„Herausragendes Staatsoberhaupt“
Der Tod des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker hat am Samstag Betroffenheit ausgelöst. Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck würdigte seinen verstorbenen Vorgänger als ein „herausragendes Staatsoberhaupt“.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Weizsäcker habe das Amt des Bundespräsidenten auf bleibende Weise geprägt und sei ein Zeuge des Jahrhunderts gewesen. „Aus der Erfahrung von Krieg und Gewaltherrschaft folgte sein Engagement für ein friedliches und vereintes Europa", so Gauck."Er vertiefte die Freundschaft mit den Partnern im Westen und suchte die Verständigung mit den Völkern im Osten. Schon früh sah er in der Überwindung der Spaltung Europas die einzige Möglichkeit zur Überwindung der Spaltung Deutschlands.“ Weizsäcker sei weltweit für ein Deutschland gestanden, das seinen Weg in die Mitte der demokratischen Völkerfamilie gefunden hatte. „Er stand für eine Bundesrepublik, die sich ihrer Vergangenheit stellt.“
Merkel: „Großer Verlust für Deutschland“
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte den gestorbenen Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker als eine der großen deutschen Persönlichkeiten. „Wie er von 1984 bis 1994 sein Amt ausgeübt hat, das hat Maßstäbe gesetzt“, sagte sie am Samstag im Kanzleramt in Berlin. Weizsäcker habe seinen großen Intellekt, seine Würde und die Fähigkeit zur klugen Rede jahrzehntelang in den Dienst der Demokratie gestellt.
„Der Tod Richard von Weizsäckers ist ein großer Verlust für Deutschland“, sagte Merkel. „Richard von Weizsäcker war eine der wichtigsten und geachtetsten Persönlichkeiten unseres Landes.“ Deutschland verdanke ihm richtungsweisende Reden.
Altbundespräsident Roman Herzog schrieb in der „Bild am Sonntag“, Weizsäcker sei ein politischer Visionär gewesen. Er habe „die hergebrachten Gegensätze unseres ganzen politisch-gesellschaftlichen Denkens nicht anerkannt, zumindest immer wieder hinterfragt“.
„Deutschlands Ansehen in der Welt geehrt“
Nach Ansicht von CDU-Fraktionschef Volker Kauder mehrte Weizsäcker „Deutschlands Ansehen in der Welt“. In seiner Zeit als Mitglied der Bundestagsfraktion habe er die Deutschland- und Ostpolitik mitgeprägt. „Richard von Weizsäcker hat die Versöhnung und Aussöhnung mit unseren Nachbarn in Europa und mit Israel als eine besondere Verpflichtung und Aufgabe empfunden und gelebt“, sagte Kauder am Samstag. Er habe das im Bewusstsein der geschichtlichen Verantwortung Deutschlands getan.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte: „Richard von Weizsäcker war ein Staatsmann ersten Ranges und gehörte zu den prägenden Persönlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland.“ Als Regierender Bürgermeister von Berlin habe er zuvor in der vom Eisernen Vorhang geteilten Stadt Verantwortung getragen, „nach der Wiedervereinigung setzte er sich als erster gesamtdeutscher Bundespräsident für die Vollendung der inneren Einheit unseres Landes ein“. Tauber würdigte auch das Wirken für die CDU: Ab 1971 sei er Vorsitzender der CDU-Grundsatzkommission gewesen, die das erste Grundsatzprogramm „Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit“, erarbeitet habe.
Gabriel würdigt Intellekt und Führungsgabe
SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel würdigte Weizsäcker als Wegweiser in wichtiger Zeit. „Richard von Weizsäcker hatte die Gabe und den Intellekt, den Menschen Orientierung zu geben und Deutschland in der Welt würdig zu vertreten“, sagte Gabriel am Samstag im Namen der Parteiführung.
„Mit großer persönlicher Glaubwürdigkeit und dadurch erworbener Autorität mahnte Richard von Weizsäcker stets eine emanzipierte Bürgerlichkeit an, die aus dem Versagen der Vergangenheit Konsequenzen zieht.“ Die Bedeutung, die er der Europäischen Union und der verlässlichen Rolle der Deutschen darin immer zugemessen hat, sei eine der wichtigsten Lehren. „Die Bürger und Bürgerinnen werden Richard von Weizsäcker als einen in Deutschland und im Ausland besonders verehrten Bundespräsidenten in Erinnerung behalten.“
„Moralische Integrität wird uns allen fehlen“
Die deutschen Grünen würdigten Weizsäcker als „wunderbaren Menschen, großen Staatsmann und Intellektuellen“. „Seine moralische Integrität wird uns allen fehlen“, teilten die Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt am Samstag in Berlin mit. Weizsäcker habe Deutschland und das Bild von dem Land verändert. „Wie kaum ein anderer Politiker hat er in seiner Zeit als Bundespräsident Vertrauen in das demokratische Deutschland geschaffen.“ Sein offenes und warmherziges Auftreten habe in der Welt Menschen ihre Vorbehalte und Ängste gegenüber Deutschland genommen.
Seine Glaubwürdigkeit speiste sich nach den Worten der Grünen-Fraktionschefs aus eigenen Kriegserfahrungen, die ihn, wie seine Kontakte zu Widerstandskämpfern des 20. Juli, zu einem überzeugten Demokraten machten. Die Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes vor dem Bundestag sei ein historischer Meilenstein im Umgang der Deutschen mit ihrer Geschichte gewesen. Weizsäcker habe aus der nationalen „Schicksalsgemeinschaft“ eine demokratische „Verantwortungsgemeinschaft“ gemacht.
„Bewegtes und unterschiedliches Leben“
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi nannte den Altbundespräsidenten eine „herausragende Persönlichkeit“. „Er hat ein bewegtes und unterschiedliches Leben geführt. Zunächst Offizier im Zweiten Weltkrieg, kam er Schritt für Schritt zu der Erkenntnis, welches verbrecherische Regime die Nazi-Diktatur war“, sagte Gysi am Samstag in Berlin.
„Als Bundespräsident setzte er sich für eine Verständigung und Aussöhnung mit Osteuropa ein. Er engagierte sich auch für eine engere Verbindung zwischen den beiden deutschen Staaten.“ Auch Gysi hob besonders die Rede zum 40. Jahrestag der Befreiung vom Hitler-Regime im Jahr 1985 hervor: „Er benannte alle Opfer des Hitler-Regimes, darunter erstmalig als herausragender Bundespolitiker auch die Kommunistinnen und Kommunisten“, so Gysi. „Er war ein Mann der hohen politischen Kultur, die wir auch heute noch dringend benötigen.“
Kirchenvertreter kondolieren
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), für die sich Weizsäcker unter anderem als Präsident des Kirchentagspräsidiums und EKD-Ratsmitglied eingebracht hatte, bezog sich in ihrer Reaktion auf sein Wirken für die Gemeinschaft. „In seiner Person hat die Kirche ausgestrahlt, wovon sie spricht“, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Weizsäcker sei auch für ihn persönlich einer der eindrucksvollsten Menschen gewesen.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, sagte: „Richard von Weizsäcker war der Bundespräsident der Deutschen Einheit.“ Mit hohem persönlichen Engagement habe er an der Umsetzung der Einheit des Landes mitgewirkt. Als Präsident des Evangelischen Kirchentages und als Mitglied der EKD-Synode sei ihm auch die Ökumene ein Anliegen gewesen.
Nach dem Tod des einstigen Staatsoberhaupts werden in den Amtssitzen des Bundespräsidenten in Berlin und Bonn Kondolenzbücher für die Öffentlichkeit ausgelegt. In Berlin waren bereits am Samstag Eintragungen möglich, weitere Termine sind für Sonntag und Montag vorgesehen. In Bonn wird das Kondolenzbuch am Montag ausgelegt.
„Stimme der Vernunft wird fehlen“
Der Generalsekretär des Europarates, Thorbjörn Jagland, nannte Weizsäcker in einer Aussendung den „besten Botschafter Deutschlands“. „Präsident Von Weizsäcker war ein außerordentlich ernsthafter und weiser Politiker, ein wahrer Weltbürger“, fügte der norwegische Sozialdemokrat am Samstag hinzu. „Seine Stimme der Vernunft wird Europa und der internationalen Gemeinschaft fehlen“, sagte Jagland.
Auch in Österreich löste die Nachricht vom Tod Weizsäckers Betroffenheit aus. Bundespräsident Heinz Fischer brachte seine tiefe Trauer über das Ableben des deutschen Altbundespräsidenten Weizsäcker zum Ausdruck. „Meine Anteilnahme gilt vor allem der Familie des verstorbenen Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker“, sagte Fischer nach Angaben seines Sprechers.
Fischer: „Richtungsweisende Akzente“ gesetzt
Weizsäcker habe in der Auseinandersetzung um eine schwierige Vergangenheit in seiner Rede vom 8. Mai 1985 bezüglich des Endes des Zweiten Weltkrieges „richtungsweisende Akzente gesetzt und zu den guten Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich wichtige Beiträge geleistet“, so der Bundespräsident.
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) würdigte insbesondere die scharfe Abgrenzung Weizsäckers gegenüber dem Nationalsozialismus: „Seine Auseinandersetzung mit den Nazi-Verbrechen und die klaren Worte zum 40. Jahrestag des Kriegsendes, den er als erster deutscher Politiker als Tag der Befreiung auch für die Deutschen selbst ansprach, waren wichtige Marksteine in seiner Amtszeit“, so der Bundeskanzler. Weizsäcker sei ein herausragendes Staatsoberhaupt gewesen, das sein Amt auf nachträgliche Weise geprägt habe.
„Mehr denn je ein Beispiel“
„Sein Engagement für ein friedliches und vereintes Europa sollte uns heute mehr denn je ein Beispiel sein“, zollte der Bundeskanzler dem politischen Vermächtnis Weizsäckers Respekt und kondolierte seiner Frau Marianne und der Familie. „Richard von Weizsäcker war ein herausragender Staatsmann, der durch seine antifaschistische Haltung hohe Anerkennung im In- und Ausland erlangte“, schloss sich SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder den Würdigungen in einer Aussendung an.
Auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) brachte in einer Aussendung seine Trauer zum Ausdruck: „Wir trauern um eine großartige politische Persönlichkeit und ein außergewöhnliches Staatsoberhaupt.“ Sein „unermüdlicher Einsatz und sein Wirken für Einigkeit, ein besseres Miteinander und dem Überwinden von Grenzen“ würden stets in Erinnerung bleiben und „Vorbild für nachfolgende Politikgenerationen sein“, sagte der Vizekanzler weiter.
Links: