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Ein Orden als Stolperstein

Ausgerechnet am Nationalfeiertag hat Tony Abbott dem britischen Prinzregenten Philip den australischen Ritterorden verliehen - ein Fehlgriff, der nicht ungestraft geblieben ist. Nach einer Woche Spott, Häme und scharfer Kritik steht der Premierminister politisch mit dem Rücken zur Wand.

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„Ich habe akzeptiert, dass ich es möglicherweise übertrieben habe“, gab sich Abbott am Montag vor dem australischen Presseclub reumütig. „Mit dem heutigen Tag mache ich ganz klar, dass sämtliche Auszeichnungen durch den ‚Order of Australia‘ allein Sache des Rats des Ordens sind“, so der Premierminister. Zugleich kündigte Abbott an, eine unpopuläre Gesetzesvorlage zur Karenz zurückzunehmen. „Ich habe zugehört, ich habe gelernt, ich habe gehandelt“, sagte Abbott.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Premierminister eine der schwierigsten Wochen seiner Politikerkarriere hinter sich. Das lag weder an der international kritisierte Flüchtlings- und Umweltpolitik noch der innenpolitisch umstrittenen und nur mäßig erfolgreichen Sparpolitik seiner Regierung. Auch die Kritik an den Sicherheitspannen rund um die blutige Geiselnahme in Sydney kurz vor Weihnachten überstand der Premierminister. Seine Popularität hatte zwar in den vergangenen Monaten merklich gelitten, doch sein Amt war nie wirklich in Gefahr.

Kein Australier - dafür Royal

Vergangenen Sonntag sollte sich das ändern: An ihrem Nationalfeiertag gedenken die Australier der Ankunft der ersten britischen Flotte am 26. Jänner 1788. Dieses - für manche Australier nicht unproblematische - Datum wählte Abbott aus, um die Vergabe des australischen Ritterordens zu verkünden. Neben dem ehemaligen Leiter der Streitkräfte Angus Houston ging der Orden auch an den Mann von Queen Elizabeth II., den Prinzregenten Philip. Der ist kein Australier, aber dafür Mitglied der britischen Königsfamilie. Und den Australiern vor allem mit einem seiner typischen Fauxpas in Erinnerung: „Werfen Sie noch immer mit Speeren nacheinander?“, hatte Philip einen Aborigine bei seinem Australien-Besuch 2002 gefragt.

In Anbetracht dessen mag man Abbotts Entscheidung als provokant und vor allem als ungeschickt beurteilen. Laut dem britischen „Guardian“ wurde sie für Australien zur einer „Art Rohrschachtest“: Jeder habe darin etwas Verachtenswertes erkennen können, so die britische Zeitung. Abbotts Regierungskollegen kritisierten etwa, dass sich der Premierminister nicht mit ihnen abgesprochen habe – kein neuer Vorwurf. Auch als der Premierminister den Ritterorden vor einem Jahr wiedereinführte, tat er das, ohne sich zuvor mit seinen Ministern beraten zu haben. Zumindest seine Mitarbeiter sollen ihn damals, so der „Guardian“, allerdings vor einer „saudummen“ Entscheidung gewarnt haben.

„Mad Monk“ bestätigt Vorurteile

Abbotts Mitarbeiter konnten sich wohl vorstellen, dass solch monarchistische Spielereien die Vorurteile gegenüber dem Premierminister nur befeuern konnten. „Mad Monk“ (deutsch: Verrückter Mönch) lautet ein – kaum schmeichelhafter – Spitzname Abbotts. Seine Gegner spielen damit auf seine abgebrochene Ausbildung zum Priester und seine oftmals ins Extreme schlagenden politischen und gesellschaftlichen Ansichten an.

Australiens Premierminister Tony Abbott neben einem Foto der britischen Queen

APA/EPA/Wayne King

In jüngster Zeit vermied Abbott Fettnäpfchen - zumindest bis vor einer Woche

Die Wiedereinführung des Ritterordens war somit Wasser auf den Mühlen seiner politischen Gegner. Im Frühjahr 2014 waren die Sozialen Medien voll mit Spott und Hohn für den australischen Premier. Mit der Auswahl der ersten Ordensträger konnte Abbott den Kritikern vergangenes Jahr noch den Wind aus den Segeln nehmen. Die drei Ausgezeichneten waren allesamt lang gediente australische Politiker – darunter mit Marie Bashir und Quentin Bryce zwei Frauen.

Spott und Schock

Auch diesmal entzündete sich die Kritik in den Sozialen Medien. Noch vor der offiziellen Verkündigung der Ordensverleihung war der Kurznachrichtendienst Twitter bereits voll mit hämischen Kommentaren. Als Journalisten Abbott am Nationalfeiertag auf die Kritik im Netz ansprachen, bezeichnete der Premierminister die Sozialen Medien freilich noch als „elektronische Graffiti“ und spielte ihre Bedeutung herunter. „Sie würden ja auch nicht darüber berichten, was auf Gebäudemauern gesprüht ist“, so der Premierminister laut „Guardian“ gegenüber den Pressevertretern.

Doch die Aufregung blieb weder auf das Netz noch auf die politischen Gegner beschränkt. „Ich wünsche allen einen frohen 1. April, da ich in der Zeitung gelesen habe, dass Prinz Philip jetzt ein Ritter ist“, ätzte Adam Giles - immerhin Chef der konservativen Regierung des Northern Territory. Während Giles es noch mit Humor probierte, war der konservative Kommentator Andrew Bold sichtlich aus der Fassung: „Das ist eine solch armselig dumme ... meine Güte, ich wollte wirklich nicht so hart sein, weil ich Tony Abbott wirklich gern habe. Aber das ist einfach eine so richtig, richtig dumme Entscheidung, so schädlich, dass sie tödlich sein könnte“, so Bold gegenüber Radio Sydney.

Rupert Murdoch, jener Mann der Abbott mit seinem Zeitungsimperium durch den Wahlkampf 2013 getragen hatte, verkündete auf Twitter: „Abbott-Ritterschlag ein Witz und eine Peinlichkeit". Und der öffentlich-rechtliche Fernsehender ABC zitierte anonym einen Minister aus Abbotts Regierung: „Ein altes Sprichwort besagt, dass man aufhören sollte zu graben, wenn man in einem Loch steckt. Nun ja, wir haben soeben die Erdkruste durchschlagen.“

Verlorene Wahl trifft auf Umfragetief

In die aufgeheizte Stimmung hinein fiel am Samstag die Wahl in Queensland. Sie kostete die konservative Regierung nach nur einer Amtszeit überraschend ihre Mehrheit. Als Grund für den Wahlverlust nennen Beobachter auch die Aufregung um Prinz Philips Ritterschlag. Abbotts Fehlgriff zieht weite Kreise und sorgt auch in der konservativen Regierungskoalition für Unruhe.

Die jüngsten Umfragen von Montag dürften daran wenig ändern: 46 Prozent der Australier sprachen der Regierung ihr Vertrauen aus, während 54 Prozent ihre Stimme der Labor-Partei geben würden – eine Umkehr der Wahlergebnisse von 2013. Noch schlechter steht es um Abbotts Beliebtheit. Nur noch 29 Prozent sind mit dem Premierminister zufrieden. Im Dezember waren es immerhin noch 38 Prozent.

Sägen an Abbotts Stuhl

Im Gespräch mit Radio Sydney rief der Abgeordnete Dennis Jensen Abbott bereits offiziell zum Rücktritt auf. Und er ist mit seiner Meinung nicht allein. So mancher australische Konservative würde lieber Kommunikationsminister Malcolm Turnbull, Chef der Liberal Party of Australia, oder Abobotts Stellvertreterin, Außenministerin Julie Bishop, auf dem Posten des Premierministers sehen.

Bishop versicherte inzwischen, Abbott weiterhin zu unterstützen. Turnbull gab sich verdeckter. Als er vergangene Woche gefragt wurde, ob er wieder die Führung der Partei übernehmen wolle, antwortete er: „Das Einzige, was uns an der politischen Front interessieren sollte, ist die Rede des Premierministers vor dem Nationalen Presseclub.“ Seine Rede hat Abbott mittlerweile gehalten - Selbstkritik inklusive. Doch ob der Premierminister damit der Kritik außerhalb und innerhalb der eigenen Reihen genug entgegensetzen konnte, bleibt offen. „Es könnte nicht genug gewesen sein“, schreibt der „Guardian“. „Prinz Philip wird seinen Ritterschlag bekommen. Aber Tony Abbott ist auf den Knien.“

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