Über 1.000 Mitglieder in drei Wochen
Die Unzufriedenheit der Ärzte mit ihren Interessenvertretern ist groß - insbesondere in Wien, Kärnten und Oberösterreich. Es sei zu spät auf das EU-Arbeitszeitgesetz reagiert worden, Verhandlungen liefen hinter verschlossenen Türen, Informationen über Ergebnisse seien dürftig. Die neue Ärztegewerkschaft Asklepios will das nun ändern.
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Der in einem Wiener Spital tätige Lungenarzt Gernot Rainer möchte alle angestellten Ärzte unter dem Dach der nach dem griechischen Gott der Heilkunst benannten Gewerkschaft versammeln: „Ziel ist, schnell einen höheren Organisationsgrad als die verhandelnden Gewerkschaften zu haben.“ In den ersten drei Wochen erreichte der Verein über 1.000 Mitglieder. Die Hälfte von ihnen sind Ärzte aus Wien. Der Anspruch ist, auch die Spitalsärzte in den Bundesländern zu vertreten.
„Wir wollen überall verhandeln, wo man mitverhandeln kann“, so Rainer im ORF.at-Interview. Immer mehr kämen auch Berichte aus den Bundesländern, die bereits über die Umsetzung der neuen Arbeitszeitregelung verhandelt haben, dass die Arbeitszeit zum Teil nicht gesetzeskonform sei. „Da werden Mitgliedsbeiträge sicher auch für juristische Aufarbeitungen verwendet werden“, ist der Asklepios-Gründer überzeugt. „Unbedingtes“ Ziel sei aber, in Zukunft an den Kollektivvertragsverhandlungen teilzunehmen, betonte Rainer. Viele Ärzte fühlen sich von den derzeitigen Verhandlern nicht vertreten.
Geringe Vertretungsreichweite
Der Politologe Ferdinand Karlhofer von der Universität Innsbruck hält es im ORF.at-Interview für nicht sehr realistisch, dass Asklepios-Vertreter eines Tages am Verhandlungstisch sitzen, um über Gehälter zu reden: „Die Kollektivvertragsfähigkeit muss man zuerkannt bekommen. Sonst ist man kein relevanter Partner.“ Ob man diese Kompetenz zugesprochen bekommt, darüber entscheidet das Bundeseinigungsamt. Die Kriterien sind im Arbeitsverfassungsgesetz geregelt. Entscheidend ist etwa ein „größerer fachlicher und räumlicher Wirkungsbereich“. Zudem sollten „Zahl der Mitglieder und der Umfang der Tätigkeit eine maßgebende wirtschaftliche Bedeutung haben“.
Asklepios fehle diese Größenordnung, so Karlhofer. Zudem handle es sich um nicht homogene Berufsgruppen mit einer starken Hierarchie von Jung- bis zu den Primarärzten. Die neue Gewerkschaft vertrete vor allem die jüngeren Turnus- und Fachärzte, sagt Karlhofer: „Es ist eine Gewerkschaft von Jungärzten in Kliniken mit prekärer Arbeitssituation. Für die Krankenanstalten als Arbeitgeber ist das nicht ausreichend.“ Asklepios vertrete damit nur einen Teil der Belegschaft. Die Vertretungsreichweite würde nicht akzeptiert werden.
„Keine erfreuliche Angelegenheit für ÖGB“
Rainer gesteht zu, dass Asklepios eher den jüngeren Ärzten folge, da in dieser Gruppe die größte Unzufriedenheit herrsche. Das sei aber auch eine Notwendigkeit: „Die Jüngeren sind flexibler. Der Sprung ins Ausland ist einfacher.“ Rainer beobachtet aber trotz der vielfältigen Interessenlagen eine wachsende Solidarität unter allen Ärztegruppen.
Auch wenn mit Asklepios nicht unbedingt eine Gewerkschaft mit „umfassender Vertretung“ entstehe, so könne in bestimmten Konfliktsituationen ein Verband wie Asklepios zu einem entscheidenden „Störfaktor“ werden, ist Karlhofer überzeugt: „Wenn sich auf Dauer so ein Verein etabliert, wäre das für den ÖGB keine erfreuliche Angelegenheit.“ Er rechnet daher damit, dass sich der ÖGB die größte Mühe geben werde, ausscherende Gruppen zu gewinnen und Asklepios-Vertreter in das eigene Verhandlungskomitee zu integrieren.
Gewerkschaften skeptisch
Davon ist derzeit auf beiden Seiten keine Rede. Bisher sind die Ärzte in vier Gewerkschaften innerhalb des ÖGB vertreten. Diese warnen nun auch vor einem geschwächten Verhandlungsmandat der Arbeitnehmerseite. „Vonseiten der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG) sehen wir das nicht so positiv, weil wir der Meinung sind, dass wir ein großes Spektrum vertreten, wo die Ärzte auch enthalten sind“, so die stellvertretende GdG-Vorsitzende Angela Lueger gegenüber Ö1 - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Die GdG vertritt die Wiener Spitalsärzte des Krankenanstaltenverbunds (KAV). Es mache wenig Sinn, „wenn jede eigene Berufsgruppe ihren eigenen Verband hat, der sie vertritt“. Als „zu schwach, um Kollektivvertragsverhandlungen führen zu können“, bezeichnete der leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz in einem „Kurier“-Interview die neue Ärztegewerkschaft. Für Rainer ist eine Kooperation mit den Gewerkschaften innerhalb des ÖGB allerdings „derzeit kein primäres Ziel“.
Simone Leonhartsberger, ORF.at
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