Perfide Sprengfalle
Vor genau 20 Jahren hat der Terror des Bombenbauers Franz Fuchs einen traurigen Höhepunkt erreicht. In der Nacht auf den 5. Februar detonierte nahe der Roma-Siedlung in Oberwart eine Rohrbombe und tötete vier Männer. Die Männer gerieten in eine Sprengfalle, als sie eine als Verkehrszeichen getarnte Tafel mit der Aufschrift „Roma zurück nach Indien“ entfernen wollten. Fuchs wurde 1999 für den Anschlag verurteilt.
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Es war kurz vor Mitternacht, als die Bewohner der Oberwarter Roma-Siedlung einen lauten Knall hörten. Erst in den Morgenstunden entdeckte man die Leichen der vier Männer. Josef Simon (40), Peter Sarközi (27) sowie Karl (22) und Erwin Horvath (18) starben durch eine Rohrbombe.

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Trauer in Oberwart
Zunächst „Unfall“ vermutet
Die vier Männer dürften sich auf einem Kontrollgang befunden haben, als sie auf einer Kreuzung rund 250 Meter von der Siedlung entfernt ein vermeintliches Verkehrszeichen entdeckten. Es bestand aus einem Kunststoffsockel, einem etwa 1,20 Meter langen Rohr sowie der darauf befestigten Tafel. Als sie den Gegenstand aufhoben, löste das den Zündmechanismus aus. Der Sprengstoff befand sich offenbar im oberen Drittel des Rohres, so dass die Splitter bei der Explosion den Brustkorb der Umstehenden treffen mussten.

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Die Überreste der Bombe
Erst am Vormittag erreichte die Meldung die Medien. Und da schlossen Ermittler und Innenministerium zunächst auch nicht aus, dass es sich um einen Unfall gehandelt haben könnte. Man ermittle in beide Richtungen, hieß es am Tag nach dem Anschlag. Vor allem der damalige Innenminister Franz Löschnak (SPÖ) geriet in die Kritik, nachdem er öffentlich Unfallvarianten oder mögliche kriminelle Machenschaften der Opfer ventilierte. Am 6. Februar verkündete er dann aber die Ermittlungsergebnisse: „Ein Unfall ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.“

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Die Tafel an der Rohrbombe
Die Bombenserie des Franz Fuchs
Der Anschlag sorgte für Entsetzen und Betroffenheit - in der Bevölkerung ebenso wie in der Politik. Wie sich im Zuge der Ermittlungen später herausstellte, enthielt die Bombe in Oberwart denselben Sprengstoff wie jene Briefbomben, die ab 1993 mehrere Adressaten zum Teil schwer verletzte.
Gebaut wurden die Bomben von Fuchs, einem Südsteirer, der unter dem Pseudonym „Bajuwarische Befreiungsarmee“ (BBA) agierte. Zu seiner Festnahme am 1. Oktober 1997 kam es bei einer routinemäßigen Fahrzeugkontrolle. Anstatt den Polizisten seine Papiere zu geben, zündete er eine Rohrbombe, die ihm beide Unterarme wegriss und die zwei Männer verletzte. Die Fahndung nach dem Urheber einer in Österreich einmaligen Serie von Bombenanschlägen war damit beendet.
Suizid ein Jahr nach Urteil
Der mit Spannung erwartete Prozess am Grazer Landesgericht gegen den Bombenbauer 1999 verlief dann turbulent, denn der damals 49-jährige Angeklagte schrie im Gerichtssaal in einem fort Hasstiraden gegen Staat, Justiz und Ausländer. Das Urteil des Geschworenensenats lautete schließlich auf lebenslange Haft und Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Rund ein Jahr später beging Fuchs in der Haft Suizid.

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Fuchs beim Prozess
Einiges verbessert, manches unverändert
20 Jahre später hat sich in Oberwart einiges geändert - doch vieles ist auch gleich geblieben. In der Roma-Siedlung am Stadtrand von Oberwart, die noch immer die größte ihrer Art in Österreich ist, leben nur noch rund 60 Menschen, berichtet das „profil“. Viele seien nach Wien oder in andere größere Städte gezogen. Das Klima habe sich schon ein bisschen verbessert: Die Roma würden bei Polizei und Behörden besser behandelt, schildert Mario Baranyai vom Roma-Verein dem Magazin. Auch Beratungsstätten und Förderkurse für Schulkinder hätten dabei geholfen.
Doch Diskriminierung und merkwürdige Blicke im Alltagsleben gebe es nach wie vor, meint Julius Berger, der Bruder einer der getöteten Männer, zum „profil“ - auch wenn „grobe Beschimpfungen seltener zu hören sind“. Auch Georg Rosner, Bürgermeister von Oberwart (ÖVP), sieht gegenüber dem „profil“ die Situation verbessert, es gebe „einen offeneren und toleranteren Umgang in der Bevölkerung“. Von „eitel Wonne“ könne man aber nicht sprechen.
Geschehen verdrängt
Die Situation aus Sicht der Roma selbst schilderte Stefan Horvath, der bei dem Attentat einen Sohn verlor, im APA-Gespräch schon 2013. Damals habe sich sein Leben verändert. Zwei Jahrzehnte später habe die Volksgruppe das Geschehen von damals zum Großteil verdrängt, meint Horvath: „Man will sich nicht erinnern, es belastet ganz einfach zu viel“, ortet er Ähnlichkeiten zum Verhalten seiner Eltern. Beide seien im KZ gewesen und hätten nie über diese Zeit geredet. Das Thema sei, wenn Journalisten und Außenstehende es nicht ansprächen, das ganze Jahr nicht einmal eine Erwähnung wert. Geschichte zu verdrängen sei aber seiner Meinung nach der falsche Weg.
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