Kluft wird immer größer
Vom kommenden Jahr an wird das reichste Prozent der Weltbevölkerung mehr als die Hälfte des weltweiten Wohlstands auf sich vereinen. „Die Kluft zwischen den Reichsten und dem Rest wird schnell tiefer“, erklärte die britische Wohlfahrtsorganisation Oxfam am Montag, zwei Tage vor Eröffnung des alljährlichen Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Laut Oxfam gehörten 2009 44 Prozent des Besitzes einem Prozent der Weltbevölkerung. Vergangenes Jahr lag der Anteil bei 48 Prozent. 2016 werde er auf mehr als 50 Prozent wachsen. In der Gruppe der Reichsten habe jeder Erwachsene ein Vermögen von 2,3 Millionen Euro.
80 Prozent haben nur 5,5 Prozent
Bei ihnen hört das steile Gefälle jedoch nicht auf: Fast das gesamte Resteigentum - 46 Prozent von insgesamt 52 Prozent - liegt laut Oxfam derzeit in den Händen von 20 Prozent der Weltbevölkerung. Den verbliebenen Reichtum von etwa 5,5 Prozent würden sich die übrigen 80 Prozent der Menschheit teilen. „Das Ausmaß der globalen Ungleichheit ist einfach erschütternd“, sagte Oxfam-Direktorin Winnie Byanyima.
Um eine weitere Zunahme der Ungleichheit zu stoppen, fordert Oxfam von den Staaten mehrere Maßnahmen: die Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerflucht; die Besteuerung von Kapital anstelle von Arbeit; die Einführung von Mindestlöhnen sowie die Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen. Die Regierungen müssten sich gegen Interessengruppen durchsetzen, „die einer faireren und gedeihlicheren Welt im Wege stehen“, forderte Byanyima.
Thema beim Forum
Die wachsende Ungleichheit gehört zu den Themen des Weltwirtschaftsforums, das von Mittwoch bis Samstag in der Schweiz stattfindet. Aus Österreich reist Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) in den Schweizer Skiort. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Frankreichs Präsident Francois Hollande und Chinas Ministerpräsident Li Keqiang haben neben 300 weiteren Staats- und Regierungschefs sowie Managern von Wirtschaftsunternehmen und Vertretern der Zivilgesellschaft ihr Kommen angekündigt.
Gefahr für Grundlage der Privatwirtschaft
Oxfam selbst zitierte am Montag in seiner Aussendung Lynn Forester de Rothschild, Geschäftsführerin von E. L. Rothschild und Leiterin der Coalition for Inclusive Capitalism: „Der Oxfam-Bericht ist nur der jüngste Beleg dafür, dass Ungleichheit schockierende Ausmaße erreicht hat und weiter wächst. Die globalen Führungskräfte des modernen Kapitalismus müssen nun endlich zusammen mit den Politikern das Wirtschaftssystem ändern und inklusiver, gerechter und nachhaltiger machen.“ Extreme Ungleichheit sei nicht nur moralisch verwerflich. Sie bedrohe auch das Wirtschaftswachstum und damit die Grundlage der Privatwirtschaft.
Oxfam-Chefin Byanyima, die heuer eine der sechs Vorsitzenden des Forums ist, warnte ebenfalls im Interview mit dem „Guardian“: „Die Botschaft lautet, dass steigende Ungleicheit gefährlich ist. Sie ist schlecht für das Wachstum und schlecht für die Politik. Wir sehen eine Konzentration an Wohlstand, die die Macht erobert und normale Menschen ohne Stimme und Vertretung ihrer Interessen zurücklässt.“ Im vergangenen Jahr hatte Oxfam beim Weltwirtschaftsforum mit einem Bericht für Schlagzeilen gesorgt, wonach die 85 reichsten Menschen der Welt ebenso viel Vermögen haben wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung - 3,5 Milliarden Menschen.
Links: