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Abschluss in sechs Monaten

Die börsennotierte Erste Group nimmt in ihrer ungarischen Tochterbank den ungarischen Staat sowie die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) als Minderheitsaktionäre an Bord. Es geht um jeweils bis zu 15 Prozent. Das haben die Spitzen von Erste Group, Regierung und EBRD am Montagnachmittag in Budapest fixiert. Ungarn kommt den Banken bei der Bankensteuer entgegen und schwört Mehrheitsübernahmen von Kreditinstituten ab.

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Die Verhandlungen um den Minderheitseinstieg bei der Ersten in Ungarn sind bereits aufgenommen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Der Deal soll innerhalb der nächsten sechs Monate abgeschlossen sein. Zur Ermittlung des Kaufpreises werden - nach einer Due-Diligence-Prüfung - externe Berater beigezogen. Die Vereinbarung war am Vormittag überraschend angekündigt worden, am Nachmittag wurden erste Details präsentiert.

Ungarns Premier Viktor Orban sprach in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Erste-Chef Andreas Treichl von einem neuen Kapitel in der Bankengeschichte seines Landes. Die Bankenabgabe sei als Krisensteuer in der schweren Zeit nach der Finanzkrise eingeführt worden. Trotz ihrer Kritik hätten sich die Banken korrekt verhalten. Sie hätten es „ausgehalten“, zumindest jene, die noch da seien. Jetzt gehe es darum, die ungarische Wirtschaft gemeinsam nach vorn zu bringen.

Einstieg auf Zeit

Die designierten neuen Minderheitsaktionäre werden aber nur auf Zeit an Bord bleiben: Jedenfalls vonseiten der EBRD wird in einer Aussendung auf eine Behaltefrist und vorfixierte „Exit-Bedingungen“ verwiesen. Wie lang diese Behaltefrist läuft, ist noch Gegenstand von Verhandlungen. Wie lange die beiden Neo-Aktionäre im Boot bleiben wollen, sagte Treichl noch nicht: „Das stellen wir den beiden frei“, meinte er bei einer Pressekonferenz in Budapest. Orban ergänzte, die genaue Größe der Beteiligung werde von der Bewertung abhängen.

Die EBRD wird sich wieder zurückziehen, sobald die Erste-Tochter in Ungarn wieder auf entsprechend dynamisches Geschäft in dem Land verweisen kann. In den Jahren bis dahin wird die EBRD durch ihre Beteiligung die Partnerschaft zwischen Erster und ungarischer Regierung unterstützen, wie es im Kommunique heißt.

Auch Regierung kann Vorstand entsenden

Treichl betonte, dass die Erste Bank Hungary „im mehrheitlichen Eigentum der Erste Group bleiben“ und weiter nach dem Reglement der Erste geführt und kontrolliert werde. Die Regierung in Budapest und die EBRD können die Ungarn-Bank mit je einem nicht geschäftsführenden Vorstand beschicken und werden auch im Aufsichtsrat vertreten sein.

Die EBRD plant nach Worten ihres Präsidenten Suma Chakrabarti ein stärkeres Engagement im ungarischen Finanzsektor. Die Erste hatte schon zuvor angekündigt, über die nächsten drei Jahre neue Kreditmittel über rund 550 Mio. Euro in Ungarn aufzulegen, und zwar spezielle Programme für Beschäftigte des öffentlichen Sektors, für Energieeffizienzprogramme und für Agrarinvestitionen.

Bankensteuer wird gesenkt

In einer Absichtserklärung hat sich die ungarische Regierung auch verpflichtet, von 2016 bis 2019 die von den Banken als besonders hoch kritisierte Bankensteuer „substanziell“ zu senken. In zwei Etappen wird die Steuer mehr als halbiert, die Rede ist zunächst von 60 Mrd. Forint (umgerechnet knapp 196 Mio. Euro). Als Basis dient dann zudem die Bilanzsumme der Banken von Ende 2014 und nicht mehr der Wert von 2009.

Die österreichischen Großbanken mit ihren umfangreichen Aktivitäten in Ungarn haben unter der Bankensteuer besonders gestöhnt. Für die Erste Group bedeutet die Entwicklung, dass sich die Bankensteuerlast daraus von 50 auf zehn Millionen Euro im Jahr reduziert, rechnete die Bank aus.

In dem Dokument verpflichtete sich die Regierung unter Orban zudem, dass sie nicht beabsichtige, Mehrheitsbeteiligungen an systemrelevanten lokalen Banken zu übernehmen. Zudem sagte die Regierung zu, „alle derzeit von ihr an lokalen Banken direkt oder indirekt gehaltenen Mehrheitsbeteiligungen innerhalb der nächsten drei Jahre an den Privatsektor zu übertragen“.

Seit Jahren Verluste

Die Erste Group schreibt - wie viele Konkurrenten auch - seit Jahren Verluste in Ungarn. Grund dafür sind neben den hohen Steuern wiederholte Zwangsmaßnahmen der dortigen Regierung: Sie verdonnerte die Banken dazu, massive Verluste aus dem Umtausch umstrittener Fremdwährungskredite zu schultern. Allein im dritten Quartal 2014 summierte sich das Minus der Erste Group auf 228 Millionen Euro.

Auch die Konkurrentin Raiffeisen Bank International hat bereits versucht, sich von ihrer Ungarn-Tochter zu trennen - bisher aber ohne Erfolg. Erst jüngst waren Spekulationen hochgekocht, Raiffeisen könnte ihre Ungarn-Tochter an die Erste Group verkaufen. Beide Institute wiesen das jedoch zurück. Ob Raiffeisen mit anderen Interessenten über einen Verkauf der Ungarn-Tochter verhandle, wollte die Bank nicht kommentieren.

Die österreichischen Banken sind seit Jahrzehnten in Ungarn vertreten. Für viele Institute war es der erste Auslandsmarkt im Osten, den sie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erschlossen haben. Ungarns Premier Orban wollte bisher den Einfluss der ausländischen Kreditgeber zurückdrängen und einen möglichst großen Teil des Bankensektors wieder in ungarische Hände bringen. Zuletzt hatte der Staat auch die BayernLB-Tochter MKB übernommen.

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