht so schnell ihren Job wie jüngere, so Lutz. Wenn sie ihn jedoch verlören, dann sei es für sie umso schwieriger, wieder einen neuen zu bekommen.
Das lässt sich auch an den Zahlen des Sozialministeriums ablesen: Während die durchschnittliche Verweildauer in der Arbeitslosigkeit bei 104 Tagen liegt, sind über 50-Jährige bereits mindestens 121 Tage auf der Suche. Zwischen 55 und 59 sind es dann schon 138 Tage.
Maßnahmen greifen
Auch Lutz glaubt, dass die Maßnahmen, die von Regierung und AMS für die Gruppe 50 plus gesetzt wurden, zu greifen beginnen. Dazu zählt etwa die Eingliederungsbeihilfe, eine Lohnkostensubvention für Betriebe, die ältere Arbeitslose einstellen. Die Arbeitslosenquote der Altersgruppe 50 plus ist zwar nach wie vor höher als im Durchschnitt aller Altersgruppen, sie ist aber etwa zuletzt im Jänner 2015 etwas weniger stark gestiegen, so Lutz.
Petra Fleck, ORF.at
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