Deutliche Warnungen der Kreditgeber
Die erst vor wenigen Tagen angelobte neue griechische Regierung demonstriert Selbstbewusstsein. Offenbar will sie tatsächlich ihr Versprechen in die Tat umsetzen, den rigiden Sparkurs der letzten Jahre - eine zentrale Bedingung für Finanzhilfen an Athen - zu beenden.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Damit würde die Regierung unter Führung des Linksbündnisses SYRIZA auf einen handfesten Konflikt mit der internationalen Geldgeber-Troika aus EU-Partnern, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) zusteuern. Noch vor einem Treffen des griechischen Finanzministers Gianis Varoufakis mit Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem am Mittwoch habe Athen signalisiert, dass der Sparkurs beendet werden soll, meldete die Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Entscheidungen für „illegal“ erklärt
Die Regierung werde das „durchziehen“, auch wenn „den Griechen der Geldhahn zugedreht“ werde, so die dpa unter Berufung auf namentlich nicht genannte Quellen im griechischen Finanzministerium. Notfalls wolle Athen sogar vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ziehen. Viele Entscheidungen der vergangenen Jahre, die das harte Sparprogramm betreffen, seien „illegal“ gewesen.
Die griechische Presse berichtete am Freitag, der neuen Athener Regierung schwebe in den Verhandlungen mit den Euro-Partnern ein Schuldenschnitt kombiniert mit einer Streckung der Zahlungsfristen sowie eine Wachstumsklausel als Lösung der Probleme des hoch verschuldeten Krisenlandes vor.
„Verpflichtungen nachkommen“
Der Vizechef der EU-Kommission, Jyrki Katainen, warnte Athen: „Wir erwarten, dass die Regierung die versprochenen Verpflichtungen einhält“, sagte Katainen am Freitag im Deutschlandfunk. Diejenigen, die Griechenland Geld geliehen hätten, müssten sich darauf verlassen können, dass das Land die versprochenen Reformen umsetze. „Bisher haben wir keine Informationen darüber, wie das Ganze finanziert wird“, sagte er mit Blick auf die Pläne von Ministerpräsident Alexis Tsipras.
Nach Einschätzung von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz will die neue Regierung aber keine einseitigen Schritte bei der Überwindung der Schuldenkrise einleiten. Das sagte er am Donnerstag nach einem ersten Treffen mit Tsipras in Athen. Der griechische Ministerpräsident erklärte, er wünsche eine Schuldenkonferenz. Dazu werde seine Regierung eine Liste mit Vorschlägen vorlegen, die mit den Partnern im Euro-Land besprochen werden sollten.
Wogen nach Schulz-Besuch etwas geglättet
Schulz, der als erster hochrangiger EU-Politiker mit dem neuen Regierungschef zusammentraf, machte zwar keinen Hehl aus den Meinungsverschiedenheiten. Das Gespräch habe viel Kraft gekostet, so der SPD-Politiker. Die griechische Regierung setze in der Schuldenfrage aber nicht auf einen Alleingang. Vielmehr wolle sie Vorschläge unterbreiten und darüber diskutieren. „Ich finde, das ist eine sehr, sehr gute Botschaft.“ Tsipras sagte, Griechenland strebe eine Lösung an, die für beide Seiten von Vorteil sei. Tsipras sprach von einer „neuen Beziehung“ zwischen Athen und den EU-Partnern. Gemeinsames Ziel müssten Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen sein.

APA/EPA/Orestis Panagiotou
Tsipras und Schulz: „Neue Beziehungen“ oder drohender Clinch?
Kommende Woche will Tsipras mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über das weitere Vorgehen im Schuldenstreit beraten. Die beiden Politiker hätten bei einem Telefonat Anfang dieser Woche vereinbart, dass Tsipras zu einem Treffen nach Brüssel reise, sagte der Sprecher der EU-Kommission, Margaritis Schinas, am Freitag. Ein genaues Datum stehe noch nicht fest.
Funkstille mit Deutschland
Mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel ist vor dem EU-Gipfel in knapp zwei Wochen kein persönliches Treffen geplant. Auch zwischen dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble und seinem Athener Gegenpart Gianis Varoufakis herrscht bisher Funkstille. Das sonst übliche Telefonat nach einem Amtswechsel gab es noch nicht, hieß es am Freitag in Berlin.
Die deutsche Regierung stellte inzwischen sogar die Verlängerung des Hilfsprogramms für Athen infrage. Der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Jäger, verwies in Berlin darauf, dass dieses Programm Ende Februar ausläuft. Auch müssten für dessen ordentlichen Abschluss noch zusätzliche Leistungen von griechischer Seite erbracht werden.
Mehr als 300 Mrd. Euro Schulden
Griechenland plagen Verbindlichkeiten in Höhe von mehr als 300 Milliarden Euro - gemessen an der Wirtschaftsleistung ist das der höchste Schuldenberg aller Euro-Länder. Dijsselbloem hatte schon vor seinem Besuch in Athen am Donnerstag erklärt, dass er die Wahlversprechen der Athener Regierung für nicht finanzierbar halte.
Zwar sei es noch zu früh, um zu sagen, was die Regierung tatsächlich unternehmen werde. Allerdings warnte er: „Wenn man alle Versprechen addiert, würde der griechische Haushalt sehr schnell entgleisen.“ Sollte eine Erhöhung der Staatsausgaben den Haushaltsüberschuss wieder in ein Defizit verwandeln, würde auch ein Schuldenschnitt nicht helfen. Am wichtigsten für Griechenland sei jetzt, „sich einfach an die Abmachungen zu halten, die wir miteinander getroffen haben“.
Auszahlung eingefroren
Griechenland wird seit fast fünf Jahren von der Euro-Zone und dem IWF mit insgesamt 240 Milliarden Euro vor dem Bankrott bewahrt. Finanzpolitisch halten die Geldgeber weiterhin alle Trümpfe in der Hand. So steht die Auszahlung weiterer 7,2 Milliarden Euro aus, weil es noch keine Einigung mit den Troika-Kontrolleuren über die Fortschritte des griechischen Sanierungsprogramms gibt. Die US-Ratingagentur Fitch warnte, sollte eine Einigung ausbleiben, drohe im Mai eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit. Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) drohte Athen ebenfalls.
Mehr Wachstum - weniger Arbeitslosigkeit
Dabei steuerte Griechenland nach Troika-Einschätzung zuletzt auf eine bessere wirtschafts- und finanzpolitische Lage zu. Die Experten von IWF, EU und EZB gingen Mitte Jänner - und damit vor dem Amtsantritt der neuen griechischen Regierung - von einem Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent in diesem und von 3,7 Prozent im nächsten Jahr aus.
Laut einem Schreiben des deutschen Finanzministeriums soll die Arbeitslosigkeit von 26,8 Prozent im vergangenen Jahr nach Einschätzung der Troika im laufenden Jahr auf 25 Prozent sinken und auf 22 Prozent in 2016. Der Schuldenstand könnte von 175,5 Prozent der Wirtschaftsleistung (2014) bis zum Jahr 2020 auf 125 Prozent und 2022 auf 112 Prozent sinken.
Links: