Themenüberblick

Über 20.000 Kilometer in zehn Tagen

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande schauen auf ein ereignisreiche Tage zurück. Im Zentrum stand die jüngste deutsch-französische Initiative in der Ukraine-Krise samt einer Marathonverhandlung im weißrussischen Minsk. Beobachter zeigten sich ob des Arbeitspensums erstaunt. Erst am Ende des EU-Gipfels wurden doch Anzeichen von Konzentrationsschwäche geortet.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Anlass dafür gab Hollande bei seiner Pressekonferenz am späten Donnerstagabend. Neben kleineren Versprechern verwechselte der 60-Jährige in der Antwort auf eine Journalistenfrage unter anderem die Länder Griechenland und Ägypten. An eine andere konnte er sich zunächst gar nicht mehr erinnern. „Wir werden diese Pressekonferenz gleich beenden“, sagte Hollande lachend und selbstironisch: „Ich sorge für eine gewisse Verwirrung.“

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande

AP/Kirill Kudryavtsev

Für Merkel und Hollande (hier in Minsk) war krisendiplomatische Kondition gefragt

Wie Merkel hatte Hollande zuvor rund 17 Stunden lang mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko in Minsk einen neuen Friedensplan ausgehandelt. Anschließend reisten beide direkt zum EU-Gipfel in Brüssel, wo sie mit den anderen Staats- und Regierungschefs knapp sieben Stunden neben der Ukraine-Krise und dem Schuldenstreit mit Griechenland unter anderem auch über Europas Anti-Terror-Kampf diskutierten.

„Alles im Fluss“

„Es ist ja morgen noch ein Arbeitstag“, machte Merkel in Brüssel deutlich, dass es wohl mit gleichem Tempo weitergehen dürfte. Nach Tausenden Flugkilometern, dem nächtlichen Verhandlungsmarathon zur Ukraine-Krise und dem EU-Gipfel gelte es nun, sich auch um die Innenpolitik zu kümmern. Nach den Tagen im Ausland gebe es „auch durchaus innenpolitische Herausforderungen“. Darum müsse sie sich „ja auch kümmern, ist ja alles im Fluss“, so Merkel.

Ihr gehe es nach der ereignisreichen Woche, die sie in die USA, nach Kanada, Weißrussland und Brüssel geführt hat, jedenfalls „nicht schlecht“. Aus den Delegationen in Brüssel hieß es, Merkel habe bei den Gesprächen mit ihren Kollegen aber durchaus eingeräumt, dass sie nach dem Reise- und Diplomatiemarathon doch „etwas müde“ sei.

Vergleich mit Genscher

In Medien war von „Marathon-Merkel“ und „Merkels Kamelkapazität“ die Rede. Den Fernsehsender n-tv erinnerte „die Unermüdliche“ in den letzten Tagen „ein wenig an den wohl umtriebigsten“ deutschen Politiker Hans-Dietrich Genscher - den „Mann mit dem gelben Pullunder“, der zum Ende des Kalten Krieges „überall war“.

Der Sender schloss nicht aus, dass Merkel den ehemaligen deutschen Außenminister sogar übertreffen könnte: „Sie schafft es neben ihren Reisen zu den ganz großen diplomatischen Herausforderungen, auch Termine einzustreuen, die - sagen wir es vorsichtig - keine Auswirkungen auf das geopolitische Gleichgewicht auf der Welt haben.“

Neben Kiew, Minsk und Brüssel war Merkel in den vergangenen zehn Tagen jedenfalls auch in Moskau, München, Washington und Ottawa zu sehen. Immer wieder gab es zudem „Abstecher“ nach Berlin - etwa unmittelbar vor einem Zweiaugengespräch mit Putin im Kreml für einen Staatsbesuch des irakischen Premiers Haidar al-Abadi. Die zurückgelegte Distanz wurde in Medien mit „weit über 20.000 Kilometern“ beziffert - offenbar Grund genug, um eine „Merkel’sche Schlafdebatte“ auszurufen.

„Wie war noch mal die Frage“

Die Frage, ob derart ausgedehnte Reiseaktivität „selbst für zähe Kreaturen sinnvoll verkraftbar ist“, wurde von der „Basler Zeitung“ („BAZ“) gestellt. Eine Antwort darauf haben nicht nur etliche Experten parat - Merkel selbst habe eingestanden, „eine Art Kamelkapazität“ zu haben, um mit Schlaf umzugehen. Ungeachtet ihrer Aussage „Mir geht’s nicht schlecht, also bin ich konzentriert“ war der dpa zufolge aber auch Merkel die Anstrengung der letzten Tage sehr wohl anzumerken. „Völlig übernächtigt und doch aufgekratzt“ sei sie bei ihrer Ankunft in Brüssel gewesen. Mit den Worten „Wie war noch mal die Frage“ habe auch Merkel - wenn auch „nur einmal“ - kurz den Faden verloren.

Links: