Themenüberblick

Peitschenhiebe als Enterprise

Gendertrouble ist over und die Welt so egotastisch, dass jeder so offen und freimütig über Porno reden darf, als gelte es nur noch, sich in der richtigen Zielgruppensoziologie einzuordnen. YouPorn geht für die einen dank Monsieur Houellebecq, Sadomaso bzw. BDSM wiederum für andere dank „Fifty Shades of Grey“. Da muss auch das Kino ran und schleudert seit Wochen vage Versprechen in die Welt: Bewegtbilder würden gefunden zu den Exzessen der Fantasie im Kopf von Millionen von Leserinnen und Lesern, die einen oder mehrere Teile eines „Erotikromans“ gelesen haben.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Ab Donnerstag kann man sich nun ein Bild davon machen, ob Hochglanzkino mit dem Sex-Pouvoir eines Sport-1-Nachtclips irgendwie noch an die Vorlage anknüpfen und dem wohl nicht immer jugendfreien Kino im Kopf folgen kann. Es ist keine halbe Stunde vergangen, da darf man sich als Kinobesucher/in zufrieden zurücklehnen. „Fifty Shades of Grey“ in der Regie der 47-jährigen Britin Sam Taylor-Johnson, einst Kunstfilmerin, ist ein wahrer Trade-off: Für den Gegenwert einer Eintrittskarte hat man da eigentlich schon mindestens drei Filme gesehen. Ein bisschen „American Psycho“, ein bisschen Cinderella und einiges an Legendenstrickung zum Thema Jungtycoon, so als müsste gleich Howard Hughes himself über die Häuser von Seattle fliegen.

Dakota Johnson und Jamie Dornan in "Shades of Grey"

UPI Media

Anschnallen und abheben. In den folgenden Momenten schaut der Film genau auf den festgezurrten Gurt bei der Hauptdarstellerin und auf Christian Greys Fähigkeiten am Steuerknüppel.

Doch alles halb so wild. Es ist nur Jamie Dornan als Christian Grey, der als „Aviator“ mit seinem Aschenputtel Anastasia Steele (gespielt vom US-Model Dakota Johnson) im Helikopter über die Skyline von Seattle schweben wird. Für sie wird alles Jungfernflug sein, für ihn zunächst alles Routine, die am Ende in seiner Sadomasokammer enden soll.

Was verbirgt Mr. Grey?

Es kommt dann doch alles ein bisschen anders, also nicht zu sehr, denn die Kammer erreichen sie tatsächlich. Doch das junge Ding aus dem Literature Department („english lit’“), das mit einem Interview beim Jungyuppie vorstellig wurde und im Studentinnenlook sein Interesse weckte, ist mit seiner nicht immer so gefügigen Haltung einem Geheimnis auf der Spur: Was verbirgt dieser so kalte Mann, der mit „niemandem schläft“, sondern nach Eigendefinition „hart fickt“ (Moment vielfältiger Lacher im Publikum) - und der sich mit seiner ganzen Kontroll- und Besitzerattitüde doch nur am Gängelband herumführen lässt?

Die ganzen Oberflächlichkeiten des Films kreisen um einen ernsten Kern, und wie als Hint liegt gegen Ende des Films ein Faulkner-Roman im Bild und damit ein Autor, dessen gesamtes Werk nur von den verschlossenen Türen der Biografie und den nicht knackbaren Kernen handelt.

Eine ewige Vertragsverhandlung

So bleibt die 120-minütige Handlung die Geschichte einer Annäherung von Menschen zweier Welten, die eigentlich vor allem eines ist: das Aushandeln eines Vertrages, dessen Grenzen die beiden im Lauf dieser Verhandlung mehr oder minder zart übertreten. Eigentlich gewinnt der Film erst in den letzten zehn Minuten an Fahrt - ein Missgeschick oder gewollter Trick, wenn man an die möglichen Fortsetzungen denkt, was freilich voraussetzt, dass sich beide Hauptdarsteller auch in Zukunft noch so grün sind, sich auf Körperkontaktebene zu nähern (Interviews im Vorfeld lassen da eher anderes vermuten).

Dakota Johnson und Jamie Dornan in "Shades of Grey"

UPI Media

„Fifty Shades“ und die Suche nach dem erotischen Moment

Ein Hauch von Baywatch

Die 110 Minuten davor tragen leider keinen Spielfilm, es sei denn, man erfreut sich an platten Dialogen, grell ausgeleuchteten Szenen der Welt von Reichen und Körpern, die zwischen trainiert und in jedem Aspekt sauber oszillieren. Jamie Dornan als Christian Grey wirkt leider so, als hätte er die falschen Schlüsse aus „American Psycho“ gezogen und die Zeit vor dem Film vor allem mit dem Konsum von Eiweißpräparaten verbracht. Das tut zwar seiner Muskelfülle gut. Als Liebhaber wirkt er aber eher so, als hätte der junge David Hasselhoff an Dakota Johnson eine unverwirklichte Frührolle zu verwirklichen. Johnson als Anastasia ist ihm in jeder Szene überlegen - nicht zuletzt, weil sie im Gegensatz zu ihm den Ansatz zum Spiel mit den Zwischentönen beherrscht.

Die über den Boulevard ventilierten Erotikversprechen löst der Film in keinem Moment ein. Die Bondage-Kammer ist penibel aufgeräumt, staub- und keimfrei. Immer wieder verspricht Christian Grey Grenzerfahrungen. Doch weder erschließen diese mehr von seiner Persönlichkeit noch tragen sie offenkundig zur Erkundung neuer Welten bei seinem Gegenüber bei. Wem würde man verdenken, dass man in dieser Welt des Glanzes das Weite sucht?

Gerald Heidegger, ORF.at

Links: