Grüne drängen auf sofortige Schließung
Die Auspeitschungen des Bloggers Raif Badawi in Saudi-Arabien haben in Österreich zu einer innenpolitischen Debatte über das König-Abdullah-Zentrum für Interreligiösen Dialog (KAICIID) geführt, das von Saudi-Arabien finanziert wird. Der Druck auf das Zentrum verstärkte sich am Freitag.
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Nach scharfer Kritik der Grünen, die vor dem Abdullah-Zentrum eine Mahnwache für Badawi veranstalteten, sind nun auch SPÖ und ÖVP auf Distanz zum Zentrum gegangen. Die Grünen drängen auf sofortige Schließung des von Saudi-Arabien, Österreich, Spanien und dem Vatikan getragenen Dialogzentrums einbringen. Amnesty International (AI) protestierte unterdessen vor der saudischen Botschaft gegen die Auspeitschung.

APA/EPA/Roland Schlager
Amnesty International protestierte vor der saudischen Botschaft
Auspeitschung wegen Gesundheit verschoben
Unterdessen setzte die saudi-arabische Justiz die für Freitag angesetzte weitere Auspeitschung Badawis aus. Das teilte Amnesty International in einer der APA übermittelten E-Mail mit. Die Verschiebung sei „aus medizinischen Gründen“ angeordnet worden. Der Gefängnisarzt habe aus Sorge um das Leben Badawis eine Verschiebung auf kommende Woche empfohlen, so AI weiter. Badawi wurde wegen „Beleidigung des Islam“ zu zehn Jahren Haft und tausend Peitschenhieben verurteilt. Die Strafe wird in wöchentlichen Tranchen zu 50 Peitschenhieben exekutiert.

ORF.at/Peter Pfeiffer
Das Abdullah-Zentrum in Wien
Kurz: Lassen nicht locker
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) bezeichnete es in einer ersten Stellungnahme als „wichtig“, dass die für Freitag angekündigte Auspeitschung nicht stattgefunden habe. Österreich werde aber weiterhin „Druck machen hin auf eine Begnadigung“, so Kurz mit Blick auf gemeinsame Bemühungen mit EU, UNO und Bundespräsident Heinz Fischer. „Wir lassen nicht locker.“
Kurz hatte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und UNO-Menschenrechtskommissar Said Raad al-Hussein gebeten, Druck auf Riad auszuüben. Der jordanische Prinz appellierte am Donnerstag an den saudischen König, Badawi zu begnadigen. Auspeitschungen seien „brutal“ und „unmenschlich“, sagte Said. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) forderte von Saudi-Arabien die Begnadigung von Badawi und die Einhaltung der Menschenrechte - mehr dazu in religion.ORF.at.
Offenbar kein Beschluss durch Sicherheitsrat
In der Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates - diese war aufgrund der Terroranschläge von Paris einberufen worden - wurde am Freitagabend der Antrag der Grünen zur Auflösung der Verträge mit dem Abdullah-Dialogzentrum dem Vernehmen nach allerdings nicht abgestimmt.
Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz wollte das mit Verweis auf die Vertraulichkeit des Sicherheitsrats nicht bestätigen, nur so viel: „Ich kann leider nicht berichten, dass unser Antrag angenommen worden ist. Das ist mit der Geschäftsordnung vereinbar.“ Kritik übte er insbesondere an Kurz, der mit einer Entscheidung noch ein halbes Jahr zuwarten will: Kurz habe sich „als verlässliche Stütze des saudischen Regimes erwiesen“, so Pilz.
Protestschreiben von Faymann
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) übermittelte dem Saudi-arabischen Botschafter Mohammed al-Sallum bereits am Donnerstag ein Protestschreiben im Fall Badawi. „Das Auspeitschen widerspricht der UN-Folterkonvention, die auch Saudi-Arabien ratifiziert hat“, betonte Faymann laut einer Aussendung. Die grüne Klubobfrau Eva Glawischnig zeigte sich erleichtert über die Aussetzung der Strafe. Sie sei wegen Badawis Gesundheitszustands zutiefst besorgt. Die Bemühungen auf österreichischer und europäischer Ebene zu einer Begnadigung bzw. einer Außerlandesbringung müssten intensiviert werden, sagte sie zur APA.
Abdullah-Zentrum erwähnt Auspeitschungen nicht
Das Abdullah-Zentrum verteidigte sich am Freitag. Die Türen stünden „für alle Interessierten offen“, hieß es in einer Aussendung. Anlässlich der Mahnwache der Grünen vor dem KAICIID habe das Zentrum die Kritiker zum Gespräch eingeladen, um über seine Mission und Aktivitäten zu informieren, so Sprecher Peter Kaiser.
Eine Verurteilung der Auspeitschungen Badawis war in der Aussendung nicht zu finden: „Wir sind Mediatoren, Moderatoren und Förderer im interreligiösen Dialog. Wenn wir rufen, sollen alle kommen - auch Staaten, die das Scharia-Recht anwenden. Daher ist unsere Unparteilichkeit so wichtig“, so Kaiser. „Anders können wir unsere Aufgabe, für die wir geschaffen wurden, nicht erfüllen: Menschen an einen Tisch zu bringen, die normalerweise nicht miteinander sprechen.“ Betont wurde weiters, dass sich die Arbeit von KAICIID auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO gründe.
Fischer-Schreiben an Saudi-Arabien
Bundespräsident Fischer ersuchte die saudische Staatsspitze um eine Begnadigung Badawis. In einem Gespräch mit Sallum habe Fischer betont, „wie sehr das Schicksal von Raif Badawi die Möglichkeiten des Dialoges erschwere und beeinträchtige“, teilte die Präsidentschaftskanzlei am Freitag mit. Das Gespräch Fischers mit dem Diplomaten habe bereits am Montag stattgefunden. Am Mittwoch ersuchte der Bundespräsident dann in einem Schreiben die saudische Staatsspitze ausdrücklich um die Begnadigung Badawis. Fischer sprach in diesem Zusammenhang von einer „unakzeptablen Art der Bestrafung“ und einer „unmenschlichen Strafe“.
Die wichtigste Frage sei im Moment, „eine Wendung im Schicksal von Raif Badawi zu erreichen“, so Fischers Sprecherin Astrid Salmhofer in der Aussendung weiter. Es sei zu hoffen, dass diese Frage „nicht durch die Diskussion anderer Themen beeinträchtigt und erschwert wird“, meinte sie in Anspielung auf die innenpolitische Diskussion über das Abdullah-Zentrum.
Faymann verschärft Gangart
Bundeskanzler Faymann geht hingegen auf deutliche Distanz zum Abdullah-Zentrum. Er will eine rasche Prüfung, um noch vor dem Sommer eine Entscheidung über eine mögliche Kündigung der entsprechenden Abkommen zu treffen. Das Zentrum komme seinen vertraglich festgelegten Aufgaben nicht nach, so die Einschätzung im Kanzleramt gegenüber der APA.
Das Abdullah-Zentrum weigerte sich bisher, die Auspeitschungen Badawis zu verurteilen. Mit dieser Weigerung, über diese Menschenrechtsverletzungen zu sprechen, widerspreche das Zentrum seinen vertraglich festgelegten Aufgaben - u. a. der Stärkung des Dialoges zwischen den Weltreligionen -, hieß es am Donnerstag aus dem Kanzleramt gegenüber der APA. Faymann gehe „deutlich auf Distanz“ zum Zentrum, so eine Sprecherin. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder übte am Freitag im Gespräch mit der APA massive Kritik daran, dass Kurz noch keinen Bericht zum Abdullah-Zentrum vorgelegt hat: „Ich verlange, dass er schneller evaluiert.“
Ausstieg nicht Ende des Zentrums
Faymann will nun eine raschere Prüfung über mögliche Ausstiegsmöglichkeiten Österreichs aus den entsprechenden Verträgen, wie er auch gegenüber mehreren Tageszeitungen sagte. Außenminister Kurz hatte am Dienstag noch darauf verwiesen, dass die Arbeit des Zentrums im Sommer bewertet werden sollte. Im Kanzleramt will man den Ausstieg Österreichs aus dem Gründungsabkommen prüfen, das zwischen Österreich, Spanien und Saudi-Arabien abgeschlossen wurde.
Weiterbestehen könnte das Zentrum freilich auch nach einem Ausstieg Österreichs. Einseitig aufkündigen könnte die Republik das Amtssitzabkommen mit dem KAICIID, das dem Zentrum Privilegien internationaler Organisationen einräumt - etwa hinsichtlich Steuerzahlungen. Notwendig für die Aufkündigung der jeweiligen - völkerrechtlichen - Verträge wäre in jedem Fall ein Beschluss des Nationalrates.
Mitterlehner gegen „populistisches Vorgehen“
ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ist gegen die Schließung des Zentrums. „Ich bin da eher auf der Linie des Herrn Bundespräsidenten und gegen ein populistisches Vorgehen“, so Mitterlehner in der Tageszeitung „Österreich“ (Freitag-Ausgabe). Es sei für eine vorsichtige Vorgehensweise, die nicht Schaden bei allen Betroffenen auslöse. Er sei gegen eine Schließung - zumindest ohne Prüfung, was das Zentrum inhaltlich macht, so der Vizekanzler weiter.
Scharfe Kritik am Bundespräsidenten übte unterdessen die FPÖ: „Es geht nicht an, dass Fischer permanent Realitätsverweigerung betreibt und Auspeitschungen toleriert, das muss doch auch für einen Agnostiker zu viel sein“, so FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl in einer Aussendung. Faymann und Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) sollten „den uneinsichtigen Bundespräsidenten sofort zurückpfeifen, der sich gegen eine Schließung des Abdullah-Zentrums aussprach“.
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