Themenüberblick

Verstaatlichung war „sicher nicht das Ziel“

Sie ist als Nacht der langen Messer in die Annalen des Hypo-Debakels eingegangen: jene Nacht von 13. auf 14. Dezember 2009, in der in einem 17-stündigen Verhandlungsendspurt die Verstaatlichung der maroden Hypo Group Alpe-Adria (HGAA) beschlossen wurde. Vorausgegangen war ihr ein monatelanger Poker um die schwer angeschlagene Bank, in dem der damalige ÖVP-Finanzminister Josef Pröll noch wenige Tage vor der Entscheidung eine Verstaatlichung abgelehnt hatte.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Spätestens im Jahr 2008 war klar, dass die HGAA das entstandene Schlamassel nicht mehr alleine würde bereinigen können. Spekulationsverluste, viel zu ambitionierte Expansionspläne und die weltweite Finanzkrise ließen die damals sechstgrößte Bank Österreichs nicht aus den roten Zahlen kommen und offenbarten nach und nach Milliardenlöcher. Da halfen weder die Unterstützungszahlungen der erst 2007 als Mehrheitsaktionär eingestiegenen BayernLB noch eine 900-Millionen-Euro-Geldspritze aus dem Bankenrettungsfonds (als „Christkind“ am 23. Dezember 2008 zugesagt).

Bayern wollten „Krot“ nicht schlucken

Ende 2009 war dann schließlich Feuer am Dach – nach Milliardenabschreibungen wurde bekannt, dass die HGAA nicht mehr würde bilanzieren können: Wird bis Montag, 14. Dezember keine Lösung dafür gefunden, woher das Geld kommen soll, muss das Institut zusperren. Wie ernst die Lage war, verdeutlichte am 9. Dezember die Versicherung von Finanzminister Pröll, keine Sparer im Regen stehen lassen zu wollen.

Die Bayern - zu dem Zeitpunkt mit zwei Dritteln der Anteile Haupteigentümer - hatten kein Interesse mehr an der angeschlagenen Bank. Der bayrische Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) bezeichnete den Kauf mittlerweile öffentlich als „Fehler“ - und die BayernLB musste zu dem Zeitpunkt selbst schon mit einer Milliardenspritze versorgt werden. Bayern drängte darauf, dass auch die anderen Eigentümer zur Kassa gebeten werden.

Ex-Finanzminister Josef Pröll und damaliger Finanzstaatssekretär Andreas Schieder

APA/Herbert Neubauer

Nach einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon präsentierten Schieder und Pröll 2009 die aus ihrer Sicht sparerschonende Lösung

Die Lösung konnte schließlich nach einem mehrtägigen Verhandlungsmarathon in buchstäblich letzter Minute gefunden werden. Entgegen den Beteuerungen von Pröll, der noch vor den Verhandlungen sagte, eine Verstaatlichung sei „sicher nicht das Ziel“, ging die Bank dann doch in Republikseigentum über.

Das Wochenende der Entscheidungen

Pröll hatte den Streit über die nötige Milliardenspritze zur Chefsache erklärt und am 11. Dezember die Eigentümer nach Wien bestellt. Ab 12. Dezember beteiligte sich der bayrische Finanzminister Fahrenschon an den Verhandlungen, eine Kärntner Delegation mit Landeshauptmann Gerhard Dörfler und Finanzlandesrat Harald Dobernig (beide FPK) eilte ebenfalls nach Wien. Auch die Chefs der heimischen Großbanken nahmen an Gesprächen teil, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, warnte telefonisch vor einem Dominoeffekt auf dem Balkan, sollte die Bank zusammenbrechen.

Erlösende Nachricht in letzter Minute

Eine halbe Stunde vor Öffnung der Bankschalter kam dann am Montag, 14. Dezember 2009, die erlösende Nachricht aus Wien. Um 7.30 Uhr verkündete Pröll, dass die Republik Österreich die finanzmarode HGAA zu 100 Prozent auffangen werde. Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) erklärte, die Republik übernehme die Verantwortung, weil die bisherigen Eigentümer die Bank nicht mehr haben wollten.

Die Alteigentümer BayernLB, Land Kärnten und Grazer Wechselseitige (GRAWE) bekamen von der Republik je einen symbolischen Euro. Ganz so billig wollte man die Alteigentümer aber nicht aus der Verantwortung entlassen - sie mussten noch 1,05 Mrd. Euro Kapital einschießen (825 Mio. BayernLB, 200 Mio. Kärnten und 30 Mio. GRAWE), außerdem erhielt die Bank von ihnen gut 3,4 Mrd. Euro an Liquidität. Der Bund versprach 450 Mio. Euro, und andere heimische Systembanken stellten 500 Mio. Euro zur Verfügung.

Eine Entscheidung ohne Alternativen?

Pröll feierte die Einigung als „gute Basis“ für die Zukunft. Man habe es geschafft, die Alteigentümer an die Kandare zu nehmen. Während er versuchte, die Notverstaatlichung mit dem nötigen Ernst zu vermitteln und die Schuld für das Schlamassel aufgrund der Landeshaftungen bei Kärnten ausmachte, feierten Kärntens Politiker das Ergebnis als Erfolg.

Bilder und O-Töne von „damals“

Parallel zur aktuellen Berichterstattung öffnet der ORF für den Hypo-U-Ausschuss seine Archive - eine Auswahl an Video- und Audiomaterial zu den Hintergründen der Causa in tvthek.ORF.at und oe1.ORF.at.

Im Interview mit der ZIB2 verteidigte Pröll den Schritt als alternativlos. „Wir hatten keine Karten in der Hand in diesen Verhandlungen", so Pröll. Einen Konkurs, der andernfalls unausweichlich gewesen wäre, habe man mit allen Mitteln abwenden wollen, um mögliche „Dominoeffekte“ zu verhindern. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) hatte davor die Kosten einer Insolvenz allein für das Land Kärnten auf 19,8 Mrd. Euro errechnet (ein Gutteil davon durch sofortiges Schlagendwerden der Landeshaftung), für die Republik standen drei Milliarden im Raum. Die Bayrische Landesbank hätte eine Insolvenz der Rechnung zufolge mehr als sechs Milliarden Euro gekostet.

Trügerisch optimistischer Blick in die Zukunft

„Die Eigentümer müssen bluten, für das, was sie angerichtet haben“, betonte Pröll mehrfach. Auf die Frage, ob die Bank weitere Zuschüsse benötigen werde, antwortete er optimistisch mit: „Wir sehen das derzeit nicht.“ Warum man nicht schon früher eine Lösung gesucht habe, erklärte Pröll damit, dass erst der dadurch entstandene Druck die Alteigentümer zu Zugeständnissen bewegen konnte. Wie groß der Druck aber tatsächlich war, ist aus heutiger Sicht fraglich: Ein aktueller Bericht des Rechnungshofs (RH) zeigt, dass Bayern schon im August 2009 signalisiert worden war, dass man ohnehin alles tun werde, um den Fortbestand der Bank zu sichern. Den Joker im Verhandlungsspiel hatte man damit womöglich aus der Hand gegeben, da die Bayern wussten, dass es nicht zu einem - für sie schmerzhaften - Insolvenzszenario kommen würde.

Verstaatlichung ohne Not?

Gut fünf Jahre später ist man aber ohnehin in vielerlei Hinsicht schlauer. Die optimistischen Aussichten für die Hypo haben sich nicht bewahrheitet, im Gegenteil. Die Bank wurde mittlerweile zerschlagen, für die Steuerzahler erwies sie sich als Milliardengrab. Die Argumentation, wonach die Verstaatlichung ohne Alternativen war, wird heute ebenfalls bezweifelt. Denn diese hätte es sehr wohl gegeben – das zeigte der Bericht der Hypo-Untersuchungskommission unter Leitung von Irmgard Griss Jahre später auf - mehr dazu in Griss im Ö1-Interview (2.12.2014, oe1.ORF.at). Damit war der Schritt aus Sicht der Griss-Kommission auch keinesfalls eine Notverstaatlichung, wie vielfach behauptet.

Petra Fleck, ORF.at

Links: