Auch fünfjähriges Berufsverbot verhängt
Der Kapitän der „Costa Concordia“, Francesco Schettino, ist für das Schiffsunglück mit 32 Toten zu insgesamt 16 Jahren Haft verurteilt worden. Das erklärte das Gericht im toskanischen Grosseto Mittwochabend. Das Gericht hatte nach siebenstündigen Beratungen das Urteil gefällt. Schettino wurde zu fünf Jahren Haft wegen fahrlässiger Havarie und zu zehn Jahren Haft wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, ein Jahr Haft kam wegen des Verlassens des Schiffes mit Minderjährigen und Behinderten an Bord dazu.
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Schettino wurde neben der Haftstrafe auch zu einem fünfjährigen Berufsverbot verurteilt. Der Kapitän der „Costa Concordia“ wird außerdem lebenslang von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, so das Gericht weiter. Schettino wurde auch zur Zahlung von Entschädigungen an mehrere Nebenkläger verurteilt. Zu ihnen zählen überlebende Passagiere, Familienangehörige der Todesopfer, die Region Toskana, das italienische Umweltministerium und die Insel Giglio.

APA/EPA/Claudio Giovannini
Das Gericht verkündet Mittwochabend das Urteil
Schettinos Anwälte gehen in Berufung
Eine Entschädigung in Höhe von 30.000 Euro erhielt auch die Ex-Geliebte des Kapitäns, Domnica Tschemortan. Diese hatte berichtet, einen doppelten Schaden als Passagierin und wegen des „Medienangriffes“ aufgrund ihrer Beziehung zum Kapitän erlitten zu haben. Sie hatte deswegen eine Entschädigung von 200.000 Euro verlangt. Die Tänzerin hatte sich zum Zeitpunkt des Unglücks mit Schettino auf der Kommandobrücke des Schiffes aufgehalten.
Das Gericht lehnte den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Inhaftierung Schettinos ab, denn es bestehe keine konkrete Fluchtgefahr. Dieser Beschluss wurde mit dem korrekten Verhalten des Kapitäns begründet, der an fast allen Gerichtsverhandlungen teilgenommen hatte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Anwälte Schettinos wollen gegen die Verurteilung ihres Mandanten berufen. „Wir sind mit dem Urteil nicht zufrieden und werden dagegen in die Berufung gehen“, kommentierte Schettinos Anwalt Domenico Pepe am Mittwoch.
„Der Kapitän ist kein Verbrecher“
„Die Strafe ist hart. Die Tatsache, dass wir die übertriebene Haftforderung der Staatsanwaltschaft um fast die Hälfte reduzieren konnten, gibt Schettino jedoch ein wenig seiner Würde zurück. Der Kapitän ist kein Verbrecher. Die Havarie der ‚Costa Concordia‘ war ein Unfall“, betonte Pepe. Sein Mandant sei schwer mitgenommen, daher sei er bei der Urteilsverkündung am Mittwochabend nicht anwesend gewesen. Zuvor hatte es geheißen, Schettino habe Fieber.
Der Anwalt kritisierte, dass das Gericht den Kapitän wegen des Verlassens des Schiffes verurteilt habe. „Dieser Vorwurf ist für unseren Mandanten verleumderisch“, klagte Pepe, der in seinem Schlussplädoyer Freispruch für den Kapitän gefordert hatte. Juristen hoben hervor, dass in Italien noch nie eine so hohe Strafe wegen fahrlässiger Tötung gefällt worden sei. Staatsanwältin Maria Navarro zeigte sich hingegen mit dem Urteil zufrieden. Sie hatte eine Haftstrafe von 26 Jahren und drei Monaten für Schettino gefordert.
Schettino sieht sich als Sündenbock
Schettino, der nach dem Unglück fast sechs Monate unter Hausarrest verbracht hatte, beklagte am Mittwoch seine Rolle als Sündenbock. „Mein Kopf wurde geopfert, um wirtschaftliche Interessen zu schützen“, sagte er. Bevor sich die Richter zur Beratung zurückzogen, appellierte Schettino unter Tränen an das Gericht, ihn nicht zum einzigen Verantwortlichen für die Tragödie zu machen. Die Medien hätten ihn in den vergangenen drei Jahren „durch den Fleischwolf“ gedreht. Er könne nicht in Worte fassen, wie sein Leben dadurch geworden sei.
Zugleich wies Schettino den von der Staatsanwaltschaft geäußerten Vorwurf fehlender Sensibilität zurück, weil er sich nicht bei den Familien der Opfer entschuldigt habe. „Schmerz und Trauer stellt man nicht zur Schau“, so der Kapitän. „An diesem 13. Jänner 2012 bin auch ich zum Teil gestorben“, sagte er. „Es ist schwierig, das ein Leben zu nennen, was ich lebe.“ Am Ende brach er die Verlesung seiner Erklärung unter Tränen und lautem Schluchzen ab.
Es gebe keinen Zusammenhang seines Handelns mit dem Tod von 32 Passagieren, hatte sein Anwalt Pepe am Montag an das Gericht appelliert. Das Unglück sei ein „unvorhergesehenes, außergewöhnliches und nicht absehbares“ Ereignis gewesen, ein „Unfall auf dem Meer“. Schettinos Anwalt hatte darum gebeten, die geringste mögliche Strafe zu verhängen und mildernde Umstände anzuerkennen.
„Wendiger Idiot“
Der Prozess mit Schettino als einzigem Angeklagten begann bereits im Juli 2013 - und dauerte damit über eineinhalb Jahre. Die Staatsanwaltschaft sparte nicht mit Kritik am Kapitän, den sie als eine Mischung aus „einem leichtsinnigen Optimisten und einem wendigen Idioten“ bezeichnete, der seine Fähigkeiten überschätzt habe. „Gott sei mit Kapitän Schettino barmherzig, weil wir es nicht sein können“, hatte Ankläger Stefano Pizza in seinem Schlussplädoyer erklärt.
Die Verteidigung klagte im Vorfeld des Urteils regelmäßig über Voreingenommenheit Schettino gegenüber. Von Anfang an habe die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen nicht auf objektive Weise geführt. Sie habe sich nicht auf die Havarie, sondern auf den „feigen Kapitän“ konzentriert, um Schettino als „negative Figur“ und als einzigen Verantwortlichen des Unglücks darzustellen, betonte Rechtsanwalt Donato Laino.
Fehler eingeräumt, Crew beschuldigt
Die Staatsanwaltschaft habe sich keineswegs mit den Fehlern der Offiziere befasst, die bereits zu geringeren Strafen verurteilt wurden. Schettino räumte zwar eine Mitschuld ein, hatte jedoch stets behauptet, seine Crew habe die entscheidenden Fehler gemacht. Staatsanwalt Alessandro Leopizzi kritisierte die Strategie der Verteidigung, die Schuld auf Crewmitglieder abschieben zu wollen. Vier Crewmitglieder und ein Manager der Reederei Costa Crociere hatten sich vor dem Prozess mit dem Gericht gegen Schuldeingeständnisse auf Haftstrafen bis zu knapp drei Jahren geeinigt.
Das mit 4.200 Passagieren - darunter 77 Österreicher - besetzte Schiff war am 13. Jänner 2012 vor Giglio auf einen Felsen aufgelaufen und binnen Stunden gesunken. Nach dem Unglück war heftige Kritik an der Betreibergesellschaft und am Kapitän laut geworden. Das Wrack der „Costa Concordia“ wurde im Juli zum Verschrotten nach Genua geschleppt.
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