24-stündiges Demonstrationsverbot
Terrorgefahr in Dresden: In einem beispiellosen Schritt hat die Polizei der sächsischen Landeshauptstadt für Montag die PEGIDA-Demonstration und alle anderen Kundgebungen verboten. Am Wochenende hatten in Mannheim und Lübeck Tausende Menschen für eine offene Gesellschaft demonstriert.
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Es gebe nicht mehr nur eine abstrakte, sondern eine konkrete Gefahr, erklärte Polizeipräsident Dieter Kroll am Sonntag. Schon vor der Anordnung der Polizei hatte Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA) ihre Kundgebung vor der Semperoper abgesagt. Auch das wurde mit Hinweisen des Staatsschutzes auf Attentatspläne gegen ein Mitglied des Organisationsteams begründet. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung (Onlineausgabge) über die Absage berichtet.
Explizite Drohung gegen PEGIDA-Gründer Bachmann
Wie PEGIDA-Mitbegründerin Kathrin Oertel am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Günther Jauch“ bestätigte, galt die Drohung explizit dem Organisator der Demonstrationen, Lutz Bachmann. „Es sind eigentlich alle immer gemeint. Aber es ist natürlich gegen eine Person ganz gezielt gewesen. Und das ist der Organisator Lutz Bachmann“, sagte Oertel.
Laut ihrer Darstellung kam die Polizei bereits am Samstag auf die PEGIDA-Verantwortlichen zu und wies sie auf die Drohungen hin. Man habe eine Bedenkzeit bis Sonntagfrüh vereinbart. „Es wäre sicher aufgrund der Bedrohungslage für die Polizei nicht möglich gewesen, diese Veranstaltung abzusichern“, sagte Oertel. Hätte PEGIDA die Kundgebung nicht abgesagt, wäre sie mit Sicherheit wegen dieser Bedrohungslage von der Polizei verboten worden.
Aufruf an Attentäter
In der Polizeiverfügung ist von vorliegenden Informationen die Rede, wonach Attentäter aufgerufen wurden, sich unter die PEGIDA-Demonstranten zu mischen. Ziel sei es, „zeitnah einen Mord an einer Einzelperson des Organisationsteams der PEGIDA-Demonstrationen zu begehen“. Dieser Aufruf ähnele einem über einen Twitter-Account gesendeten Tweet, in dem auf Arabisch die PEGIDA-Demonstration als „Feindin des Islam“ bezeichnet werde, heißt es in dem Schreiben.
Die Dresdner Sicherheitsbehörden leiten daraus eine konkrete Gefahr ab. „Konkret heißt auch: Es geht um ein Mitglied des Organisationsteams von PEGIDA und die Versammlungen für den 19. Jänner 2015“, sagte Polizeipräsident Kroll.
Auch Gegendemo entfällt
Laut Polizeiverfügung sind am Montag von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge innerhalb der Ortsgrenzen der Landeshauptstadt Dresden untersagt.
Das Gegenbündnis „Dresden für alle“, das auch für Montagabend eine Kundgebung für eine weltoffene Stadt angemeldet hatte, nahm die Entscheidung zur Kenntnis. „Natürlich muss die Polizei für Sicherheit sorgen“, sagte Bündnissprecher Eric Hattke. „Sie muss ihre Entscheidungsprozesse aber auch für alle Seiten transparent darstellen.“
Hinweise von Geheimdiensten
Wie dpa erfuhr, gab es bereits am Freitag entsprechende Hinweise ausländischer Geheimdienste an die deutschen Behörden. Auch das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte berichtet, es seien „Kommunikationsinhalte namentlich bekannter Dschihadisten abgefangen“ worden, die mögliche Anschläge auf PEGIDA-Demonstrationen diskutiert hätten.
Die PEGIDA-Organisatoren erklärten, kurzfristig habe kein befriedigendes Sicherheitskonzept erarbeitet werden können. „Daher halten wir es für unverantwortlich, unsere Sympathisanten und unsere Stadt unkalkulierbaren Risiken auszusetzen.“
PEGIDA organisiert seit Mitte Oktober regelmäßig Demonstrationen gegen eine vermeintliche Islamisierung des Abendlandes und für eine Verschärfung des Asylrechts. Zuletzt kamen am vergangenen Montag bei der bisher größten Kundgebung nach Polizeiangaben rund 25.000 Menschen in Dresden zusammen.
Gegendemos in Mannheim und Lübeck
Ein deutliches Signal für eine offene Gesellschaft hatten am Samstag Tausende in Mannheim und Lübeck abgegeben. Knapp 12.000 Demonstranten - und damit mehr als erwartet - gingen am Samstag in Mannheim gegen Intoleranz, Hass und Fremdenfeindlichkeit auf die Straße. Ein Demonstrationszug mit Trommlern zog vom Schloss durch die Innenstadt. In Lübeck zeigten sich mehr als 4.500 Menschen solidarisch mit den Flüchtlingen im Land. Die Veranstalter hatten jeweils nur mit bis zu 1.000 Teilnehmern gerechnet.
Bei der Mannheimer Kundgebung sprachen sich viele Menschen auf ihren Plakaten für Vielfalt und gegen die Anti-Islam-Bewegung PEGIDA aus. „Flüchtlinge werden nicht als solche geboren", sagte der Mitinitiator und Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier bei der Abschlusskundgebung. "Es ist ein Akt der Humanität, ihnen zu helfen und ihnen mit Respekt zu begegnen. Und dafür gibt es keine Ausrede.“
„Refugees Welcome“
In Lübeck erinnerten die Demonstranten auch an die Brandkatastrophe in einer Asylbewerberunterkunft der Hansestadt, bei der am 18. Jänner 1996 zehn Menschen starben und 38 verletzt wurden. Zu der Kundgebung unter dem Motto „Refugees Welcome“ (Flüchtlinge willkommen) hatte ein Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Organisationen aufgerufen.
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