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Italien in Angst vor IS-Übergriffen

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist in Libyen erstarkt und damit näher an Europa gerückt. Ein internationaler Militäreinsatz wird diskutiert. Gleichzeitig steigt die Angst vor IS-Übergriffen in Europa - vor allem in Italien. Mehrere internationale Medien berichteten, dass die IS-Kämpfer mit einem „psychologischen Angriff“ drohten, sollten sie an ihrem Vormarsch in Libyen gehindert werden.

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So würden laut der „Süddeutschen Zeitung“ IS-Kämpfer nicht davor zurückschrecken, bis zu 500.000 Flüchtlinge von Libyen aus in Booten nach Europa übers Mittelmeer zu schicken - und mit ihnen auch kampfbereite Dschihadisten. Gerade einmal 300 Kilometer trennen die libysche Hauptstadt Tripolis von der italienischen Insel Lampedusa.

Die Sorge der Italiener wächst, dass es dadurch im Chaos versinken könnte und die Zahl der Flüchtlinge weiter steigt. Bereits in den vergangenen Jahren erreichten Hunderttausende Menschen von Libyen aus die italienische Küste, teilweise spielten sich dramatische Szenen mit vielen Toten ab.

IS-Drohung: „Werden Rom erobern“

Laut der britischen Zeitung „Daily Mail“ will die Quilliam Foundation, die sich als antiislamistischer Thinktank versteht, zudem Briefe von IS-Terroristen gesehen haben, die belegen sollen, dass die Miliz Schiffe auf dem Mittelmeer angreifen und südeuropäische Großstädte mit beispiellosem Terror überziehen wollen.

Andere Medien haben die Angaben der „Daily Mail“ aber noch nicht bestätigt. Wie der „Tagesspiegel" Mitte Februar berichtete, soll außerdem ein Video aufgetaucht sein, in dem der IS eine Drohung an Italien richtet: „Mit der Hilfe Gottes werden wir Rom erobern, so hat es unser Prophet versprochen“, so die angebliche Botschaft der Terrorgruppe.

Ein französischer Diplomat, der namentlich nicht erwähnt wurde, warnte Mitte Februar im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters: „Die Terroristen haben ein klares Ziel, und das ist Europa. Dieser Gefahr müssen sich die europäischen Staaten bewusst sein.“

Militärschlag oder Diplomatie?

Bereits einen Tag bevor bekanntwurde, dass die IS-Terroristen in Libyen 21 ägyptische Kopten enthauptet hatten, forderte die italienische Verteidigungsministerin Roberta Pinotti umgehend eine internationale UNO-Einheit zur Bekämpfung von Dschihadismus und bot an, 5.000 Soldaten in das Land zu schicken. Um „Sicherheit und Stabilität“ in Libyen wiederherzustellen, drängte auch Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi auf eine internationale Militärintervention im Nachbarland.

Doch vorerst fallen die Reaktionen auf diesen Vorstoß verhalten aus. Unter einer Vielzahl an westlichen Diplomaten sollen die Bedenken groß sein, dass eine militärische Intervention nur noch mehr Chaos und Gewalt bringen würde.

Italienische Politiker uneins im Kampf gegen IS

Selbst Italiens Regierungschef Matteo Renzi kanzelte in der „Süddeutschen Zeitung“ den Vorstoß seiner Ministerin ab. Er bot Ende Februar vor dem UNO-Sicherheitsrat stattdessen an, dass sein Land in Libyen eine Waffenruhe vermitteln und die lokalen Streitkräfte ausbilden könne. Er gab zu verstehen, dass Italien bereit sei, Verantwortung zu übernehmen, aber eine politische und diplomatische Lösung anstrebe.

Auch Italiens Innenminister Angelino Alfano betonte, dass Libyen für Italien derzeit absolute Priorität habe: „Wenn die Terrormiliz schneller handelt, als die internationale Gemeinschaft entscheidet, wie können wir dann das Feuer in Libyen löschen und die Migrationsströme eindämmen? Wir laufen Gefahr, einer noch nie da gewesenen Massenflucht ausgesetzt zu sein“, warnte Alfano besorgt. Er befürchtete, dass Italien ein unmittelbarer Frontstaat in einem Krieg mit den Islamisten werden könnte.

Mitte Februar schloss Italien seine Botschaft in Tripolis - alle anderen westlichen Staaten hatten infolge der Kämpfe verschiedener Milizen um die Hauptstadt schon zuvor ihre diplomatischen Vertreter abgezogen.

Für Kritiker fehlt Strategie gegen IS

Zu Wort meldete sich auch Romano Prodi. Der Westen, so der frühere italienische Regierungschef und EU-Kommissionspräsident in der „Welt“, sei schuld daran, dass Libyen nach dem Sturz und Tod Gaddafis in der Anarchie versinke. Man habe sich nicht darum gekümmert, was nach der Invasion kommen würde. Der libysche Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Aref Ali Nadsched, beklagte ebenfalls in der „Welt“, das Fehlen einer globalen Strategie gegen den IS.

Die Regierung in Libyen forderte indes auch in dieser Woche erneut eine Aufhebung des UNO-Waffenembargos. Seine Regierung brauche Waffen und andere Militärausrüstung aus dem Ausland, um gegen die radikalislamische Miliz kämpfen zu können, sagte der libysche Außenminister Mohammed al-Dairi bei einer Krisensitzung des UNO-Sicherheitsrats. Eine internationale Militärintervention, wie zuvor von Ägypten ins Gespräch gebracht, verlangte er hingegen ausdrücklich nicht.

Politische Lage in Libyen unübersichtlich

Die politische Lage in Libyen ist derzeit unübersichtlich. Die international anerkannte Regierung wurde aus der Hauptstadt Tripolis vertrieben und führt ihre Geschäfte aktuell von Tobruk aus. Sie besitzt noch die Kontrolle über die östliche Hälfte des Landes, in der viele wichtige Ölfelder liegen. In Tripolis allerdings herrscht eine rivalisierende Regierung mit Verbindungen zu muslimischen Interessengruppen. Der Zusammenschluss von Verliererparteien der letzten Wahl hat den Nordwesten im Griff.

Solange die rivalisierenden Parteien im Land keine Einigung zur Stabilität finden, bieten sie dem IS weiteren Nährboden zur Ausbreitung in Libyen. Die Terrororganisation kontrolliert neben Darna auch noch Sirte, dazu steht Bengasi teilweise unter der Herrschaft der Terrorgruppe Ansar al-Scharia, die Al-Kaida nahesteht.

Gaddafi prophezeite „Chaos“ im Mittelmeer

Wie die „Welt“ im Februar bemerkte, hatte Libyens Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi vor seinem Tod die Ausbreitung von Gewalt über das ganze Land vorausgesagt. In seinem letzten Interview im März 2011 warnte Gaddafi: „Wenn anstelle einer stabilen Regierung, die Sicherheit garantiert, die mit Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden vernetzten Milizen die Kontrolle übernehmen, dann werden die Afrikaner in Massen nach Europa strömen. Das Mittelmeer wird zu einer See des Chaos werden!“

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