„Keiner will im Abseits stehen“
Die USA sind mit 537 Milliardären das Land mit den meisten Superreichen, die durch Spenden gerne als Wohltäter in der Öffentlichkeit auftreten. Vor allem junge Superreiche sorgen diesbezüglich mit immer neuen Rekordsummen für Aufsehen. Doch laut Experten nutzen sie das in erster Linie zur Imagepflege und wissen oft gar nicht, wohin ihr Spendengeld fließt.
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Auch für das Jahr 2014 hat die US-Zeitschrift „The Chronicle of Philanthropy“ die Top 50 der Philanthropen in den USA, wo die Zahl der Milliardäre im vergangenen Jahr laut Wohlstandsbericht um 56 auf 537 stieg, ermittelt. Insgesamt spendeten diese knapp 9,8 Milliarden Dollar (8,64 Mrd. Euro), das sind 47 Prozent aller getätigten Spenden in den USA. Angeführt wird die Liste mit Bill Gates (59) von einem „alten Hasen“. Der Microsoft-Gründer überwies im vergangenen Jahr mit seiner Frau Melinda knapp 1,5 Milliarden Dollar in die eigene Stiftung.

Reuters/Robert Galbraith
Das Vermögen von Zuckerberg soll bei mehr als 30 Milliarden Dollar liegen
Aber auffällig ist, dass auf der Liste zwölf Personen aufscheinen, die unter 40 Jahre alt sind. „Das ist das erste Mal, dass so viele junge Menschen aufscheinen“, erzählte die Wirtschaftsexpertin Maria Di Mento im US-Magazin „The New Yorker“. Noch ein Jahr zuvor waren es sechs.
„Amerikaner werden früher reich“
Der Grund für den Anstieg an Jungspendern - rund zehn Prozent der 537 Milliardäre in den USA sind unter 40 - liegt für Di Mento auf der Hand. „Durch die Internettechnologie werden die Amerikaner heute früher und schneller reich. Früher vergrößerten die Reichen ihr Vermögen über mehrere Jahrzehnte. Heute gelingt das in einem Deal innerhalb von wenigen Stunden“, sagte Di Mento.
Durch Spenden haben Jungmilliardäre nun einen neuen Weg gefunden, mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu bekommen. Mittlerweile findet darin sogar ein regelrechter Wettbewerb statt. „Sie wollen dadurch ihr Image aufpolieren und übertrumpfen einander ständig mit neuen Rekordsummen. Es gibt einen Gruppenzwang, keiner will im Abseits stehen“, sagte Di Mento.
Der 38-Jährige WhatsApp-Mitbegründer Jan Koum kam mit seiner 556-Millionen-Dollar-Spende an die Silicon-Valley-Stiftung auf Platz vier der Topliste. Einen Platz dahinter landete der 35-jährige Ex-Facebook-Präsident und Gründer von Napster, Sean Parker, mit 550 Millionen Dollar, die er in die familieneigene Stiftung und einen philanthropischen Fonds spendete. Platz sechs ging an den 39-jährigen Nicholas Woodmann, Gründer des Sportkameraherstellers GoPro, der ebenfalls knapp 500-Millionen-Dollar in die Silicon-Valley-Stiftung pumpte.
Viele Spenden fließen in Silicon-Valley-Stiftung
In diese Stiftung flossen im vergangenen Jahr auch die meisten Spendengelder in den USA. Sie leitet Gelder an andere Wohltätigkeitsorganisationen weiter und unterstützt Projekte aus den Bereichen Hilfe für Migranten und Arbeitslose, Wohltätigkeit für Arme sowie Gesundheit, Umwelt, Bildung und Kultur. Allerdings sind die Gelder nur für Projekte und Organisationen rund um San Francisco vorgesehen.
Mark Zuckerberg, Gründer von Facebook, scheint dieses Mal in dieser Liste nicht auf. Der 30-jährige Facebook-Gründer war 2013 mit einer 992-Millionen-Dollar-Spende an die Silicon-Valley-Stiftung sogar an erster Stelle. Doch erst kürzlich kündigte Zuckerberg an, für heuer eine 75 Millionen-Dollar-Spende für ein Krankenhaus in San Francisco zu tätigen.
Dass hauptsächlich in Stiftungen (470 Milliarden Dollar liegen in den USA in allen zusammen) gespendet wird, hat für Di Mento einen einfachen Grund. „Es bietet Sicherheit. Wenn man eine Menge Geld hat und man ist sich sicher, es in die Wohltätigkeit zu stecken, aber nicht weiß, wann und für welches Projekt, dann sind Stiftungen ein gangbarer Weg“, sagte Di Mento. Die Spender können sich demnach auch beliebig Zeit lassen, um zu entscheiden, was die Stiftungen mit den Spenden machen sollen.
„Statt Steuern zu zahlen, wird gespendet“
Doch es regt sich auch Misstrauen gegen diese Form der Wohltätigkeit. „Statt Steuern zu zahlen, wird gespendet. Das dient nicht nur dem Machterhalt, sondern auch der Machterweiterung“, kritisierte der frühere US-Arbeitsminister und jetzige Politikprofessor Robert Reich Anfang Februar in der „Welt“.
Laut Reich können die Spendengeber viele Steuervorteile genießen. „Spenden können in den USA sehr großzügig abgeschrieben werden, der Nachweis der Wohltätigkeit muss aber nur sehr grob geführt werden“, sagte Reich. Schätzungen zufolge entgehen dem US-Staat jedes Jahr 40 Milliarden Dollar durch solche Steuererlässe.
„Moralisch bedenklich“
Weiters wüssten vor allem die jungen Superreichen oft gar nicht, welchem Projekt ihre Spenden zukommen, wenn sie Geld in Stiftungen investieren. „Vielen geht es nur darum, einfach irgendwelche Summen zu spenden, um in der Öffentlichkeit als Gutmensch dazustehen. Dann zu sagen, man hätte Wohltätigkeit geübt, ist moralisch bedenklich“, sagte Reich. Es gäbe aber auch positive Beispiele. „Zuckerbergs Investition für das Krankenhaus finde ich ziemlich cool“, sagte Reich.
Das Krankenhaus in San Francisco soll künftig seinen Namen tragen. Die Spende werde es erlauben, in der Notaufnahme die Fläche zu verdoppeln und viermal mehr Betten unterzubringen. Laut Experten ist Zuckerbergs Spende die bisher größte von Privatleuten an ein öffentliches Krankenhaus in den Vereinigten Staaten.
Öffentlichkeitsdrang in Sozialen Netzwerken
Di Mento stellte durch die Spendenfreudigkeit junger Milliardäre auch einen neuen Trend fest. Denn noch vor wenigen Jahrzehnten behielten es sich die reichen Leute vor, ihr Vermögen, solange sie lebten, zurückzuhalten und erst nach ihrem Tod an Wohltätigkeitsorganisationen zu vererben. Nur widerwillig wurden laut Di Mento Auskünfte über Spenden gegeben. „Sie wollten ihre Privatsphäre schützen. Heute ist das durch die Sozialen Netzwerke völlig anders.“
Dort sprechen die Jungspender sehr offen über ihre Wohltätigkeiten. „Es ist eine gute Sache, Geld zu geben. Wenn Du kein Geld für Wohltätigkeitsorganisationen gibst, machst Du etwas falsch“, schrieb Zuckerberg kürzlich auf Facebook.
In Kampagne wird Spendenversprechen abgegeben
Zuckerberg ist auch einer von 122 Superreichen, die an der Kampagne „Giving Pledge“ teilnehmen. Diese wurde vor fünf Jahren von Gates und Warren Buffett (79 Jahre, 47 Milliarden Dollar Vermögen) ins Leben gerufen. Die Initiative sammelt kein Geld der Spender ein, sondern ruft die Milliardäre dazu auf, das Versprechen abzugeben, einen Teil ihres Vermögens für wohltätige Zwecke zur Verfügung zu stellen. Vorrangig geht es um Gesundheitsprojekte in Entwicklungsländern und Sozialprojekte in den USA.
„Über 99 Prozent meines Reichtums wird während meines Lebens oder bei meinem Tod an philanthropische Projekte gehen“, teilte Buffet auf der Website der Initiative mit. „Uns geht es nicht um Publicity oder persönliche Vorteile. Wir wollen Menschen unterstützen, denen es nicht so gut geht, und damit die Welt zu einem besseren Ort machen“, schrieb Buffet.
„USA hängen von Spendern ab“
Laut Di Mento wird in den Vereinigten Staaten von Reichen geradezu erwartet, dass sie ihren Mitmenschen etwas geben. Ohne diese Zuwendungen müssten viele Universitäten, Museen und Konzerthäuser zusperren. Das „Zurückgeben“ habe in den USA eine völlig andere Tradition, weil die Rolle des Staates viel kleiner ist und durch Steuern auch weniger umverteilt werde. „Die USA hängen von den Spendern ab, auch wenn ihnen durch fehlende Transparenz und persönliche Vorteile eine zwielichtige Spendenmoral vorgeworfen werden kann", so Di Mento.
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