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Untersuchung gefordert

Nach den Terroranschlägen von Kopenhagen werden Zweifel an der Arbeit der dänischen Sicherheitsbehörde laut. Der Inlandsgeheimdienst PET soll einen Hinweis auf die Radikalisierung des Täters nicht ernst genug genommen haben. Die Opposition im dänischen Parlament forderte die Regierung am Dienstag auf, das Vorgehen des Sicherheitsdienstes vor dem Terrorangriff unter die Lupe zu nehmen.

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Medienberichten zufolge hatte der Attentäter während seiner Zeit im Gefängnis den Wunsch geäußert, sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien anzuschließen. Die Gefängnisbehörden hätten ihn danach auf eine Liste radikalisierter Häftlinge gesetzt. PET räumte ein, im September einen entsprechenden Hinweis erhalten zu haben. Es habe jedoch nichts konkret darauf hingedeutet, dass der Mann eine Attacke plante, erklärte die Behörde.

Erst im Jänner aus Haft entlassen

Laut Medieberichten soll der Attentäter laut dem dänischen Rundfunk im Dezember 2014 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, aber im Jänner dieses Jahres entlassen worden sein, weil er so lange in U-Haft gesessen war. Der Mann soll zudem einer Bande namens Brothas im Stadtteil Nörrebro angehört haben, polizeibekannt war er unter anderem wegen Gewaltdelikten und Verstößen gegen das Waffengesetz.

Karte von Kopenhagen

APA/ORF.at

Am Montag tauchte über dänische Medien auch der Name des mutmaßlichen Täters auf, er wurde mit Omar Abdel Hamid el-Hussein angegeben. Berichten zufolge sind seine Eltern palästinensischer Herkunft. Er soll sich mehrfach sehr wütend über Israel geäußert und erklärt haben, dass er Juden verabscheue. Der in Dänemark geborene Mann habe Palästina als zweite Heimat betrachtet und sich sehr für die Palästinenser engagiert, berichtete „Politiken“ unter Berufung auf Mitschüler.

Omar Abdel Hamid El-Hussein

APA/EPA/Danish Police

Dieses Bild des Täters wurde von der dänischen Polizei veröffentlicht

Vilks kritisiert Polizei

Der schwedische Karikaturist Lars Vilks, der den Anschlag auf das Kulturzentrum überlebt hat, hat den dänischen Sicherheitsbehörden Sorglosigkeit vorgeworfen. „Es gab nach dem Anschlag auf ‚Charlie Hebdo‘ eine erhöhte Gefährdungslage, die Dänen haben das aber nicht berücksichtigt“, sagte der 68-Jährige am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. „Sie haben die Sicherheitsvorkehrungen am Samstag nicht verschärft.“ Der Attentäter sei besser ausgerüstet gewesen als die Polizei, so Vilks.

Der Karikaturist räumte zugleich ein, dass es keine konkreten Hinweise auf einen Anschlag gegeben habe, „nur die allgemeine Wahrnehmung, dass es auch hier gefährlich werden könnte“. Der schwedische Zeichner lebt seit der Veröffentlichung einer Karikatur des Propheten Mohammed als Hund im Jahr 2007 unter Polizeischutz. Er hat bereits mehrere Attentatsversuche überlebt.

Die Nerven liegen blank

In Kopenhagen liegen nach den Attentaten die Nerven blank. Nach einem Bombenalarm am Dienstagvormittag sperrten die Ermittler den ersten Terrortatort im Stadtteil Österbro ab und zogen Sprengstoffexperten zurate. Ein verdächtiger Brief vor dem Cafe, wo der Terrorist am Wochenende einen 55-jährigen Filmemacher erschossen hatte, entpuppte sich aber als harmlos.

Bombensonderkommando untersucht ein verdächtiges Paket

Reuters/Hannibal Hanschke

Ein verdächtiger Brief wird von einem Sprengstoffexperten untersucht

Derweil fahndeten die Ermittler nach weitere Spuren und möglichen Helfern des 22-Jährigen, den die Polizei Sonntagfrüh erschossen hatte. Zuvor hatte er bei zwei Anschlägen auf ein Kulturcafe und eine Synagoge zwei Menschen erschossen und fünf Polizisten verletzt. Laut Medienberichten durchkämmten bis zu 50 Polizisten in der Nacht auf Dienstag den Mjolnerparken im Stadtteil Nörrebro, wo der Attentäter gewohnt haben soll. Die Beamten hielten dort einen jungen Mann in Tarnkleidung fest. „Wir suchen nun danach, was er weggeschmissen haben könnte, als er vor uns weggelaufen ist“, sagte ein Sprecher. Dass die nächtliche Aktion mit den Attentaten zusammenhänge, bestätigte die Polizei aber nicht.

„Bruder“ auf Facebook

Die Polizei prüft eine Anklage gegen einen Mann, der den Attentäter von Kopenhagen verherrlicht hat. Rechtsexperten untersuchten, ob der 26-Jährige aus Aarhus gegen das Gesetz verstoßen habe, sagte ein Ermittler der örtlichen Polizei am Dienstag der Nachrichtenagentur Ritzau. Der Mann palästinensischer Herkunft hatte laut einem Bericht der Zeitung „Jyllands Posten“ auf seiner Facebook-Seite den mutmaßlichen Attentäter Hussein als seinen „lieben Bruder“ bezeichnet und ihm Gottes Segen gewünscht.

Unterdessen haben in Norwegen mehrere Synagogen ihre Sicherheitsmaßnahmen nach den Terrorangriffen in Dänemark verstärkt. Laut einem Bericht des norwegischen Rundfunks wurde die Straße vor der Synagoge in der Hauptstadt Oslo für mindestens zwei Jahre für den Verkehr gesperrt.

Faymann sagt jüdischer Bevölkerung Schutz zu

Der wahlkämpfende israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Sonntag von einer „Terrorwelle“ gegen Juden in Europa gesprochen und sie zur Auswanderung nach Israel aufgefordert. Ein Sprecher der dänischen jüdischen Gemeinde erteilte dem eine klare Absage: „Wir sind dänische Juden, aber wir sind Dänen“, sagte er am Montag. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, meinte dazu, jeder Jude solle selbst entscheiden, wo er leben wolle. Die Juden hätten ihren Platz in Europa und im Besonderen in Frankreich, sagte etwa auch Frankreichs Staatspräsident Franois Hollande.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sagte der jüdischen Bevölkerung nach den Anschlägen von Kopenhagen ebenfalls den Schutz des Staates zu. In Österreich lebende Juden würden wichtige Beiträge für das Land leisten und könnten sich des Schutzes sicher sein, sagte Faymann am Dienstag nach dem Ministerrat. Dazu sei auch die polizeiliche Bewachung jüdischer Einrichtungen erhöht worden. Die Regierung schenke dem Kampf gegen den Terror besondere Aufmerksamkeit, betonte Faymann, sowohl in gesellschaftlicher Hinsicht als auch mit Maßnahmen der polizeilichen Zusammenarbeit.

40.000 bei Gedenken

Montagabend versammelten sich in der Nähe des Tatortes in Kopenhagen rund 40.000 Menschen, um der beiden Opfer des Attentäters zu gedenken. Neben dem Regisseur war bei einem zweiten Anschlag auf eine Synagoge im Stadtzentrum in der Nacht auf Sonntag ein jüdischer Wachmann gestorben.

Menschen mit Kerzen bei der Trauerfeier in Kopenhagen

AP/Michael Probst

Zehntausende gedachten der Opfer der Anschläge

Nach dem Doppelanschlag von Kopenhagen rief Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt die Dänen auf, sich vom Terror nicht einschüchtern zu lassen. „Jetzt werden wir zusammenstehen und mit unserem Alltag weitermachen“, sagte die Regierungschefin am Montagabend. „Wir bestehen auf unsere Freiheit. Wir passen aufeinander auf“, hieß es weiter. Thorning-Schmidt sagte: „Ein Angriff auf die Juden ist ein Angriff auf Dänemark - auf uns alle.“ Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Kopenhagen, Dan Rosenberg Asmussen, rief Muslime und Juden zu Zusammenhalt auf. „Unsere gemeinsame Herausforderung ist der Extremismus“, sagte er bei der Feier nahe dem ersten Anschlagsort.

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