„Kann ich nicht ernst nehmen“
Heftiger Gegenwind bläst Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) aus den Ländern ins Gesicht. Der aktuelle Anlass: Offenbar aus Spargründen hatte sie vorgeschlagen, dass nur jene Schulen der Sekundarstufe weitergeführt werden sollen, die mindestens 300 Schüler haben.
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Für den Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) ist dies schlichtweg nicht akzeptabel. In Vorarlberg müssten in diesem Fall drei Viertel der Haupt- und Mittelschulen geschlossen werden. Einen derartigen Vorschlag könne er nicht ernst nehmen, so Wallner in einer Aussendung.
Es sei erstaunlich, welche Unkenntnis über die Situation von Kleinschulen in Vorarlberg herrsche, so der Landeshauptmann. Er betrachte den Erhalt dieser Schulen als wichtige Investitionen in die Zukunft der Kinder auf dem Land und den Erhalt des ländlichen Raums insgesamt. Die Frage nur aus dem Blickwinkel der Kosten zu betrachten zeuge von einem sehr kurzsichtigen Ansatz. Man müsse jede Schule einzeln betrachten und keine „willkürliche Grenze“ einführen.
Platter kontert mit Gegenvorstoß
Auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) erteilte am Sonntag Heinisch-Hoseks Vorstoß eine Absage. Dieser „fragwürdige zentralistische Vorschlag“ wäre ein „Kahlschlag für den ländlichen Raum“, so Platter am Sonntag in einer Stellungnahme.
Die aktuelle Debatte ist laut Platter einmal mehr Beweis dafür, dass Lehrerverwaltung und Schulinfrastruktur bei den Ländern besser aufgehoben sind. Der Bund solle sich nur mehr auf die bildungspolitischen Ziele konzentrieren, argumentierte der Tiroler Landeschef: „Wenn das Zusperren beinahe aller Neuen Mittelschulen (NMS) in Tirol das Einzige ist, was der zuständigen Ministerin angesichts sinkender Schülerzahlen einfällt, dann ist es höchste Zeit, dass die Länder die Sache selbst in die Hand nehmen.“
„Tirol bereit“
Vor allem die ÖVP-geführten Länder hatten in der Vergangenheit wiederholt die Kompetenz in Fragen der Schulverwaltung gefordert, also beispielsweise die Übernahme der Bundeslehrer. Tirol sei dazu bereit, so Platter, denn bereits jetzt finanziert das Land beispielsweise 100 zusätzliche Lehrer, weil der Bund seiner Verpflichtung nicht nachkomme.
Würde in Tirol dem Vorschlag Heinisch-Hoseks Folge geleistet, dann könnten nach aktuellem Stand lediglich drei NMS diese Hürde nehmen. „Angesichts dieser Zahlen kann ich den Vorschlag gar nicht ernst nehmen“, sagte Platter. Die Voraussetzungen in Wien und Tirol seien nicht zu vergleichen. Wohnortnahe Schulen seien nicht nur ein Vorteil für die Kinder, sondern auch für viele Eltern wesentlicher Entscheidungsgrund bei der Wohnortwahl.
Niessl: „Mit Sicherheit nicht“
Bereits am Donnerstag hatte der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl seiner Parteikollegin eine Abfuhr erteilt. Für ihn sei das „überhaupt kein Thema“, so Niessl, der heuer auch Landtagswahlen zu schlagen hat. Im Burgenland würden von 41 Neuen Mittelschulen nur fünf diese Voraussetzung erfüllen, so Niessl. „Das werde ich mit Sicherheit nicht akzeptieren.“
Er werde sich massiv dafür einsetzen, dass solche Vorschläge sicher nicht umgesetzt werden, betonte Niessl, der auch Mitglied der Bildungsreform-Arbeitsgruppe der Regierung bzw. der Länder ist. Diese zeigten, dass die Länder mehr Verantwortung in der Bildung bekommen sollten - dann würden solche Ideen gar nicht erst auf den Tisch kommen.
„Kleinschulen wirtschaften gut“
Auch Gemeindebund-Chef Helmut Mödlhammer (ÖVP) hält „überhaupt nichts“ von Heinisch-Hoseks Vorschlag. „Es kann nicht im fernen Wien entschieden werden, was im Kleinen Walsertal oder in Osttirol passiert“, so Mödlhammer im „Standard“ (Onlineausgabe). „Die Schulerhalter sind die Gemeinden, deshalb hat die Ministerin damit eigentlich überhaupt nichts zu tun. Sie sollte sich mehr um die Bundesschulen kümmern“, sagte Mödlhammer.
Kleinschulen seien nicht die Kostentreiber. „Sie wirtschaften sehr kostengünstig und gut.“ In der Reduktion der Schulverwaltung sei viel mehr Geld drinnen als bei „den paar Lehrern, die man so einsparen könnte und die sehr gute Arbeit in Kleinschulen leisten“.
Schülerzahlen gehen zurück
Die Bildungsministerin hatte gegenüber dem „Standard“ (Donnerstag-Ausgabe) gemeint, sie halte österreichweit geltende Mindestgrößen für Schulen - und somit die Schließung von Kleinschulen - für sinnvoll. Im sekundären Bereich sprach sie sich eben für eine Mindestgröße von 300 Schülern aus. Für Volksschulen will sie sich noch nicht festlegen, sondern sich vorher mit Ländern und ÖVP koordinieren. Unklar ist, ob ihr Vorschlag bezüglich Mittelschulen in der Koalition akkordiert ist.
Der Rechnungshof hatte im Vorjahr kritisiert, Kleinschulen würden hohen Kosten verursachen. Sie verbrauchen mehr Ressourcen, als Bund und Länder in ihrer Stellenplanrichtlinie festgelegt haben. Laut Statistik Austria gab es im Schuljahr 2013/14 242 Volksschulen mit nur einer Klasse. Das sind acht Prozent aller Volksschulen. Außerdem geht die Zahl der Schüler - aufgrund sinkender Geburtenzahlen - kontinuierlich zurück, in den vergangenen zehn Jahren nahm sie um zwölf Prozent ab.
„Je größer, desto besser“
Heinisch-Hosek argumentiert, dass die Schließung von Kleinschulen nicht nur finanzielle, sondern auch pädagogische Vorteile hätte: „Je größer die Schule, umso besser sind die Angebote.“ Außerdem betonte sie, dass die Mindestgrößen den regionalen Gegebenheiten angepasst werden müssten.
Unterstützung erhielt Heinisch-Hosek dagegen von der Industriellenvereinigung (IV). „Schule soll ein lebendiger Ort sein, an dem Bildung mit hoher Qualität stattfindet und es genügend pädagogisches Angebot gibt. Dafür bedarf es aus unserer Sicht auch einer kritischen Größe. Diese ist vor allem auch notwendig, um eine echte, moderne Schulautonomie in Österreich umzusetzen“, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.
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